„Lust for Life“ heißt das neue Album, das für die Sängerin eine innerliche Kehrtwende ist. Im Interview spricht sie von Fans, die bei ihr eingebrochen sind, aggressiven Liebhabern und warum jetzt alles anders ist.
Für morgen ist das neue Album von Lana del Rey angekündigt, das bereits über vier Single-Auskopplungen einen Vorgeschmack auf das was kommt zuließ. Zum ersten Mal hat sich die junge Amerikanerin musikalische Unterstützung dazu geholt und präsentiert mit ihrem neuen Album verschiedene Collabs. So zum Beispiel die gleichnamige Single „Lust for Life“ mit The Weeknd, die im Radio bereits so oft hoch und runter gespielt wurde, dass es nach Non-Sense klingt – obwohl hinter diesem Titel mehr steckt als nur seichte Melodien und zarte Beats. Weitere Künstler auf ihrem Album sind Rapper A$AP Rocky, mit dem Lana die Titel „Groupie Love“ und „Summer Bummer“ produziert hat. Aber auch der Sohn von Beatles-Mitglied John Lennon und Yoko Ono, Sean Ono Lennon ist zu hören in „Tomorrow Never Come„. Im Interview mit „Pitchfork“ erzählt Lana, dass Yoko ihr über einen FaceTime Call erzählt hat, es sei das Schönste dass Sean je aufgenommen hätte. Klingt nach Potenzial.
Der Sound des neuen vierten Albums klingt vertraut. Eine leicht verrauchte, melancholische Stimme, die ihre Zeilen ins Mikro haucht. Doch etwas ist anders – und das nicht nur durch die neuen Features. 2012 hatte Lana del Rey mit „Born to Die“ ihr großes Debüt in der Musikwelt. Es ist nicht leicht sie dem typischen Pop-Genre zuzuordnen, da ihre Texte alles andere als fröhliche Anekdoten sind. Sie singt von giftigen Romanzen, Gewalt, Drogen, dem eigenen Versagen und dem Tod. Im Interview erzählt sie, dass es besonders schwer war einen Producer zu finden, der ihr künstlerische Freiheiten lässt und dem auch bewusst ist, dass ihr Ziel nicht zwingend ist im Radio gespielt zu werden.
“Everyone is so obsessed with saying ‘no’—they break you down to build you up.”
(Interview Pitchfork)
Mittlerweile hat Lana del Rey einen Vertrag, der ihr erlaubt das zu tun, was sie liebt: Zeilen zu schreiben, die polarisieren und diese einzusingen, selbst wenn alle ihr prophezeien, dass ihr Song nicht auf Zuspruch treffen wird. Sie ist ein Arbeitstier, dass in fünf Jahren vier Alben produziert hat und selbst sagt, dass jeder Tag, an dem sie nichts tut, kein guter Tag ist. Sie experimentiert mit dem Mix aus Pop und Rap bis Rock bis Jazz. Für „Lust for Life“ mischen sich Folk und Hip Hop, zwei Genre die für Lana „real storytelling“ sind. Statt Empowerment, setzte die Musik auf Nihilismus – was sich nun ändert.
Feminismus ist ein Schlagwort, mit dem Lana im Interview konfrontiert wird. In der Vergangenheit betonte sie oft, dass ihr dieses Thema egal sei, da sie selbst als Frau keine Geschichte der Diskriminierung erzählen könnte. Doch seit Trump an der Spitze des Landes sitzt, fühlt sie sich selbst ebenfalls unsicher und hat begriffen dass es Millionen Frauen ebenso geht. Im Interview zweifelt sie an: Was ist wenn Planned Parenthood sich nicht halten kann, was ist wenn Frauen weniger Selbstbestimmungsrechte haben? Für ihre musikalische Antwort hat sie sich die feministische Rock Queen Stevie Nicks dazu geholt, die als Vorbild für viele Frauen gilt. Stevie kam direkt nach ihrer 60-Städte-Tour zu Lana ins Studio und schaffte es, selbst so eine starke Stimme wie Lana musikalisch in den Schatten zu stellen. „I was kinda embarrassed. I was like, ‚I sound so little compared to you.‘ And she was like, ‚That’s good, you’re my little echo.‚“, erzählt Lana. Doch die Botschaft ihres neuen Songs soll zum ersten Mal auch auf Empowerment setzen:
„‚God Bless America – And All the Beautiful Women in It‘ is a little shoutout to the women and anyone else who doesn’t always feel safe walking down the street late at night.“
Die neuen Umstände in Amerika haben Lana dazu gebracht, politisches Bewusstsein zu entwickeln. Auf ihrer Tour hat sie ihre Visuals geändert und zeigt nicht mehr die amerikanische Flagge im Hintergrund wenn sie Songs wie „Born to Die“ performt. Doch auch in Lanas Innerem hat sich einiges geändert. Zeilen wie „I have nothing much to live for“ haben sie geprägt und sie war lange nicht mit sich im Reinen. Im Interview erzählt sie, dass es viele Menschen in ihrem Leben gab, die sie selbst zu einer schlechten Person gemacht haben – von Drogenmissbrauch bis zu übermäßigem Alkoholkonsum. Mit diesen Leuten hat sie nun gebrochen und ist sich sicher, dass es Menschen gibt, die keine Chance verdient haben: „Sometimes you just have to step away without saying anything.“
Aber auch der Fame hat sie beeinflusst. Sie erzählt von Geschichten, wie Leute ihre Autos gestohlen haben, in ihr Haus eingebrochen sind weil sie mit ihr reden wollten oder dort waren, wenn sie nicht dort war. Der öffentliche Druck wurde so groß, dass Lana überall nur noch durch die Hintertür reinkam und niemandem erzählte, dass sie kommt. Sie konnte es nicht mehr ertragen zu wissen dass sie DIE eine Person im Raum ist, die jeder beobachtet. „Fame can be isolating“ – denn der Erfolg allein garantiert kein gutes Sozialleben. Sie wurde sehr misstrauisch Fans und der Presse gegenüber, auch weil nach einer anstrengenden Tour ihre erschöpfte Äußerung „Ich glaube ich möchte sterben“ als Headline aufgebauscht wurde. Und auch in der Liebe sah es nicht gut aus:
„Having someone be aggressive in a relationship was the only relationship I knew.“
Doch durch ihre musikalische Verarbeitung und dem Bewusstsein, dass sie sich von Menschen lösen muss, sagt sie nun, dass sie sich verändert hat. Sie kommentiert zwar nicht ob sie noch Alkohol trinkt aber sagt, dass Drogen nicht mehr ihr Leben dominieren. Sie setzt auf Empowerment, auf musikalische Unterstützung und schafft somit den Twist aus nihilistischer Melancholie hin zu einem Album, dass dich über das Leben nachdenken lässt.
Das ganze Interview „Life, Liberty and the Pursuit of Happiness“ gibt es bei Pitchfork online.
Photo Credits: Neil Krug