Virtuelle Realität? Ist das nicht ein Widerspruch in sich? Ungefähr so wie ehrliche Lüge, umweltfreundlicher Müll oder klassischer Techno?
Die Redewendung „in zwei Welten leben“ hat zwar immer einen schizophrenen Beigeschmack, aber beschreibt genau das, was wir für die Zukunft erwarten dürfen. Oder etwa doch nicht? Warum sollten wir uns noch darum bemühen, den Mars bewohnbar zu machen und Lichtjahre unterwegs zu sein, wenn wir auch einfach ganz entspannt eine Brille aufsetzen können, um in eine andere Welt zu schlüpfen? Also sorry, liebe NASA, ihr könnt eure Mission abbrechen. Die Lösung liegt nämlich im Saturn – oder sämtlichen anderen Technikmärkten. Die Virtual Reality (VR) Brille – mit der es nun ganz einfach wird, der realen Realität zu entfliehen, sich mit Freunden zu treffen oder in virtuellen Räumen shoppen zu gehen. Klingt erstmal ziemlich cool und trifft auch in der Welt der Stars und Sternchen auf Begeisterung. Björk hat eine VR-Ausstellung gemacht, das Musikerkollektiv Boiler-Room plant eine virtuelle Party, damit jeder aus der ganzen Welt zusammen von seinem Sofa aus abfeiern kann und sogar ABBA plant ein Zeitreise-Comeback mit der neuen VR-Technologie.
Die Kehrseite der Medaille erschreckt einen dann aber doch – denn die komplexen dreidimensionalen Welten in Echtzeit (dank Immersion und Interaktivität – um mal ein paar Fachbegriffe zu droppen) führen schon zu ersten Krankheitsbildern: Motion Sickness, Suchtverhalten, Angstzustände und eine eigens ernannte VR-Krankheit, die wohl irgendwie ein Mix aus dem allem ist. ‚Ach halb so wild, so wie immer im Leben darf man neue Dinge nur in Maßen genießen!“, schallt es nun aus den Kreisen der VR-Befürworter. Türlich, türlich. ABER ist es wirklich sinnvoll, Menschen in eine Welt zu entlassen, in der sie tatsächlich das Gefühl haben, Menschen zu erschießen oder einen Blowjob in virtuellen Pornos zu bekommen (ja, so etwas gibt es)? Und haben wir mit der Brille auf dem Gesicht überhaupt noch die Kontrolle? Es wirkt wie eine Ironie des Schicksals: Während wir denken, dass wir den Controller in der Hand halten, hält jemand Anderes uns in der Hand. Es fühlt sich ein bisschen an, wie mit den beliebten SIMS. Wir entscheiden, was sie tun, aber werden außerhalb des Monitors selbst von anderen gesteuert. Der Kreislauf des Lebens? Vermutlich wird es bald nicht nur noch einen geben … Fest steht: Das Thema ist unglaublich komplex und wir wissen auch nicht genau was auf uns zukommt aber die Frage, die wir uns jetzt schon stellen sollten: Wollen wir wirklich dauernd in eine Parallelwelt verschwinden?