Ich bin emanzipiert. Für mich war das schon immer selbstverständlich. Dass das ein großes Glück ist, weiß ich mittlerweile. Wem ich dieses Glück zu verdanken habe, auch. Denn mein Papa ist die größte Emanze, die ich kenne. (#GIRLPOWER!) Mein Papa findet starke Frauen „cool“. Mein Papa hat mich zu einer gemacht.
Jawohl, ich bin ein Papakind. Das klingt nach Prinzessin, aber das meine ich nicht. Es ist eher so: Wir beide haben da irgendwie so ein Ding am laufen. Papas Spitznamen für mich waren nie „Mäuschen“ oder „Zuckerpuppe“, sondern wohlklingende Eigenkreationen wie „Schnurpselpups“ und „Schänzelohr“. Ich bin meinem Vater selten im rosa Kleid um die Beine getanzt, um ihn dabei nachhaltig mit hübsch geflochtenen Zöpfen zu beeindrucken. Stattdessen habe ich mit meinem Papa jedes Wochenende ein „Sonntagskämpfchen“ gemacht. Bis einer heult. Das war immer ich. Trotzdem stand ich jede Woche wieder pünktlich 9 Uhr morgens auf der Matte und habe ihn mutig mit einem Biss in den großen Zeh geweckt. Und immer wieder tat der arme Mann anschließend so, als seien die trommelnden Schläge meiner kleinen Fäuste „ganz schön stark“, allerdings nicht ohne sich zu wehren. Das prägt. Ich gebe noch heute selten auf. Erst recht nicht sonntags.
Generell fand mein Papa eigentlich immer ALLES cool, was ich mir einfallen ließ. Er bejubelte mich, als ich x-beinig im lila Trikot für den SV Eintracht über den Fußballplatz holperte und gegen fünf Jahre jüngere Jungs 23:0 verlor. Er hat nicht die Augen verdreht, als ich die Blockflöte gegen eine E-Gitarre und später gegen ein Schlagzeug eintauschte, weil ich in meinem Zimmer den großen Durchbruch als Rockstar probte. Klammheimlich hat er es sogar gefeiert, als ich mir mit einer Sitzblockade auf der Nazidemo eine Anzeige wegen Landfriedensbruch einhandelte, da bin ich mir sicher. 1994 quälte er sich mit mir durch ein Konzert der Kelly Family, weil ich heiß und innig Paddy liebte. Zum Millennium staunte er über meine täglichen zwei Dosen Haarspray in der Beton-Frisur, als ich 15 wurde über grüne Dreadlocks. Als ich anfing zu knutschen und die Röcke kürzer wurden, grinste er nur wissend, statt mich zum Anstand zu zügeln. Bands, Bars und Boys wurden fleißig gegoogelt, bis heute weiß mein Papa bestens über die Rezensionen meines Lebensinhalts und dessen Schauplätze bescheid. Einmal erzählte er seinen Freunden: „Turi und ich, wir hören jetzt Adam Green.“ (Gut, dass er dessen englische Texte nie verstanden hat.) Ähm…Wir BEIDE hören jetzt…?! – Meine Pubertät zwang mich natürlich streckenweise dazu, den musikalischen Kurs aus Gründen der Rebellion zu wechseln. Mit Terrorgruppe, System of a Down und Eminem hatte ich dann selbst Papa temporär abgehangen. Puh.
Ich könnte ewig so weiter machen und Anekdoten von meinem Vater und mir ausplaudern. Natürlich waren und sind wir uns nicht IMMER einig, aber das hier ist ja auch kein Märchen. Sondern eine Kolumne. Und die hat auch eine Message: Mein Papa hat mich emanzipiert, weil Emanzipation bei uns nie ein Thema war. Es hat einfach keinen Unterschied gemacht, ob ich ein Sohn oder eine Tochter bin. Ich war ein Schnurpselpups und ich konnte die Welt erobern. Ohne Einschränkung von Geschlechterrollen. Ohne „das gehört sich nicht so“ und „Mädchen tun das nicht“. Das Gefühl gibt mir mein Vater bis heute. Komme, was wolle, Papa ist mein größter Fan. Er feiert meine Unabhängigkeit und applaudiert, wenn „Mädels“ eine Meinung haben. Mein Papa ist der neue Feminismus. Keine Frage, wir brauchen starke Mütter, die ihren Töchtern ein Vorbild sind. Der Lobbyismus für das eigene Geschlecht liegt nahe. Wir brauchen aber ebenso die Väter, denn die sind mindestens genauso wichtig: Emanzipation ist auch Papasache.