Beyoncé und Solange sollen verschieden bleiben

Aus dem Interview der Knowles-Schwestern lernen wir viel über Vorurteile, grenzenlose Kreativität, Empowerment – und warum es so schön ist, die beiden nicht zu vergleichen.

„Solange ist die bessere Beyoncé“ ist nur ein Vergleich von vielen, den die Knowles-Schwestern vermutlich oft lesen. #TeamSolange und #TeamBeyoncé werden von der Masse gebildet. Beyoncé wird als karriereverbissen und Solange als natürlich dargestellt. Doch eigentlich sollten wir gar nicht darauf rumhacken, wer nun berühmter, beliebter oder besser ist. Denn beide sind auf ihre Art eine Bereicherung – nicht nur für unsere Ohren und Augen, sondern auch für uns Frauen.

Andy Warhol verdanken wir das geniale Konzept, bei dem sich Prominente gegenseitig interviewen. Die neueste Kombination aus dem Schwesternpaar Beyoncé und Solange war ein Highlight. Nicht nur weil wir offenkundig Fan von beiden sind, sondern auch, weil wir darauf gebrannt haben, zu erfahren, was sie sich erzählen. Und es war auch kein Zufall, dass sich Solange ihre Schwester als Fragestellerin gewünscht hat – denn sie wusste schon vorher, dass sie (fast) niemand so gut versteht wie Bey und sie auch ihr größter Fan ist: „I’m your biggest fan and I’m super proud of you.“ (Beyoncé, Interview Magazine) Durch die schwesterliche Geborgenheit war das Interview außergewöhnlich gefühlsbetont. Solange sprach überwiegend über die Hintergründe zu ihrem Album „A Seat at the Table“ aber auch über ihre Ehe und die Beziehung zu sich selbst.

Das Gespräch startet mit einer „Erinnerst du dich noch als …?“-Plauderei mit Lachen und mündet dann dahin, dass Beyoncé ihre Schwester lobend fragt, warum sie eigentlich immer die Zielgerichtetere war und ist. Solange hat selbst keine Idee und philosophiert darüber, dass sie nun mal das „Baby“ der Familie ist und durch ihre Mutter und Beyoncé gelernt hat, auf ihren Bauch zu hören. Es ist schön zu hören, dass im Hause Knowles auch die innere Stimme gefördert wird. Spätestens nach dem Interlude „Tina taught me“ (A Seat at the Table), wussten wir, dass Solanges Mutter ein großes Vorbild ist. Doch nun wissen wir auch warum. Tina Lawson hat ihre Töchter immer gelehrt, die Beherrschung über ihre Stimme, den Körper und ihre Arbeit zu haben – und vor allem stolz auf ihren Ursprung und die Black Culture zu sein. Letzteres ist dabei besonders wichtig. Deshalb kam auch Vater Knowles zur Sprache, der genau diesen Stolz auf die Herkunft verkörpert und lebt. Rapper Master P erinnert beide Schwestern an ihren Dad und stellt die starke Stimme in Solanges Album dar: „I wanted a voice throughout the record that represented empowerment. (…) someone invested in black people, invested in our community and our storytelling, in empowering his people.“ (Solange, Interview Magazine)

Das Interview zeigt viele Hintergründe aus der Kindheit der beiden Schwestern auf, zeigt, welche Werte ihre Familie vertritt und wie sie sich zurechtfinden. Auch wenn wir heute Menschen jeder Couleur als vollkommen normal empfinden, so war es doch damals in den USA ganz anders. Das Interview ist also auch eine Art kleines Biopic der Familie. Auf künstlerischer Ebene, spricht Solange über etwas, das bei vielen Artists oft in den Hintergrund rückt: Teamwork – „There’s no way to succeed without having a team“ (Solange). Egal, ob das ihre komplette Crew ist, oder ihre Schwester, die sie ermuntert, mit Ehemann und Produzent Alan Ferguson zusammen zu arbeiten, oder ihr Ehemann dann selbst, der mit ihr jede kreative Reise noch einmal antreten würde.  Auch all die Stimmen auf dem Album dienen als Kollektiv, das Solange den Rücken stärkt – privat und in ihrer Intention, ein Album zu erschaffen, das Wahrheiten und Geschichten erzählt.

Beyoncé ist trotzdem sehr beeindruckt davon, dass Solange so viel selbst in die Hand nimmt: „It’s something to be celebrated, for a young woman to be such a strong producer as well as singer-songwriter and artist.“ (Beyoncé) Als Vorbild dafür, mehr zu machen als „nur zu singen“, diente Solange Künstlerin Missy Elliot, die ihre Kreativität auch in die Produktion steckt. Das visuelle Storytelling ist Solange nämlich fast noch wichtiger als das gesungene Wort. Ihr Mann als Musikvideoproduzent sieht das ähnlich. In ihrer Ehe hatte Solange zuerst Angst, Privates und Berufliches zu vermischen und ihren Mann als Ruhepol zu verlieren: „I know that when I come home, I’m going to find peace with him.“ Beyoncé und Jay-Z haben aber vorgemacht, dass das sehr wohl gut funktionieren kann. Hier lernen wir bereits, wie wichtig es ist, dass sich die beiden unterscheiden. Weil sie sich nur so gegenseitig noch etwas beibringen können.

Neben vielen Inspirationsfragen, warum Solange Clips in den Haaren hat, aussehen wollte wie Mona Lisa und Kraniche ein Symbol für sie sind – fragt Beyoncé auch danach, was ihr im Weg dabei stand, eine starke Frau zu sein. Solange antwortet direkt, die Liste sei endlos. Und dass sie so stark mit sich selbst kämpfen musste, sich nicht arrogant zu fühlen, wenn sie anderen Leuten erzählte, sie habe jede Zeile ihres Albums selbst geschrieben. Eigentlich ist das etwas für das man gefeiert werden sollte. Doch Wörter wie „verbissen“ oder „überheblich“ hängen schnell in der Luft. Auch hier konnte die (erfahrene) Schwester wieder ein Vorbild sein und Solange ermutigen auf ihren Erfolg stolz zu sein. Es kristallisiert sich ganz klar raus, dass in Solange das ruhigere Herz schlägt, das sehr gefühlsbetont und durchdacht ist. Das mit Selbstzweifeln kämpft und das in ihrer Arbeit verarbeitet. Beyoncé ist zwar lebhafter, aber auch verschlossener – und nicht nur, weil sie in diesem Part die Fragen gestellt hat. Zum Ende hin gibt es noch eine Liebeserklärung von Solange an Queen Bey: „You did a kickass job. You were the most patient, loving, wonderful sister ever.“ Und diese antwortet trocken: „I was expecting something funny, but I’ll take it.“ 

Mehr über die Hintergründe zum Album, warum Solange Popmusik mit Tiefgründigkeit verbindet und was es mit „Cranes in the Sky“ auf sich hat, erfahrt ihr im ganzen Interview.

TEASER: via @saintheron

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