Die Inseln von Hawaii sind ein Paradies auf Erden. Palmen, weiße Strände, türkisblaues Wasser und perfekte Wellen. Doch ist das Paradies wirklich nur Blumenkette, Mai Tai und Sonnenuntergang?
Da bucht man für ein Schweinegeld einen Once-in-a-Lifetime-Urlaub nach Oahu und dann so etwas: Kurz nachdem man den internationalen Flughafen verlassen und den Mietwagen mit Surfbrett, Strandtuch und Sonnencreme vollgestopft hat, steht man auch schon im Stau. Die H1, die Hauptverkehrsader der Insel, ist chronisch überlastet. Wie auch alle anderen Hauptverkehrswege. Abgase, glühend heißer Asphalt, Gehupe und Gedrängel – Honolulu nimmt sich nichts in Sachen tägliches Chaos im Vergleich zu den klassischen US-Großstädten auf dem Festland. Südseegefühle kommen hier nicht auf. Man schiebt sich Meter für Meter auf dem Freeway entlang, die vielen Hochhäuser nehmen einem zusätzlich den Blick auf den sonst so wunderbar kitschigen Sonnenuntergang über Waikikis Stränden. Na toll …
Geheimtipp: North Shore
Oahu, die Insel, auf der fast alle Hawaii-Touris zuerst landen, platzt langsam, aber sicher aus allen Nähten. Knapp eine Million Menschen, Touristen nicht mit eingeschlossen, leben auf dem gerade mal 1.500 Quadratkilometer großen Eiland. Nicht umsonst trägt Oahu auch den Spitznamen „The Gathering Place“.
Doch lässt man die Großstadt im Rückspiegel hinter sich, ändert sich allmählich das Szenario. Beton weicht Natur. Smog weicht samtig weicher, nach Blumen riechender Luft. Gut eine Stunde später ist dann endlich die Postkartenlandschaft erreicht. Einsame Strände, Palmen, Wasserfälle und die unter Surfern so bekannten und perfekten Wellen. Die berühmte North Shore von Oahu ist im Verhältnis zur Südküste noch fast unberührt vom Massentourismus. Das Surfer-Örtchen Haleiwa ist dabei mit seinen knapp 4.000 Einwohnern die Hauptstadt der Nordküste. Entlang der Main Street stehen kleine bunte, in allen Regenbogenfarben angestrichene Holzhäuser wie in einer Westernstadt am Christopher Street Day. Kleine Boutiquen laden zum Shoppen ein und „Matsumoto’s Shaved Ice“ lässt nun bereits seit über einem halben Jahrhundert seine Kundschaft Schlange stehen. Ein Supermarkt, eine Tankstelle, ein paar Restaurants und fünf, sechs Surf-Shops, ein paar Kunstgalerien und das war es dann auch schon. Wer hier durch die Straße schlendert, wird so entschleunigt, dass es einem endgültig die Schuhe auszieht. Flip-Flops sind hier sowieso das höchste Maß der Fußbekleidung. Sobald man die Ortsgrenze gen Osten verlässt, wird es immer dörflicher. Die Häuser, die man sieht, verschwinden fast in der üppigen Vegetation. Zwischendurch tauchen immer wieder die Traumstrände am Straßenrand des Kam Highway auf, für die man einmal um den Planeten geflogen ist. Palmen, weißer, feiner Sand, türkisfarbenes Wasser. Manche Felsen, die am Strand liegen, entpuppen sich bei genauerem Hinschauen als riesige Meeresschildkröten … Südsee-Feeling pur!
Surfer Mekka: Pupukea Beach
15 Minuten Fahrt von Haleiwa entfernt erreicht man schließlich den Pupukea Beach Park, das Mekka unter Surfern. Für die Beach Boys ist dieser Strandabschnitt so etwas wie für den Fußballer das Wembley-Stadion oder Wimbledon für den Tennisspieler. Die beiden Surf-Spots Pipeline und Backdoor stehen in der Surf-Welt für die besten Wellen des Planeten. Hier überschlägt sich der Pazifische Ozean zu perfekten Wellen. Wer die knochenbrechenden Fluten meistert, gehört zu den Besten. Jeden November und Dezember treffen sich hier die weltbesten Surfer für den Billabong Pro Contest, den wichtigsten Surf-Event des Jahres. Die Wassermassen brechen so nah am Strand, dass man als Zuschauer die Kraft der Wellen förmlich spüren und die Action wie in einer Stierkampfarena hautnah miterleben kann. Im Schatten der Strandhäuser lässt es sich super mit einer eiskalten Acai Bowl vom Food Truck am Strandzugang verweilen und zuschauen. Selber surfen gehen sollte man hier allerdings nicht. Jedes Jahr sterben Leute in den Fluten! Wer genug Action hat, der sollte nochmals zwei Kilometer weiter gen Nordosten fahren, wo ein weiterer weltberühmter Strand unter Surfern wartet. Sunset Point lädt, wie es der Name verrät, dazu ein, zum Sonnenuntergang die Seele baumeln zu lassen.
„Keep the Country Country“
Aber wie kommt es, dass sich die North Shore im Gegensatz zum Süden so vom Massentourismus verstecken und seine Ursprünglichkeit bewahren konnte? Einen Grund dafür sieht man bei der einstündigen Fahrt auf den Stoßstangen und Heckscheiben der anderen Autos kleben. Dort sieht man immer wieder grüne Sticker mit dem Slogan „Keep the Country Country“.
Mark Cunningham, einer der Anführer dieser Bewegung, erklärt das seit Jahren politisch und emotionell sehr sensible Thema so: „Ich glaube, die meisten Einheimischen, die an der North Shore leben, hegen eine Hassliebe dem Tourismus gegenüber. Ohne Zweifel ist es der wichtigste Wirtschaftszweig der Insel. Nur leider scheint das, was die Regierung als Weiterentwicklung des Tourismus sieht, im starken Kontrast zu dem zu stehen, was die Bewohner der North Shore brauchen. Das Schlimmste, was ich mir vorstellen kann, wäre, wenn hier die privaten Häuser am Strand plattgemacht würden, um teuren Fünfsterne-Hotelklötzen zu weichen.“
Cunningham selbst ist der bekannteste Bodysurfer der Welt. Er ist ein Vorbild für die Jugend Hawaiis, taucht regelmäßig mit seinen spektakulären Bodysurf-Ritten in den Medien auf und durch den Film „Come Hell and High Water“ brachte er einen Bodysurf-Boom ins Rollen, der bis heute weltweit anhält. Seit sieben Jahren ist Mark bereits offiziell in Rente. Müde wird er allerdings nicht. Er geht immer noch täglich ins Wasser und auf die Straße, um dort für seine Heimat zu kämpfen.
„Keep the Country Country“ ist eine Non-Profit-Organisation, die unter anderem dank ihm viele Unterstützer auf der Insel gefunden hat. „Wir müssen uns dringend einen Plan machen, was das Beste für die kleine Insel ist. Denn langsam, aber sicher geht uns der Platz aus.“ Dabei ist der begnadete Bodysurfer und pensionierte North Shore Lifeguard keiner dieser verbitterten Alt-Hippies, die jeglichem Fortschritt gegenüber abgeneigt sind. „Ich sage nicht, dass Hawaii nicht wachsen soll. Es sollte nur auf eine clevere und nachhaltige Weise geschehen. Hawaii ist ein solch traumhaft schöner, einzigartiger und magischer Ort, dass es schlichtweg mein Herz bricht, wenn wir uns nicht besser um die Insel kümmern. Das Meer und das Land haben keine Stimme, wir müssen in ihrem Namen sprechen.“
Nachhaltigkeit und Authentizität
Wer also Urlaub auf der atemberaubenden Pazifik-Perle plant, sollte sich bewusst vom Massentourismus distanzieren und stattdessen auf Nachhaltigkeit und Authentizität setzen. Schließlich soll die Schönheit der Insel noch lange Zeit in voller Blüte stehen. Das ist nicht nur im Sinne der Einwohner, sondern auch für alle Reisenden erstrebenswert, die noch ein zweites Mal ins Paradies einziehen möchten. Im Prinzip sind sich Bewohner und Gäste da doch einig, dennoch verlangt die Situation etwas Feingefühl auf Seiten der Touristen. Generell gilt hier wie vielerorts auch: „Komm mit einem Lächeln und du bekommst ein Lächeln zurück!“
Infos zu Marks Arbeit findet man hier: defendoahucoalition.org
Oahu Hot Spots:
- Airbnb: An der North Shore ist man mit einem privat gemieteten Zimmer oder Apartment am besten beraten. So kann man direkt im Paradies residieren und dabei den großen Hotelkomplex umgehen. airbnb.de
- Turtle Bay Beach Resort: Wem der Sinn aber doch nach Luxus und Rundumprogramm steht, ist mit dem Turtle Bay Beach Resort am besten beraten. Teuer, aber gut und im Winter hängen hier die meisten Surf-Profis ab. turtlebayresort.com
- RVCA Shop Waikiki: In Waikiki gibt es den RVCA Shop mit den hippsten Surf-Klamotten der Stadt. Definitiv einen Ausflug in den dicht bebauten Süden wert. 2424 Kalakaua Ave. #1102, Honolulu, HI 96815 rvca.com
- Acai Bowl Food Truck: Am Kamehameha Highway an der North Shore direkt vor dem Strandzugang zur berühmtesten Welle der Welt steht ein kleiner Food Truck mit der besten Acai Bowl der Insel. Unbedingt ausprobieren!
- Thai Food Truck: Wer es lieber hot & spicy mag, der sucht den Food Truck im Surfer-Städtchen Haleiwa auf. Direkt am Kamehameha Highway gibt es die besten Red Curry Prawns, die einem vor Schärfe die Flip-Flops ausziehen.
- Waimea Valley: Wer etwas über die alten Hawaiianer und deren Kultstätten lernen möchte, für den ist ein Besuch im Waimea Valley Pflicht.
Die besten Wellen Hawaiis:
Pipeline, Oahu, Hawaii
Diese Welle ist das Mekka aller Wellenreiter. Wer sie meistert, gehört zu den besten Surfern der Erde. Doch die Welle hat es in sich. Brutale Wassermassen stürzen über die Surfer hinein und pressen sie auf ein knochenbrechendes Riff. Die Lifeguards haben alle Hände voll zu tun, Surfer aus der Gefahrenzone zu angeln. Jedes Jahr im Dezember finden dort die Billabong Pipe Masters statt, das Finale der World Tour.
Beste Reisezeit: November bis März
Schwierigkeitsgrad: nur für die besten Surfer der Welt
Wellenhöhe: bis zu sieben, acht Meter
Info- oder Kontaktadresse: vanstriplecrownofsurfing.com
Jaws, Maui, Hawaii
Groß, größer, Jaws. An diesem berühmten Big-Wave-Spot brechen bis zu 30 Meter hohen Wasserberge über todesmutigen Surfern zusammen. Wenn Jaws seine Zähne zeigt, ziehen sich die Adrenalin-Junkies per Jetski in die Welle, um dann mit bis zu 70 km/h die gewaltigen Wasserwände runterzurasen. Zuschauer können von der sicheren Klippe aus das Spektakel beobachten.
Beste Reisezeit: November bis März
Schwierigkeitsgrad: Todesmutige voran!
Wellenhöhe: bis zu 30 Meter
Mehr Infos: mauiguidebook.com
Waikiki, Oahu, Hawaii
Auch wenn die Hochhausschluchten von Honolulu und Waikiki nicht gerade das Paradies auf Erden vermitteln, das man vielleicht von Hawaii erwarten würde, so sind die Surf-Spots vor der Skyline doch ein Traum für jeden Anfänger und Longboarder. In türkisfarbenem Wasser brechen seichte Wellen, die Ewigkeiten entlanggesurft werden können, und freundliche Locals grüßen die Besucher aus Übersee mit einem Lächeln. Da fehlt nur noch ein Mai Tai zum Sonnenuntergang für das perfekte Glück.
Beste Reisezeit: das ganze Jahr
Schwierigkeitsgrad: ideal für Anfänger und Longboarder
Wellenhöhe: ein halber bis zwei Meter
Info- oder Kontaktadresse: beachboyhale.com
FOTOS: Lars Jacobsen