Um den Wühltisch zu gewährleisten, brauchen viele Fashion-Marken ihr Öko-Aushängeschild: die (angeblich) nachhaltige Kollektion.
Mit den Worten „Fair“ und „Nachhaltig“ ist es doch ähnlich wie mit dem „Bio“-Label. Offensichtlich sind diese Begriffe besonders dehnbar und verlieren dadurch immer mehr an Glaubwürdigkeit. Deshalb empfinden wir es auch nicht mehr als große Sensation, wenn wieder ein Modegigant mit einer „nachhaltigen Kollektion“ um die Ecke kommt. Wir fragen uns: Wer verkauft hier wem das gute Gewissen? Das Label seinen Kunden oder die der Marke?
Was genau bedeutet „nachhaltig“ überhaupt? Ist es nur ein Modewort oder hat es tatsächlich eine Bedeutung? Wenn wir uns die Etiketten einiger Kollektionen der Fast-Fashion-Riesen anschauen, dann werden Materialien wie Bio-Baumwolle, Recycle Polyamid oder Recycle Polyester benutzt. Nicht ausschließlich – der Anteil beträgt meist weniger als 40%. Dabei ist der Gedanke dahinter eigentlich ein guter: Mode aus Textilabfällen herzustellen ist innovativ und auch gut für die Umwelt. Allerdings ist die ebenfalls hoch angepriesene Bio-Baumwolle und Bio-Wolle leider kein Grund, warum uns Mutter Erde danken wird. Denn gerade der Anbau dieser beiden Materialien produziert viel CO2 und Methan. Stichwort Erderwärmung, Stichwort Klimawandel, Stichwort falsche Annahmen.
EINZELNE POSITIVE BEISPIELE ERSETZEN NICHT DIE NOTWENDIGKEIT EINER UMFASSENDEN VERWANDLUNG
Und nicht nur die Natur spielt bei nachhaltigen Kollektionen eine Rolle, sondern auch die Arbeitsbedingungen. Wir alle kennen die schrecklichen Bilder der eingestürzten Textilfabrik in Bangladesch, wir wissen, dass der Mindestlohn in vielen Produktionsländern nicht mal annähernd mit dem zu vergleichen ist, was wir in Deutschland beziehen, und wir können uns denken, dass eine nachhaltige Kollektion, die tatsächlich zu fairen Bedingungen produziert wurde, nicht die komplette Industrie umkrempeln wird. Es ist nur der Anfang. Doch für viele Marken scheint es auch gleichzeitig das Ende zu sein. Das Ganze ist so, als würdest du einmal im Jahr dem Bettler vor der U-Bahn 2 Euro in seinen Becher werfen und denken: „Das reicht jetzt erstmal mit den guten Taten.“ Wirklich verändern wird sich dadurch nichts. Ironischerweise tut sich gerade die Mode schwer mit Veränderungen – zumindest, was grundlegende Funktionsweisen der Branche betrifft: Erst feiern wir die Tatsache, dass Marken sich mehr darum bemühen, Diversität in den Vordergrund zu stellen, und letztlich sehen wir dann doch immer nur Adwoa Aboah oder Plus-Size-Model Ashley Graham über Laufstege schreiten oder vor der Kamera posen. Soll es das erstmal gewesen sein? In Sachen Bio-Mode ist es oft ähnlich: einzelne positive Beispiele ersetzen nicht die Notwendigkeit einer umfassenden Verwandlung.
Unser Kaufverhalten zeigt uns deutlich: Auch wir sind nicht ganz unschuldig daran, dass es wenig Veränderungen gibt. Wir wollen es lieber billig als bio. Wir wollen so viel wie wir bekommen können und nicht darüber nachdenken, wer wirklich den Preis dafür bezahlt. Und auch uns kommen diese Öko-Kollektion-Aushängeschilder zugute. Denn wer unsere Billig-Schnäppchenjagd kritisiert, kann schnell mit einem „Aber die machen auch faire Mode“ abgespeist werden. Denn letztlich sind diese „Conscious Collections“ nichts mehr als ein Schleier des angeblich guten Gewissens.
Dagegen gibt es viele kleine Labels, die bereits wissen, wie Slow Fashion und faire Mode wirklich funktionieren. Und denen sollten wir zukünftig mehr Beachtung schenken.
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