Lebensweisheiten von Iris Apfel!

Iris Apfel lebt in New York, hat das Weiße Haus nicht nur einmal mit ihrem guten Geschmack eingerichtet und immer einen lockeren Spruch auf den grellen Lippen. Mit ihren 93 Jahren hat sie schon so manche Dekade aufgemischt und sich nie verbiegen lassen – wie unser Interview mit Iris Apfel gezeigt hat.

Jetzt kommt die Stil-Ikone auf die Leinwand: „Iris“ ist eine Dokumentation über die Grande Dame der extrovertierten Mode. Wir haben die liebenswerte Brillenträgerin Iris Apfel bei der 080 Barcelona Fashion Week zum Interview getroffen, um ihr ein in Lebensweisheit getränktes Mode Mantra zu entlocken. Iris Antwort: „Woher soll ich das alles wissen? Ich habe keine Kristallkugel!“ 

Ein paar Ratschläge hat sie aber doch:

Sei neugierig.
Den meisten jungen Leuten fehlt heute leider die Neugierde. Ihr seid viel zu sehr damit beschäftigt, ständig irgendwelche Knöpfe zu drücken. Ohne eure Maschinen seid ihr völlig aufgeschmissen. Mich hat neulich jemand gefragt, wieso ich so viele Telefonnummern auswendig kenne. Ich habe gesagt: weil ich keinen Computer habe. Alle sind auf diese Geräte angewiesen. Wenn ich nach Informationen frage, heißt es immer, einen Moment bitte und, klick, hier ist die Antwort. In dieser Abhängigkeit haben die meisten Leute ihre Vorstellungskraft verloren. Die Kreativität bleibt auf der Strecke. Es wird nichts innovatives mehr erschaffen, stattdessen reiten alle nur immer wieder auf alten Kamellen herum. Es gab Zeiten, da hat man ein Kleid gesehen und konnte es direkt einem bestimmten Designer zuordnen. Modeschöpfer sollten einfach das entwerfen, was sie fühlen und nicht nur irgendwelchen Trends folgen. Dadurch entsteht eine viel größere Individualität. Das ist zumindest mein Eindruck. Ich sitze in keiner Jury, aber ich mache mir so meine Gedanken.

Wer wirklich kreativ ist, braucht alle diese digitalen Einflüsse gar nicht. Die Straße kann da schon Inspiration genug sein. Ich halte es zum Beispiel nicht für besonders kreativ, einen Stoff oder ein Kleid an einem Computer zu entwerfen. Das kann kein handgefertigtes Kleidungsstück ersetzen. Jungen Leuten fehlt oft ein Bezugssystem. Und wenn ihr euch dann anguckt, wie Kleidung heutzutage hergestellt wird, dann ist das schockierend. Vor nur dreißig Jahren war die Textilproduktion noch eine komplett andere Welt. Niemand will mehr mit seinen eigenen Händen arbeiten. Das ist traurig, weil es eigentlich so eine wundervolle Sache ist. Ich weiß ja nicht, wie ihr das seht, aber wenn man mich fragt, sollte man diesen Missstand wieder beheben, bevor alles völlig den Bach herunter geht. 

Folge keinen Trends.
Jede Dekade hat ihre Vorzüge und ihre Schattenseiten und bringt eben so ambivalente Mode hervor. Ich denke, es kommt immer darauf an, die Trends herauszufiltern, die gut für dich sind, und die schnell wieder zu vergessen, die es eben nicht sind. Ich meine, da gab es früher zum Beispiel total übertriebene Styles mit Schultern bis sonst wo, die ziemlich albern aussahen. Die Herausforderung ist es dann, so etwas gemäßigt zu kombinieren.

Ich denke, Mode spiegelt immer die soziale, die ökonomische und die politische Situation einer Dekade wider. Mode ist die Reflektion unserer Lebensweise. Anziehen ist schließlich etwas, das wir jeden Tag tun. Ich denke, dass Leute in der Zukunft auch etwas darüber erzählen können, wer wir waren in Hinblick darauf, wie wir uns jetzt kleiden. Mode ist schließlich auch immer sehr statusorientiert. In New York kannst du anhand der Mode auf den Zip Code der Leute schließen. Downtown ziehen sie sich auf eine bestimmte Art an, es ist fast schon eine Uniform, und Park Avenue Ladys kleiden sich wieder ganz anders. Leute mögen es einfach, sich einem Stamm zuzuordnen. Sie fühlen sich sicher und gut, wenn sie nicht herausstechen.

Aber dann gibt es eben auch die Leute, die nicht aussehen wollen wie alle anderen. Ich für meinen Teil finde es furchtbar wie alle anderen auszusehen. Das ist eine Frage der Persönlichkeit. Wer gerne „one of the mob“ ist, und dann auffallen oder ungewöhnlich aussehen soll, fühlt sich unwohl. Und egal, wie toll dein Look dann ist, wenn du dich nicht wohl fühlst, sieht es nicht gut aus. Dann ist es besser, glücklich zu sein, als gut angezogen. Ich denke aber trotzdem, alle sollten sich ein wenig Mühe geben, angenehm auszusehen, damit andere Leute beim Betrachten noch lächeln können. Es ist ok, sich leger zu kleiden und Shorts zu tragen, aber manche Leute auf der Straße sehen heutzutage aus wie Monster. Ernsthaft, es gibt keinen Grund, in kleinen knappen Shorts herumzulaufen, wenn man hässliche Beine hat. Du bist es den Leuten um dich herum schuldig, ein angenehmes Erscheinungsbild abzugeben. Du musst nicht auf der Straße in deinen Flipflops herumlatschen als wenn du auf dem Weg zur nächsten Dusche bist. Das ist nicht leger, das ist lotterig. Und eine ältere Frau sollte auch nicht versuchen wie ein Teenager auszusehen. Das ist lächerlich.

Ich mag ohnehin keine Trends. Trends sind mir zu kommerziell. Deswegen sehen Leute bescheuert aus: Weil sie den Trends folgen. Ein Trend kann dir super stehen während ich darin aussehe wie ein Idiot. Heute habe ich diese tolle Jacke hier von Custo Barcelona ergattert und finde diesen Print wunderbar. Er passt zu meinem eklektischen Stil. Dir würde sie aber vielleicht gar nicht stehen. Ich denke jede Person hat eine Besonderheit, die gut mit bestimmten Brands oder bestimmter Mode funktioniert.

Finde deinen eigenen Style.
Style kann man niemandem beibringen. Style kommt in deiner DNA. Du musst daran arbeiten. Das kannst du nicht, solange du nicht weißt, wer du bist. Und das kannst du auch nicht wissen, ohne daran zu arbeiten. Die Leute wollen heutzutage immer alles sofort. Aber das geht nicht. Selbst wenn du einfach kopierst, was ich bin, dann ist es kein Style mehr. Es muss von dir selber kommen. Manche Leute sind Minimalisten, andere sind Maximalisten. Manche sehen am besten aus, wenn sie sich schick anziehen, andere in Sportsachen. Du musst herausfinden wer du bist und womit du dich wohl fühlst. Style ist für mich hauptsächlich eine Frage der Einstellung. Attitude, attitude, attitude! Das hat auch nichts damit zu tun, wie viel Geld du hast, oder wie schön deine Sachen sind. Wobei das natürlich hilft. Aber Style kommt von innen heraus. Und wenn du keinen hast, dann kannst du die tollsten Klamotten anziehen, aber es wird nicht funktionieren.

FOTO: Marlen Stahlhuth

Tags from the story
,
Written By
Mehr von Turid Reinicke

Let Me Love You: Warum Millennials & die Gen Z nicht beziehungsunfähig sind

Wir sind beziehungsunfähig, sagen sie. Unsere Libido ist ein verkrüppeltes Opfer der...
Read More

2 Comments

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.