Label to watch: Beth Ditto

Beth Ditto, die Lead-Sängerin der Band Gossip, ist wieder da. Dieses Mal nicht mit gewaltiger Stimme, sondern mit einer farbenfrohen Plus-Size Kollektion. Wir sprachen mit der inspirierenden Amerikanerin über ihre Punk-Vergangenheit, wie man Hater ignoriert und den Film „Pretty in Pink“.

FOTO: @kiraaurelie

Ihr Tag ist heute mal wieder mit tausenden Terminen vollgepackt. Im Halbstundentakt geben sich Journalistinnen und Bloggerinnen die Klinke zu Beth Dittos Suite im Berliner Soho House in die Hand. Auf dem Weg hinein bewaffnet mit Fragenkatalog und Aufnahmegerät, auf dem Weg nach draußen bewaffnet mit einem breiten Grinsen und gestärktem Ich. Denn Beth Dittos positive Einstellung zu sich und dem Leben ist ansteckend.

Die 1,50-Meter große Ikone in Sachen Selbstwertgefühl begrüßt uns überschwänglich in einem Outfit aus der von ihr designten neuen Modekollektion, die sie heute der deutschen Presse präsentiert. In Shirt und Leggings mit buntem Print und barfuß macht sie es sich auf einem der Sofas gemütlich und bittet ihr um sie herumwuselndes Team um ein paar Minuten Ruhe. Beth Ditto ist 35, ihre Chart-Spitzenzeiten mit Songs wie „Standing in the Way of Control“ liegen ganze zehn Jahre zurück. Beth war mit ihren Nacktcovers für LOVE und NME Vorreiterin einer Body-Postitivity-Bewegung, die damals – Pre-Instagram und Hashtags – noch keine breitere Öffentlichkeit erreichte. Nun hat sie also eine Kollektion mit ihrem Namen und für ihre Kleidergröße entworfen, die von gemütlichen Shirts, Leggings und Overalls bis zu Abendkleidern und Jeansjacken reicht.

Für deine Kollektion hast du unter anderem bizzare Abschlussball-Kleider gekauft, um daraus Neues zu kreieren, das erinnert mich direkt an den Kultfilm „Pretty in Pink“ …
Der Film hat mir sehr viel bedeutet. Meine Schwester und ich haben immer VHS-Kassetten geguckt, weil wir kein Kabel-TV hatten. Also haben wir uns die Kassetten immer und immer wieder angesehen. Eine davon war „Pretty in Pink“. Ich habe meinen leiblichen Vater nur einmal getroffen, aber in meinen Erinnerungen sieht er genauso aus wie der Vater in diesem Film. [lacht]

Unterscheidest du zwischen Bühnenoutfits und Alltagskleidern? Und spiegelt sich das in deiner Kollektion wider? Sind die Teile eher bequem oder verrückt?
Ich liebe Leggings. Und ich hasse Jeans. Meine Ma hat sich in Jeans immer sehr wohl gefühlt und hat nie Kleider getragen. Ich habe mich immer gefragt: „Wow, wie macht sie das?“ Und auf der Bühne ziehe ich mich eigentlich überhaupt nicht so verrückt an. Alles was ich trage, ist sehr elastisch. Keine High Heels, keine Reißverschlüsse. [lacht] Einige Künstler wechseln ihre Outfits während des Konzerts und das hört sich in der Theorie auch einfach an … Aber in Wirklichkeit ist es nur stressig, schweißtreibend und einfach zu viel.

Gab es viele Überraschungen, positiver oder negativer Art, während der Entwicklung der Kollektion?
Wenn du bei Null anfängst und etwas zum ersten Mal machst, bist du permanent überrascht. Sogar jetzt, wenn ich sehe wie die Leute meine Kollektion tragen, denke ich: „Oh, Ich wünschte ich hätte das Teil anders gemacht.“ Aber wahrscheinlich wird das immer so sein. Ich mochte es, dass die Plus-Size Blogger heute kamen, um die Kollektion anzuprobieren. Es ist toll zu sehen, wie die Kollektion an ihnen aussieht. Es gibt einem eine neue Sichtweise.

Als das Gaultier-Collab-Shirt als Auftakt deiner Linie herauskam, haben einige Leute kritisiert, dass das Shirt weit ist, aber den Aufdruck einer schmalen Silhouette darauf zu sehen ist. Außerdem haben einige Leute die neue Forever21 Plus-Size Kampagne kritisiert, weil nicht jeder Body-Type präsentiert wurde. Wird man es jemals allen recht machen können?
Du kannst nicht jeden zufrieden stellen. Du kannst und wirst es den Leuten nie recht machen! Wenn du einigermaßen selbstbewusst bist, kannst du versuchen die beste Version von dir selbst zu sein. Aber je härter du es versuchst, desto mehr Leute werden scheußlich zu dir sein. Die „Fetten“-Szene ist sehr politisiert und dort hat sich das Bewusstsein darüber entwickelt , dass die „ideale Frau“ nicht existiert. Wir sind alle sehr sensibel. Uns wird jeden Tag so viel über unsere Körper erzählt und wir lesen zu viel Müll. Das Shirt war einfach cool, warum kann es nicht einfach cool sein? Es wurde außerdem von einer fetten Person gemacht. Ist es nicht genug, dass ich auf zwei Magazintiteln nackt zu sehen war? Die Leute verhalten sicher immer noch so als ob da eine geheime Skinny-Girl-Message dahinter stecken würde. Was du lernst, ist, dass du nicht alle glücklich machen kannst. Und was ich noch gelernt habe, ist, dass ich nicht den gleichen Geschmack wie andere dicke Frauen habe, weil ich aus der Punk-Szene komme.

Wie gehst du mit Hatern um? Hast du eine Strategie entwickelt?
Einfach keine Presse lesen. Auch wenn sie gut ist!

Ist das überhaupt möglich?
Ja klar! Was die Leute über dich denken, ist nicht dein Business. Wenn sie nicht mit dir befreundet sind, kennen sie dich nicht, also solltest du sie auch nicht beachten. Ich war schon immer so. Ich komme aus der Punk-Szene. Ich hatte also schon immer mit prüfenden Blicken zu tun. Ich bin es gewohnt. Außerdem bin ich aus Arkansas. Die Leute dort sind sehr christlich. Und nichts kann schlimmer sein als es dort war. Es ist ihr Problem, nicht meins. Ich wollte nie berühmt sein. Ich mag noch nicht einmal das Wort. Mir ist das egal und ich versuche bestimmt nicht Kim Kardashian zu sein. [lacht]

Mit Sprache wird immer vorsichtiger umgegangen. Die Gesellschaft versucht Begriffe zu finden, die nicht wertend sind, wie beispielsweise „Plus-Size“. Ich finde es interessant, dass du – und auch andere Plus-Size-Frauen – sich selbst „fett“ nennen. Hat das was damit zu tun, die Kontrolle darüber zu haben?
Es ist wie mit „schwul“ und „Schwuchtel“. Ich kenne keinen schwulen Mann in meinem engeren Freundeskreis, der sich selbst „schwuler oder homosexueller Mann nennt“. Sie nennen sich „Schwuchtel“. Und wir Lesben nennen uns „Dykes“. So sprechen wir untereinander. Warum also ist es negativ „fett“ und kein Problem „dünn“ zu sagen? Es ist ja nicht so, dass dir jemand sagt, dass du hässlich oder wertlos bist. Die Gesellschaft verbindet automatisch fett mit hässlich. Begriffe wie „Plus-Size“ sind okay, aber „overweight“ impliziert so etwas wie das „Normalgewicht“. Wenn Leute mich kurvig nennen, mag ich das nicht. Ich bin nicht kurvig! Vielleicht sind es andere, ich bin es nicht. Ich würde eher sagen ich bin klumpig bevor ich sagen würde, dass ich kurvig bin. [lacht] Aber irgendwie müssen wir wohl diese Begriffe und „Labels“ benutzen, weil wir uns nur so finden. Diese Begriffe bringen uns zusammen.

Erzähl uns etwas über die Leute, die dich umgeben.
Die Leute denken, dass ich mit vielen Celebrities befreundet bin. Bin ich auch, aber ich hänge mit ihnen nicht jeden Tag ab. Alle meine Freunde verdienen ihren Lebenunterhalt mit kreativer Arbeit. Mein bester Freund, den ich kenne seit ich 13 Jahre alt bin, wohnt gegenüber von mir. Er ist Grafikdesigner. Eine andere Freundin macht Kerzen, weil sie eine Hexe ist. [lacht] Eine andere ist Comic-Zeichnerin … Meine Freunde sind sehr laut und wirklich lustig. Wir essen oft zusammen und gucken Filme.

Das klingt toll und sehr nach „Pretty in Pink“ …
Ja, das ist es. [lacht]

bethditto.com

 

 

 

 

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