Modern Moms – Ein Text von Nike van Dinther

BLONDE hat sich drei der besten Blogs Deutschlands ausgesucht und deren Gründerinnen dazu aufgefordert, sich zum Thema #girlpower kreativ auszutoben! Nike von Thisisjanewayne.com erzählt vom „Modern Mom“ Struggle.

FOTO: christoph wherer

Nike van Dinther und Sarah Gottschalk sind Gründerinnen des Blogs thisisjanewayne.com. Das Power-Duo hat irgendwann die Ärmel hochgekrempelt, sich vom Standard-Job befreit und den Schritt gewagt, einen (sehr persönlichen) Fashion-Blog für Frauen zu gründen. Weg von Menswear, Streetwear und Sneakern: Die Girls haben eine zartrosa Plattform in die Welt gesetzt, die schnell in MSGM-Pumps die digitale Welt erobert hat. Jane Wayne berichtet über Fashion, Kunst, Musik, Träume, Kämpfe und den Alltag als Frau, die sich traut. Mit dem Launch von tinyjane.com kann man sich jetzt zusätzlich auf schönste Art und Weise mit dem Thema „Kinderkriegen und trotzdem instagrammen“ auseinandersetzen. Wie es den frisch gewordenen „modern Moms“ heutzutage wohl so geht?

Hier die Antwort von Nike:
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„Ich bin nicht mehr ich selbst, ich bin jetzt Mutter. Man könnte auch sagen: Mein Leben ist vorbei. An mutigen Freitagen stelle ich mir einen rein – mit antialkoholischem Sekt von Rossmann, den platzieren sie dort praktischerweise direkt neben den Windeln. in meinem Kopf stapeln sich Scheißehaufen und deren Varietäten. Fester Stuhl: glückliche Kinder. Weicher Stuhl: Problem. Eltern reden ja über nichts anderes, während sie keinen Sex mehr haben.

Man darf gern glauben, was die anderen sagen, die Hobby-Apokalyptiker von nebenan, die in Klischees ersaufen, während sie Ratschläge speien. „Schlaf auf jeden Fall vor!“ führt meine persönliche Bullshit-Bingo-Hitliste an, die von jedem werdenden Elternteil im besten Fall schon mit dem ersten Ultraschallbild angelegt sein sollte. Es wird ab jetzt nie wieder besser werden, nur belehrender, das ist die schlechte Nachricht. Fortan gilt es also, beide Ohren fest zuzuklappen, damit das verbale Wettrüsten aufgescheuchter Helikopter-Erziehender erst gar nicht ins eigene Hirn gelangt. Muss es auch gar nicht. Alles, was der moderne Mensch für das Aufziehen einer glücklichen Brut benötigt, ist eine mit Liebe und Nerven aus Stahl angereicherte Portion Bauchgefühl. Das ist keine neue, aber eine gute Nachricht, eine, die hinter sämtliche Löffel gehämmert gehört. Denn wenn ich noch ein einziges Mal danach gefragt werde, wie es meinem Sohn eigentlich ergangen sei, nachdem ich schon mit drei Monaten abgestillt hatte, bewerbe ich mich für Mars One. Adios Amigos, macht euren Erhobenen- Zeigefinger-Scheiß gefälligst ohne mich und vor allem mein Kind, das furchtbar gern glutengetränkte Süßspeisen vertilgt.

Ich behaupte nicht, dass es einfach ist, Mamadada zu sein, aber es ist einfach zusammenzuhalten. Immer mehr Mütter und auch Väter tun das. Solche, die unterschiedlicherer Meinung nicht sein könnten, aber um die Kostbarkeit ebendieser Entscheidungsfreiheit wissen. Weil kein Kind ist wie das andere und auch kein Leben dem nächsten gleicht. Meines zum Beispiel steht häufig kopf. Heute Nachmittag erst. Die Deadline für diesen Text hing mir im Nacken und auch ein bisschen zum Halse heraus, nachdem mein einjähriges Apple-Produkt über Nacht Selbstmord begangen hatte. Wie ein trauriger Tropf saß ich vor einem leeren Blatt Papier, keine Zeile kam zustande, als sich ein mit Glupschaugen verzierter Duplo-Stein in meinen linken Fuß und ein strenger Geruch aus der Windel meines bereits aus der Kita zurückgekehrten Kindes in meine Nase bohrte. Es gibt solche Lkw-auf-dem-Kopf-Tage wirklich zur Genüge, bloß redet man in der Welt der aalglatten sozialen Medien viel zu selten über selbige. Was uns fehlt, ist Mut, Mut zum Scheitern und zum Unperfekten. Weniger Fassade, mehr ehrliche Momente, das wär doch mal was. Jedenfalls kam mir die Überforderung irgendwann als Stress-Schnodder heruntergetropft, woraufhin ich mein Kind und mich selbst in unseren überdimensionierten Trennungs-Ego-Jeep schmiss, um kurz darauf den mit Frischluft geschwängerten Kreuzberg und seine 300 Treppenstufen samt Kinderwagen unter dem Arm zu besteigen. Oben angelangt habe ich die Dunkelheit angeschrien, den Springbrunnen mit Brain Puke aufgedreht und einfach mal sprudeln lassen, während sich der Winterregen auf mein Gesicht ergoss und mein Sohn vergnügt und in den Ausblick versunken an einer Salzstange nagte. Befreiend war das und schön.

So wie eigentlich alles, was dem Herzen entspringt. Seit ich beispielsweise eingesehen habe, dass ich allem Anschein nach eine waschechte Mode-Bloggerin bin, scheue ich mich endlich nicht mehr davor, voller Inbrunst zweiseitige Erlebnisberichte über das Tragen eines rosafarbenen Patchwork-Mantel-Monstrums aus Kunsthaar zu verfassen. Es kommt bloß wie so oft auf die richtige Balance an. So sehr mir die Flatter im Angesicht schönster Zwirne geht, so laut kann ich schimpfen, wenn jemand so etwas Essenzielles wie den Feminismus diffamiert. Ein bunter, zuweilen schwer definierbarer Hund wie dieser hat es natürlich ,nicht leicht; ich verstehe das, vor allem weil interpretative Blätter wie die „Emma“ noch immer mit unhaltbaren Thesen nerven.

Dennoch bedarf es manchmal nur einer einfachen Frage: In was für einer Welt willst du leben? Ich schlage vor: in einer, die Frauen, Männer und alles Wunderbare dazwischen als gleichberechtigte „Menschen“ betrachtet, die nicht mehr in Babyblau und Babyrosa unterscheidet,  die uns selbst bestimmen lässt, ob wir Mutter, Hausfrau, Boss, all das oder nichts von alledem sein wollen. Für Männer gilt übrigens das Gleiche. In einer Welt ohne Alltagssexismus, Rollenklischees und Gender Pay Gaps. Es geht hier nicht um „Pimmel gegen Busen“, um behaarte Beine, erfundene Luxusprobleme oder die Abschaffung von Sex, sondern um den Glauben an die gesellschaftliche, politische und ökonomische Gleichheit der Geschlechter. Es geht um uns.

Wenn all jene, die im Zuge der vierten Lena-Dunham-Feminismus-Welle „Feminist is not a dirty word“-Patches auf Jacken bügeln und Instagram mit #TrustTheGirls Hashtags fluten, ab sofort auch in der realen Welt auf Support statt Hate setzen, macht es in meiner 15 Zentimeter tiefer gelegten Mutterbrust bald ganz laut bumbum. Man könnte auch sagen: Das Leben hat gerade erst angefangen, lasst uns verdammt noch mal das Beste draus machen, ihr heißen Feger aller Farben und Formen!“

Die Blogger-Koop mit Mayra und Michal von evewithoutadam.com & Marlen Stahlhut von paperboats.me findet ihr in der Blonde Print-Ausgabe 01/16.

Web: thisisjanewayne.com
Facebook: thisisjanewayne

Instagram: @thisisjanewayne

 

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