Wann hören wir endlich auf, Silvester zum gezwungenen Happy End unseres Jahres zu machen und uns die Lügen von guten Vorsätzen und einem neuen Ich zu erzählen?
Am letzten Tag des Jahres planen wir zwar ausgelassen zu feiern, erfrischt in ein neues Jahr zu starten und jede Menge gute Vorsätze umzusetzen, aber die Wahrheit sieht dann doch meistens anders aus. Denn Fragen über Fragen quälen uns vor diesem „wichtigen“ Tag: Mit wem feiere ich? Wo feiere ich? Was ziehe ich an? Was ziehen die anderen wohl an? Heuchle ich bei der blöden Person, die ich nie eingeladen hätte, dass ich sie mag? Oder ignoriere ich sie? Was gibt es zu essen? Wer ist mein Trink-Buddy? Wer hält meine Haare wenn es zu viele Drinks waren? Wen küsse ich um Mitternacht? Oder mit wem lästere ich über die glücklichen Pärchen?
Zuerst bringt uns der Geschenke Stress fast zum Durchdrehen und dann müssen wir auch noch für uns selbst eine Party organisieren, bei der die ganze Welt mitfeiert und hohe Erwartungen hat. Am Besten noch vor den offiziellen Feiertagen haben wir deshalb jeden Online Versandhändler nach goldenen Glitzerschuhen und schimmernden Samtkleidern durchsucht und allerlei bestellt. Zu Hause sitzen wir dann zwischen den Kartons, deren Inhalte einen höheren Wert haben als zwei Monatsgehälter und überlegen, was wir anziehen können. Wir scrollen durch Instagram und Pinterest und versuchen das perfekte Outfit zu finden. Generell dominiert zum Jahresende Perfektion unser Leben. Wir wollen mit einem großen glitzernden Knall in ein neues Jahr gehen – das besser, schöner, größer werden soll. Ist die Frage nach dem richtigen Kleidungsstück erstmal geklärt, denken wir an unsere Vorsätze. Wir wollen mehr Geld verdienen und gleichzeitig mehr Urlaub haben, wir wollen endlich abnehmen, die Haare anders tragen, mit dem Rauchen aufhören, uns ein Haustier anschaffen, die große Liebe finden. Das Ganze ist in etwa so unrealistisch, wie wenn die Mädels bei der Miss-Wahl sagen, sie wollen den Weltfrieden. Denn meist werden die Hoffnungen auf ein besseres Leben, noch in derselben Nacht zerstört. Wenn uns niemand geküsst hat, denken wir, wir bleiben „Forever Alone“, wenn das Handy nicht vor lauter „Frohes Neues!“ SMS und Anrufen explodiert, fühlen wir uns unbeliebt und wenn wir uns nachts auf der Party-Toilette anschauen, denken wir, wir sind ein hoffnungsloser Fall. Deshalb sollten wir dringend aufhören Silvester zum Tag der Abrechnung mit uns selbst zu machen und kurz inne zuhalten und nicht zu überlegen, was wir wollen, sondern was wir haben.
Erfrischt in ein neues Jahr zu starten, scheitert meistens schon beim Neujahrs-Kater. Und spätestens beim Einkauf, sobald die Läden am 2. Januar wieder aufhaben und man sich statt Obst und Gemüse dann doch eher Kopfschmerztabletten und Pudding holt. Deshalb zerreißt doch einfach den imaginären Zettel mit euren Vorsätzen und nehmt euch lieber vor, euch selbst ein paar Wünsche in diesem Jahr zu erfüllen – weil ihr das wirklich wollt, und nicht weil andere erwarten, dass ihr nun was ändern müsst.