Bilderbuch: Diese Band bringt sexy back!

Seien wir mal ehrlich: Deutschsprachige Musik ist mal richtig gut, mal wirklich schauderlich und oft mittelmäßiger Pop-Brei mit Hang zum Schlageresken. Äußerst selten jedoch ist sie so richtig überraschend. Umso fresher kommt die Band Bilderbuch daher, wird von Kritikern gefeiert und von Musikmagazinen angepriesen. 

Zu Recht, wie wir finden, denn der Sound der Wiener Jungs ist tatsächlich bemerkenswert. Das Debut-Album „Schick Schock“ siedelt sich irgendwo zwischen Soul und Rock an, nicht ohne einen kleinen Abstecher in die Neue Deutsche Welle zu machen. Bilderbuch räkelt sich lasziv zwischen Prince und Falco im pompösen Queen-Size-Bett männlichen Sex-Appeals. Längst schon sind auch wir Sänger Maurice und seiner Kopfstimme verfallen. Okay, und seinem gelben Lamborghini. Mit Ersterem haben wir uns zum Interview getroffen.

Im Moment seid ihr in aller Munde und man könnte meinen: „Ach, guck mal, ein paar Newcomer aus Österreich!“ Das trifft es aber nicht so ganz, denn euch gibt es als Band schon geschlagene zehn Jahre. Was bewegt einen dazu, so lange durchzuhalten, bevor ihr nun endlich abgeht wie ein Zäpfchen?
Grundsätzlich gab es immer das Gefühl, dass noch mehr ginge, schon von Anfang an. Als ich das erste Mal mit meinen Kollegen im Proberaum stand, wussten wir, da wäre noch mehr, wir müssten nur herausfinden, wie wir es abrufen könnten. Außerdem macht es großen Spaß, auf der Bühne zu stehen, daraus entwickelt sich dann fast schon eine Art Sucht. Wir hatten das Glück, immer Schlüsselmomente zu erleben, die uns dann weitergetrieben haben. Wir hatten dauernd das Gefühl, wir müssten dranbleiben, sonst würden wir uns später ärgern.

Und wie liest sich das erste Kapitel von Bilderbuch?
Wir haben zu Schulzeiten mit Bilderbuch gestartet, damals noch als Schüler einer Klosterschule. Sturzbetrunken auf einer Party haben wir die Bandgründung beschlossen und ich habe mich zum Singen überreden lassen. Es hatte sich nämlich herumgesprochen, dass ich im Musikunterricht einigermaßen die Töne traf. Damit war ich engagiert. Ich habe mir also nicht vorgenommen, Sänger zu werden, um eine Band zu gründen, sondern bin da so hineingeraten. Und dann hat es einfach zu großen Spaß gemacht, um wieder aufzuhören.

Apropos Kloster: „Sexy“ ist ein Attribut, mit dem eure Musik oft beschrieben wird. Was findest du sexy?
Ich beschränke mich da jetzt mal auf den musikalischen Zusammenhang, sonst drifte ich ab. Sexiness hat in der Musik immer etwas mit einem gewissen Soul zu tun. Und mit Performance. Wenn du dich einem Lied so richtig hingibst, dann kannst du den Song mit einem Partner vergleichen. Wenn du dich bedingungslos gehen lässt und auch mal vergisst, dich auf eine korrekte Art und Weise zu verhalten, einen Konsonanten vergisst oder aus einem Gefühl heraus ein Wort verschluckst… das ist sexy. Dann lebt Musik mehr und du traust dich etwas und gehst auch mal ein Risiko ein. Dann singst du bei „OM“ zum Beispiel einfach mal einen Part in der Kopfstimme, lehnst dich aus dem Fenster, um im nächsten Moment wieder sicher und breit dazustehen. Und das hat meiner Meinung nach Parallelen zum Liebemachen, deswegen ist es sexy.

photo: Niko Ostermann
Foto: Niko Ostermann

Euer Bandname hingegen ist nicht ganz so sexy, rührt aber daher, dass ihr früher Bilderbücher wie zum Beispiel den „Struwwelpeter“ vertont habt. Warum das?
Als wir angefangen haben zu proben, waren wir instrumentalistisch direkt auf einem gewissen Niveau und konnten schon gleich losspielen. Es mangelte dann aber noch am Gesang, da der Text fehlte. Damit es schnell weitergehen konnte, habe ich vorgeschlagen, Kindergeschichten zu vertonen. Das wäre irgendwie interessant und wir würden uns von anderen Bands abheben, fanden wir und waren direkt Feuer und Flamme. So konnten wir bei jeder Probe einen Song produzieren und direkt unseren ersten Auftritt spielen. Auch deswegen haben wir heute schon so viel Bühnenerfahrung.

Auf welches Kindermärchen stand der kleine Maurice?
Ich erinnere mich sehr vage an einen Fisch mit einer schimmernden Schuppe, über die man so rüberstreichen konnte. Das war sehr hübsch! „Der Regenbogenfisch“ hieß das.

Bleiben wir beim schillernden Gewand: Ihr habt nicht nur musikalisch, sondern auch in Sachen Mode einen ganz eigenen Style gefunden. Gibt es jemanden, der bei euch den Ton in der Garderobe angibt?
Bei uns sind alle gleichberechtigt, aber Mike und ich sind, glaube ich, diejenigen, die am meisten an unseren Klamotten herumtüfteln und sich auch viel austauschen. Auf Tour läuft es bei uns in der Umkleide tatsächlich etwas wie bei Mädels: „Mensch, darf ich mir das mal ausleihen? Was du gestern anhattest, kann ich das heute haben?“

Habt ihr einen Lieblingsdesigner?
Nee, ich denke, es kommt eher auf die Kombi an. Ob es jetzt der Fund vom Dachboden des Großvaters ist, was für mich in den letzten drei Jahren eine sehr wichtige Quelle war, Vintage oder neue Kollektionen, es muss ein natürliches Gleichgewicht ergeben. Unser Style auf der Bühne entspricht auch unserem privaten Geschmack. Es gibt keine Kostüme für die Bühne oder so. Wenn ich noch besser ausgestattet wäre, könnte ich auch mehr solcher Outfits privat performen. Denn die Favoriten hebt man sich dann doch meist für Auftritte auf.

Seit wann bist du so blond?
Seit fast zwei Jahren. Die Haarfarbe hab ich auch schon mal als Kind gehabt, so mit elf, damals noch als angesagte Stachelfrisur. Seit vier Jahren hab ich davon geredet, mir die Haare nun wieder so färben zu wollen. Aber weil ich so dicke und dunkle Augenbrauen habe, wurde mir das immer wieder von Freunden ausgeredet, bis ich mich endlich durchgerungen habe. Und nun bin ich sehr zufrieden damit.

Warum singst du auf Hochdeutsch statt zu wienern?
Ich würde sagen, ich singe auf einer Art Theaterdeutsch mit teilweise ganz bewusst gesetzten Wiener Satzstellungen und Begriffen wie zum Beispiel „Mädel“ oder im nächsten Moment auch mal was Englischem. Es gibt da für mich kein Dogma. Sprache ist für mich ein Stilmittel und kann von Song zu Song variieren.

Reist ihr viel?
Na ja, wir waren im letzten Jahr circa 330 Tage unterwegs, allerdings immer als Band und nicht zu fernen Reisezielen. Ein richtiger Urlaub musste erst mal auf die lange Bank geschoben werden.

Wenn es dann mal so weit ist, wohin geht es?
Das ist lustig. Ich habe das Gefühl, auf dem Album spiegelt sich ein bisschen die Sehnsucht nach fremden Orten wider: Gibraltar, Copacabana, New Mexico, eher dadaistisch als geografisch angeordnet. Es zieht uns also alle in die Ferne, aber wohin genau, weiß keiner. Es geht da allein ums Prinzip. Das finde ich auch ganz bezeichnend für unsere Generation, Facebook und so: Es gibt einfach so viele Möglichkeiten, dass man sich gar nicht festlegen mag. Ein sehr modernes Problem unserer Gesellschaft.

Eure Videos zu „Plansch“, „Maschin“ oder auch „OM“ haben eine ganz spezielle Ästhetik und einen hohen Wiedererkennungswert. Habt ihr ein festes Team, mit dem ihr dabei immer zusammenarbeitet?
Wir arbeiten schon immer mit einem Grundstock von Leuten zusammen und die Band ist immer sehr involviert in den Entstehungsprozess. Meist entwickeln wir die Ideen und dann gibt es Leute, die sich um den Faktor Umsetzbarkeit kümmern, wir sind ja nicht in Hollywood. So bauen wir dann gemeinsam ein ganzes Haus, das sich immer weiterentwickelt.

Was sollte man unbedingt tun, wenn man einen Tag und eine Nacht in Wien verbringt?
Schlendern. Wien ist die perfekte Stadt zum Schlendern. Und das kann man auch gut allein machen, egal ob man zu Besuch ist oder schon länger dort wohnt. Gerade im Sommer kann man durch den Ersten Bezirk wunderbar durchspazieren und sich verlieren. Der ist zwar museal und touristisch, aber eben auch wunderschön. Abends kann man dann zum Beispiel ins „Schikaneder“ gehen, das ist ein altes Kino. Oder ins „Brut“ nahe dem Karlsplatz, das ist ein Künstlerhaus, in dem auch immer gute Konzerte sind. Oder in den „Club U“, das ist ein alter U-Bahnhof, in dem regelmäßig die beste Party der Stadt stattfindet: „Rhinoplasty“.

Im Video zu „Maschin“ sitzt du in einer ziemlich steilen Kiste von Lamborghini. Was fährst du privat für ein Auto?
Wie es sich für einen Städter gehört, gerade noch keins. Bei der Wahl des Traummodells bin ich hin- und hergerissen zwischen Proll und Understatement. Ich mag keine deutschen Autos. Ich stehe auf italienische und skandinavische Hersteller. So ein Saab-Cabrio wäre schon richtig geil. Oder ein Volvo-Kombi. Und wenn ich schon auf die Tube drücken würde, dann mit einem Alpha Romeo…

Was ist der Bilderbuch-Plan?
Im Moment ist alles so gut, dass ich einfach hoffe, dass wir uns diese innere Harmonie bewahren können. Das ist gerade eine sehr wertvolle Zeit für uns als Band.

Website: bilderbuch-musik.at
Marke: Feinste Seide

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