Die französische Journalistin mit dem deutschen Namen, Alice Pfeiffer, setzt sich für Gleichberechtigung ein, indem sie mit Mode Brücken baut.
Alice Pfeiffer wirkt auf dem ersten Blick so als wäre sie aus einem 90’s Rap-Video entsprungen. Die Französin spricht fließend Französisch, English und „ein bisschön Deutscheu“, weil ihr Vater aus Österreich stammt. Ihr Fashion-Markenzeichen? Das „Survêt“ aka Track Suit aka ein sportlicher und gemütlicher Hosenanzug von Adidas, Fila oder Sergio Tacchini. Alice hat sich in den letzten zehn Jahren als Modejournalistin etabliert und für die Fashion-Kategorie des französischen Medienriesen Le Monde, sowie für große Namen wie ELLE, The Guardian und Dazed geschrieben.
Letztes Jahr kündigte sie uns aufgeregt an, dass sie zum Underdog-Magazin ANTIDOTE wechselt und dort die Chefredaktion übernimmt. Statt über Fashion Shows zu berichten, schreibt Alice jetzt Online-Beiträge mit Titeln, die zum Nachdenken anregen: „Wie Feminismus zum Marketing-Tool geworden ist“, „Warum tragen Rapper Kleider?“, „Wird man verrückt, wenn man in der Modebranche arbeitet?“, „Warum wird Bisexualität verpönt?“ oder „Ist Afrika die Zukunft der Mode?“– Alice ist nicht nur das Sprachrohr der Pariser Modeelite, sondern auch das der queeren Modeindividualisten, die in keine Schublade reinpassen. Und ihr Mittel ist Mode.
Wir haben Alice bei der Paris Fashion Week getroffen und ihr unsere #girlsforblonde Fragen gestellt.
Was machst du?
Ich bin die Chefredakteurin des Fashion Magazins ANTIDOTE. Ich habe einen Master in Gender Studies und habe in den letzen zehn Jahren als Modejournalistin gearbeitet. Ich schreibe gerne über Mode, aber immer mit dem anthropologischen Blick auf Trends und wie sie die Fashion Welt verändern.
Hobby oder Welt erobern?
Mein Ziel ist es Brücken zu bauen. Ich versuche mit Themen, die als trashig oder oberflächig gelten, auch Akademiker zu erreichen. Genauso versuche ich schwere, soziokulturelle Themen, die meistens nur für eine bestimmte Elite gedacht sind, für alle zugänglich zu machen. Ich persönlich finde Rob Kardashian genauso faszinierend, wie Susan Sontag und interessiere mich sowohl für Trash-TV als auch für Soziologie.
Mein Ziel ist es, die Relevanz von Themen hervorzuheben, die als „dumm“ gelten. Ich weiß nicht, ob ich die ganze Welt damit verändern kann, aber zumindest die Medienwelt. 😉
Wie würdest Du deinen Stil beschreiben?
Ich trage momentan viele 90er Pieces: Tracksuits und weiße Sneaker. Ich achte sehr darauf, wie ich Mode konsumiere. Man trägt schon eine Verantwortung, indem man sich bewusst für oder gegen ein bestimmtes Kleidungsstück oder eine Marke entscheidet. Ich trage viele Vintage- und Second Hand-Teile, versuche großen Marken aus dem Weg zu gehen und supporte junge Designer und Indie-Labels wie AVOC, NattoFranco oder Andrea Crews.
Was ist Mode für dich?
Man sagt „Kleider machen Leute.“ Aber wenn du Kleidung trägst, dann machst du die Mode.
Mode ist mehr als Luxus. Es ist ein Mainstream-Phänomen – Menschen auf der ganzen Welt haben einen persönlichen Bezug zu ihrer Kleidung.
Deswegen kann man vieles anhand von Mode analysieren und erklären. Mein Beruf als Modejournalistin erlaubt mir, nicht nur über die Fashion-Industrie zu schreiben, sondern auch soziokulturelle Trends zu verstehen, zu entziffern und meinen Leser mitzugeben. Ich bin froh, dass ich damit eine größere Zielgruppe erreiche als die Fashion-Elite und Akademiker.
Definiere „Frau sein“.
Ich hatte schon im Alter von 13 Körbchengröße-D, was dazu führte, dass ich schon damals als Frau wahrgenommen wurde und sexualisiert wurde. Meiner Meinung nach hat die Definition von Weiblichkeit wenig mit dem Aussehen oder mit dem Gender zu tun. „Frau sein“ ist ein Gefühl. Ein unsichtbares Gefühl, womit ich viel zu kämpfen hatte. Wenn mich jemand jetzt fragen würde: „Was macht dich zu einer Frau, abgesehen von deinen biologischen Merkmalen?“, dann wüsste ich ehrlich gesagt nicht, was ich antworten soll.
Welche sind deine persönlichen Dämonen?
Ich supporte sowohl feministische als auch queere Ideologien, gleichzeitig liebe ich trashige und kapitalistische Trends und Phänomene. Als Kind habe ich pinke Kleider und Make-Up geliebt, aber ich hatte immer das Gefühl, ein Spiel zu spielen, dessen Ziel es war, sich als Mädchen zu verkleiden. Und ich war echt gut darin. Manchmal wünsche ich, dass ich stark genug wäre auf Produkte zu scheißen, die eins und alleine dafür designed wurden, mich und andere Frauen anzusprechen. Ich wünschte ich hätte die Stärke, diesem kapitalistischem System den Rücken zuzudrehen. Stattdessen treibe ich von einem Ufer zum anderen und schwanke zwischen dem, was ich will und dem, was ich zu denke zu wollen.
Welche Projekte stehen für 2017 an?
Ich habe gerade meine erste Ausgabe für das ANTIDOTE Magazin produziert, die nächste Woche erscheint. Das Thema heißt „BORDERS – some growing, some blurring“ (GRENZEN – manche wachsen, andere schwinden). Der Inhalt ist eine Mischung aus geopolitischem und Fashion Content, was mich ein wenig stolz macht. Ein anderes Ziel für dieses Jahr ist es zu promovieren!
Was ist deine Botschaft an die Frauen da draußen?
Girl Power bedeutet mehr als die eigene Freundin zu unterstützen. Feministische Mode sollte mehr sein als ein Mittel, um westliche Frauen positiv darzustellen (sie sind nur potenzielle Kunden). Feminismus bedeutet für mich, Rücksicht auf andere zu nehmen. Auch auf Menschen, die nicht an unserem privilegiertem Leben teilnehmen. Denk an die Menschen, die deine Kleidung machen, oder an die, die die Straße putzen – die wirst du nicht auf einem Werbeplakat sehen. Feminismus sollte Menschen zusammenbringen, statt sie auszuschließen.
Alice auf Instagram // Web
FOTOS: Enno Knuth