„Darf ich dich mal etwas fragen?“, fragt mich jemand. „Klar,“ sage ich und bekomme eine ernste Frage mit ernster Miene: „Was sind eigentlich deine Hobbies?“ Oh. Darüber habe ich seit Freundschaftsbuchzeiten nicht mehr nachgedacht. Ich fühle mich ertappt. In dieser Frage schwingt ein Vorwurf mit, von dem ich nicht weiß, wer ihn mir gerade macht. Mein Gegenüber oder ich selbst?
„Und Surfen zählt nicht,“ folgt der zweite Kinnhaken prompt. „Das kannst du nämlich nicht immer machen“. Ich überlege. Herrje, was ist denn überhaupt ein „Hobby“? Etwas, das man gerne tut, scheint nicht zu reichen. Wie wäre es, mit etwas, das man oft tut, denke ich und nenne den Namen meiner Stammkneipe. Der wird mit einem Naserümpfen quittiert. Scheint auch kein Hobby zu sein. Man erwartet etwas Adäquates. Ein gutes Hobby, nicht irgendeins. Ich überlege weiter. Ist Fotografieren schon ein Hobby, wenn man es mit seinem Smartphone macht, oder erst wenn eine Kamera im Spiel ist? Und wie sieht es aus mit der Begeisterung für fragwürdige TV-Formate wie „Bauer sucht Frau“? Laster oder Hobby? Und Kochen? Hobby oder Notwendigkeit?
Ich krame weiter in meinen Freizeitaktivitäten. „Siedler von Catan“ spielen, Bücher lesen, Eis essen, in der Badewanne liegen, netflix binge-watching … Ich finde, ich habe ganz schön viele zu bieten. Dafür, dass ich eigentlich kaum Zeit habe, wenn ich meine Arbeitsstunden und die hingerotzte Haushaltsführung abziehe … Und was ist eigentlich mit den ganzen Dingen, die man sich ständig vornimmt, die aber an der Umsetzung, spätestens an der Regelmäßigkeit scheitern? Angeln, Yoga, Ölgemälde malen … Bin ich dabei. Bald. Ich runzle die Stirn. Wer sagt eigentlich, dass ich Hobbies brauche? Ist das nicht ohnehin etwas, über das man in seiner Jugend verfügt, um dann im Rentenalter festzustellen, dass man sich schleunigst ein neues suchen muss? Außerdem: Ich habe einen kreativen Job, ein Projekt, das mich erfüllt, beschäftigt und in Schach hält. Und das nicht nur 9-6. Ich habe de facto gar keine Zeit für ausschweifende Hobbies. „Siehst du, bei dir dreht sich immer nur alles um deine Arbeit“, greift die Fragensäge wieder an. Es klingt nicht, als sei das etwas Gutes. Ich fasse zusammen: Wer sein Hobby zum Beruf macht, hat es geschafft. Wer seinen Beruf zum Hobby macht, anscheinend nicht.
Dabei dient ein Hobby laut Definition nicht nur dem Vergnügen oder der Entspannung, sondern trägt zum eigenen Selbstbild bei und stellt einen Teil der Identität das Hobbyisten dar. Ich streiche umgehend meinen Hang zum Trash TV von der Liste und versehe auch den Tresensport mit Klammern. Es geht hier ganz klar um Prestige. Ein Hobby hat man nicht, ein Hobby wählt man. Es ist einer der tragenden Pfeiler der selbst konstruierten Außenwirkung auf andere. Das macht die Angelegenheit noch viel kniffliger. Während man früher mit „Reiten, Lesen, Freunde“ eigentlich immer ganz gut davon kam, muss man sich in der Blüte seines Lebens etwas Imposanteres überlegen. Ich denke jetzt darüber nach, mich in Zukunft so ganz „hobbymäßig“ mit Quantenphysik zu beschäftigen. Das würde mir noch mal eine ganz neue, unerwartete Nuance verleihen. Vielleicht würde es auch reichen, ein aufgeschlagenes Buch zum Thema auf dem Bauch liegen zu haben, während Inka Bauses Landwirte flimmern? Hm …
Das Wasser der Elbe klatscht ungeduldig gegen den Beton. Es steht noch immer eine Antwort aus. Meine Erkenntnis: „Ich habe kein Hobby. Ich habe nur Ideen. Manche sind gut, manche nicht. Und eine führt meist zur nächsten. Einige sind nicht ernst gemeint, machen aber Spaß. Andere lassen aus Ernst Spaß werden. Manche sind ausbaufähig, manche morgen wieder vergessen. Sie bereiten mir in der Regel Vergnügen. Solange sie das tun, dürfen sie Teil meiner Identität sein. Manchmal mit Außenwirkung, manchmal im Geheimen. Die Frage nach meinem Hobby würde die vorgesehenen Zeilen in deinem Freundschaftsbuch sprengen, oder sie mit trostloser Leere strafen. Vielleicht macht mich das zu einer zweifelhaften Partie. Aber darf ich dich mal was fragen? Was sind eigentlich deine Hobbies?“ ➩ __________________________