Heute erscheint Shuras „Forevher”. Darauf singt sie, wie sie spricht: in Bildern. Im Interview geht es um die Liebe. Zu sich selbst, ihrem Vater, dem Fußball und im Allgemeinen.
Es regnet in Strömen, als Shura anruft. Es war eine lange Woche, das Energielevel ist im Keller – bis sie anfängt zu erzählen. Plötzlich ist alles okay. Wie damals in der Schule, als das Lieblingsfach am Nachmittag einen den Stress der Matheklausur am Morgen vergessen ließ. Shuras Storytelling ist einzigartig kraftvoll – ob gesprochen oder gesungen. Also lehne ich mich zurück und lausche ihren Geschichten über die Liebe. Selbst mich, eine überzeigte Pessimistin, bekommt sie weich. Glaube ich jetzt wieder an die ewige Liebe? Ein bisschen schon. Danke, Shura!
Lass uns vorne starten. Du wärest beinahe Fußball-Star geworden, richtig?
Ich weiß nicht, ob ich sagen würde, dass ich Fußball-Star war, aber ich habe 5 oder 6 Jahre für Manchester City gespielt, das stimmt. Ich habe es so geliebt und war auch gar nicht mal so schlecht. Einerseits freue ich mich total, dass auch Frauenfußball jetzt von so vielen gesehen und im TV übertragen wird. Andererseits gucke ich es mir an und bin ein bisschen traurig, dass das in meiner Kindheit noch nicht der Fall war. Ich erinnere mich auch noch, dass ich bei Soccer-Camps teilgenommen habe und das einzige Mädchen war.
Hattest du in der Zeit Fußballerinnen-Vorbilder?
Nein, ich kannte leider früher gar keine. Mein Vorbild war deshalb David Beckham. Ich meinte es tatsächlich so ernst mit der Karriere, dass ich trainierte, ein Linksfuß zu werden. Diese sind im Fußball generell selten, aber vor allem England brauchte damals unbedingt eine*n. Und da dachte ich, wieso eigentlich nicht ich?
Genderrollen waren also noch nie dein Ding?
Scheinbar nicht. Aber Kinder sind dahingehend noch so pur und unerschrocken – ich habe gar nicht darüber nachgedacht, dass ich da auf Probleme stoßen würde. Aber den Traum habe ich nun an den Nagel gehängt und fangirle nur noch vom Spielfeldrand aus, wie aktuell bei der WM.
Witzig, deine Gesichte ist der von Sara Däbritz aus dem Deutschen Kader gar nicht so unähnlich. Sie startete auch in einem Jungenteam und ist heute eine unserer größten Hoffnungsträgerinnen.
Es ist so toll zu sehen, wie die Sichtbarkeit für Frauenfußball gestiegen ist. Toll, dass ihr auch so viel Berichterstattung zu dem Thema betreibt.
Fußball an den Nagel gehängt – wilkommen im Musikbusiness
Aber dann bist du ja doch Musikerin geworden.
Ja, das stimmt. Eingekuschelt zuhause mit der Gitarre zu sitzen hörte sich irgendwann dann doch bequemer an, als im Londoner November mit Shorts und Shirt einem nassen Ball hinterher zu jagen.
Hast du dich aktiv dazu entschieden?
Nein, um mich hinzustellen und zu sagen „Ich werde Musikerin“ hatte ich nie genug Selbstbewusstsein. Mein Vater war es, der sagte „Hey, du bist echt gut, trau dich mal!“ Und ich habe ihn nur angeschrien „Shut up, Dad!“ Ich war viel zu schüchtern und ängstlich, um meinen großen Traum in Worte zu fassen, weil mich das noch verletzlicher gemacht hätte. Ich meine, was wäre gewesen, wenn ich gescheitert wäre?
Kudos an deinen Daddy, für den subtilen Selbstbewusstseins-Schub!
Ja, absolut. Kudos an mich eher weniger, denn dieses Verhalten lege ich heute noch an den Tag. Wenn ich einen Crush habe, verleugne ich es solange irgend möglich! Aber ich arbeite daran und versuche, mich öfter verletzlich zu zeigen.
Jetzt hast du immerhin ein ganzes Album zum Thema Verletzlichkeit geschrieben.
Haha, ja da hast du Recht.
Shura: „Forevher” enthält meinen ersten selbstbewussten Song
Der Titel, „forevher“ ist wie ein Gedicht an die queere Community. Bitte male uns ein Bild dazu.
Liebe ist so strange. Man hat Angst davor und ist gleichzeitig süchtig. Bisher hatte die Angst bei mir immer überwogen. Für dieses Album habe ich zum ersten Mal ein fröhliches und selbstbewusstes Liebeslied geschrieben. Für mich ist das in vielerlei Hinsicht die musikalische Reflexion einer neuen Beziehung.
Woran merkst du, dass du verliebt bist?
Ich bin ein Fan von großen Gesten. Aber stelle dir nur mal vor, irgendjemand fremndes würde sich mit einem riesigen Teddybär vor dich stellen und singen. Ohne Liebe würde man wahrscheinlich die Polizei rufen und denken „Was für ein fucking Creep!“ Alles eine Sache der Perspektive also!
Warum Shura weibliche Opfer queerphober Gewalt verstehen kann
„BKL LDN“ ist ein Track vom neuen Album, der die Zweifaltigkeit der Liebe betrachtet. Was war die Inspiration?
Mit der anfänglichen Faszination ist alles sexy und heiß – dann kommt erst die Liebe! Und mit ihr diese cheesy Momente wie der Kauf eines übergroßen Teddybären, Händchenhalten auf den Straßen und diese Zero-Fucks-Attitüde. Dann sind selbst die Blicke anderer egal.
Apropos Blicke der anderen. Als queere Person in England, hat dich vor einigen Monaten die News der Gewalt an einem lesbischen Paar in einem Londoner Bus sicher hart getroffen.
Natürlich war ich völlig entsetzt. Aber gleichzeitig auch wenig überrascht. Eigentlich ist es traurig, im Jahr 2019 immer noch so zu reagieren – eigentlich sollte ich in Rage sein! Aber leider kennt man solche Bilder aus der Vergangenheit. Oft waren die Opfer schwule Männer, POCs und Transgender. Ein lesbisches Paar so zu sehen, war neu für mich. Gleichzeitig fühlte es sich so bizarr vertraut an. Dass so etwas in London, einer so offenen und LGBTQI-freundlichen Metropole, passiert, macht mich traurig. Und doch kenne ich keine queere Frau, die noch nie Opfer von Hass und Gewalt aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihres Genders geworden ist. Nicht immer ist es so weit gekommen, wie im jüngsten Beispiel, aber ich bin schon selbst in ähnlichen Situationen gewesen.
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My Coven. (📸 by @estebanchacin) #shura #religion #forevher #120mm
„You gotta have Faith“, oder wie schaffe ich nun eine halbwegs elegante Überleitung zu deiner neuesten Single?
Vertrauen darin, dass es besser wird? Ja das habe ich. Das muss ich haben.
Wie viel Spaß hat dir das Drehen deines neuen Videos zu „Religion“ gemacht? Du als Papst, rauchende, tanzende und knutschende Nonnen um dich herum.
Ich liebe das Video und auch der Song bedeutet mir sehr viel. Ich bin von Religion fasziniert und wollte sogar mal Theologie studieren.
Was fasziniert dich am meisten daran?
Das Gleiche, was mich so an der Liebe reizt, denn im Grunde ist die Liebe eine Art Religion für die Menschen. Man glaubt an etwas, das aus einer anderen Perspektive nicht logisch erscheint. Immer und immer wieder gibt man sich einer Person hin, obwohl es beim letzten Mal nicht geklappt hat. Immer und immer wieder steht man mit einem Teddybären vor der Tür. We always have faith!
Mehr von Shura gibt es hier. Zum Beispiel alle Daten zur Tour und vieles mehr.