Zeig mir deine Wohnung und ich sag dir, wer du bist. Wir stellen euch Modemenschen, Freunde und Wegbegleiter mitsamt ihrer vier Wände vor. Design oder Selfmade? Verspielt oder clean? Souterrain oder Dachterrasse? Wir schauen uns um und nehmen euch mit: BLONDE zu Besuch bei… Alexandra King-Lyles.
Die Frage, wer Alexandra King-Lyles ist, lässt sich nicht mit einem Satz beantworten. Ihr breiter britischer Akzent verrät ihre Herkunft. Niedergelassen hat sie sich aber in Park Slope (Brooklyn). Sie hat englische Literatur und Journalismus studiert, und in London für den BBC gearbeitet, später dann mit einem internationelen Stipendium in der Tasche für die UN in New York. Menschenrechte waren dort ihr Thema, Reisen in die Krisenländer dieser Welt an der Tagesordnung: Vom indonesischen Tsunami bis zu sexueller Gewalt im Kongo. Obama hat sie getroffen. Und Stevie Wonder zum Interview. Zweimal. Der kam mit seinem persönlichen Astrologen zum Termin, um sicher zu gehen, dass ihre Sternzeichen miteinander harmonieren. Alexandra hatte Glück, die Sterne standen gut für sie. Und das nicht nur in Sachen Stevie Wonder. Seit einem Jahr ist sie verheiratet. Auf ihrer Hochzeit liefen im entscheidenden Moment die Ramones (Baby, I love you). Dass sie die entsprechenden Fotos mit einem Grinsen von einem Ohr zum anderen zeigen, führte zu einer kurzen Krise. Mittlerweile hat sie ihr Hochzeitsbild aber ins Herz geschlossen, schließlich zeigt es, wie glücklich sie an diesem Tag war. Romantisch verträumte Augenaufschläge können gerne andere Paare für die Ewigkeit festhalten. Kennengelernt haben sich die beiden Grinsekatzen in einer Bar namens „Home sweet home“. Das führt uns zu Alexandras nächstem großen Talent: Ein goldenes Händchen für Einrichtung. Freunde drängen sie dazu, ihren guten Geschmack auf ihrem Blog „The street where I live“ für die Welt aufzubereiten. So ganz durchgerungen hat sie sich dazu aber noch nicht. Wir konnten ihr aber schon mal ein paar gute Tipps entlocken, wie auch wir mehr aus unseren vier Wänden herausholen können:
Seit wann lebst du in New York?
Ich bin vor 6 Jahren hierher gezogen, um Journalismus am Columbia Gorge College zu studieren. Und dann habe ich mich einfach in die Stadt verliebt. New York ist traditionell eine Stadt der Einwanderer. So hat die Geschichte angefangen. Wenn du nach Ellis Island gehst, stellst du fest, dass fast jeder zweite Amerikaner Vorfahren hat, die in dieser ehemaligen zentralen Sammelstelle für Immigranten registriert wurden. Das ist faszinierend! Es ist eine Stadt, deren DNA aus so sehr aus Ausländern besteht, wie keine andere.
Und woher bist du immigriert?
Ich komme aus Nottingham, England, kein besonders toller Ort. Ja klar, die Leute denken sofort an „Robin Hood“, der das Geld der Reichen an die Armen verteilte. Die Betonung liegt hier aber ganz klar auf den Armen. Ich meine, ich bin eigentlich stolz darauf, aus Nottingham zu sein, weil ich denke, es ist immer gut, wenn man einen weniger glanzvollen Background hat. Kids aus New York haben es zum Beispiel viel schwerer, eine Steigerung ihrer Heimatstadt zu erleben. Die tun mir total leid. Ich meine, ganz ehrlich, wo sollen sie denn von hier aus noch hin in ihrem Leben? Die können nur noch zu Hippies werden und als Aussteiger in irgendeiner Kommune leben, um mal was anderes zu machen…
Was machst du zurzeit?
Ich betreibe einen Blog names „The street where I live“. Da geht es um Lifestyle Themen und Portraits über Frauen auf der ganzen Welt, die über ihr Leben und ihre „Straße“, in der sie wohnen, erzählen. Dabei geht es mir darum, hervorzuheben, dass Frauen für ganz unterschiedliche Dinge eine Leidenschaft haben können. Von Nuklearphysik bis zu Lippenstift. Mir ist es wichtig, dass Frauen eben nicht nur entweder so oder so ticken. Du kannst auf der einen Seite einen Faible für teure Jeans haben, oder verrückt nach Einrichtung sein und trotzdem eine abgefahrene Ingeneurin. Wir können gleichzeitig hochintellektuell und unbedarft sein. Und ich finde, es ist ein gängiges Frauenbild, dass man eben entweder das clevere Nerd-Girl ist oder die umgängliche Lifestyle Tussi. Es fehlt an dem Verständnis, dass beides in einer Person existieren kann. Außerdem hat mein Mann gerade eine Galerie namens „ Lyles & King “ in der Lower Eastside eröffnet und ich helfe ihm dabei.
Du bist innerhalb New Yorks schon öfter umgezogen und jetzt wohnt ihr in Park Slope. Wieso?
Genau, zur Lower Eastside haben wir eine spezielle Verbindung, besonders zu Chinatown. Da haben wir nämlich gewohnt bevor wir nach Park Slope gezogen sind. Das war natürlich eine ganz andere Nummer. Dieser Ort war eine Favela! Ich würde jedem raten, der seine Einrichtungsskills optimieren möchte, zunächst einmal in einer Reihe schäbiger Apartments zu wohnen. Hätte ich das nicht getan, hätte ich nie gelernt so gut zu dekorieren. So ist es doch immer im Leben: Du lernst von deinen Einschränkungen. Und deine Grenzen können dich befreien. So lernst du nämlich, mit viel zu kleinem Wohnraum umzugehen, der kein Licht hat, keine Fenster, oder schlecht geschnittene Küchen. Du lernst ein simpleres, reduzierteres Leben zu führen. Das ist natürlich hart. Für mich übrigens auch. Ich neige dazu, Räume vollzustopfen, das entspricht meiner Natur. Daran musste ich hart arbeiten.
Hast du noch mehr Einrichtungsratschläge?
Mein erster, der immer funktioniert, egal ob schäbiges Loch oder Traumwohnung: Alle Wände weiß streichen und Bücher, sowie Pflanzen rein! Und wenn ich Weiß sage, dann meine ich Galerie-Weiß. Kein Off-Weiß, das sie dir immer andrehen wollen, „weil es ja mit allem geht“. Es verfärbt dein Licht und gibt einen abscheulichen Gelb-Stich. Eine weitere Leidenschaft von mir: Pure, weiße Schlafzimmer! Es ist ja immer so, dass die Leute „Wohnen in der Stadt“ mit Kompromissen und Übergangslösungen abtun. Es ist nicht genug Platz und man haust da eben so, weil man muss. Dabei braucht man doch gerade in einer Großstadt, ein zu Hause, wo man sich wohl fühlt und entspannen kann. Es sollte dein Schrein sein, in den du dich zurückziehen kannst, um all dem Stress zu entkommen. Und den sollte man immer wieder liebevoll in Stand halten. Das bedeutet auch, dass man stndig reduzieren muss. Immer wieder. Ich denke gar nicht mehr darüber nach, was ich noch brauche, sondern was ich rausschmeißen kann. Das ist mein Nummer Eins Tipp, an alle, die ihre Wohnung überarbeiten wollen: Schmeißt alles raus, zu dem ihr keine sentimentale Bindung habt! Es gibt ein Buch mit dem Titel „The life changing magic of tidying up“ (Magic Cleaning: Wie richtiges Aufräumen ihr Leben verändert) von Marie Kondo, die japanische Aufräum-Koriphäe schlechthin. Sie ist ein bisschen verrückt, aber ihre Methode T-Shirts zu falten, hat tatsächlich mein Leben verändert. Sie empfiehlt, durch die Wohnung zu gehen und alle Gegenstände anzufassen und sich dabei selbst zu fragen, was man in dem Moment spürt. Wenn das nicht viel ist, brauchst du es nicht. Schmeiß es raus. Und das kann durchaus der alte Schrank deiner Großmutter sein. Du brauchst ihn nicht. Dein Zu Hause sollte immer eine Art Spiegel deiner Psyche sein und muss sich deswegen auch stetig verändern, denn du veränderst dich auch. Ich finde, man kann manchmal mehr über eine Person sagen, wenn man sich 10 Minuten ihr Regal ansieht, als wenn man sich eine Stunde mit ihr unterhält. Einrichtung ist pure Reflexion.
Welche Rolle spielt Pinterest bei der Inspiration für Einrichtung?
Pinterest ist Segen und Fluch zugleich. Dort gibt es so viele Bilder, aber was man wissen muss, ist, was ein Bild auf Pinterest gut aussehen lässt. Da geht es ganz viel um Inszenierung und Gegebenheiten. Es ist ein bisschen so, als würde man sich Bilder von Cindy Crawford ansehen und denken, ohja, toll, so würde ich auch gerne aussehen. Die Frage ist: Kannst du das? Auf Pinterest siehst du zum Beispiel ein fantastisches navy-blaues Badezimmer, hast aber selbst eine winzige Nasszelle ohne Fenster, dann bringt dir das gar nichts. Dunkle Farben und Muster funktionieren dort nicht. Ohnehin: Pinterest führt doch nur dazu, damit sich Leute selber schlecht fühlen! Wenn du ein kleines Kind hast, das alles umherwirft, oder eine Katze, die ständig kotzt, dann muss deine Wohnung eben dafür designt sein und nicht nur auf Fotos schön aussehen. Auf unsere dunkle Couch haben sich zum Beispiel schon unzählige Rotweinflaschen ergossen und sie sieht immer noch toll aus! Viele von uns urbanen Einsiedlern leben ohnehin in Mietwohnungen und haben kein Budget für ausladende Umbauarbeiten. Man muss also mit dem Material arbeiten, das man hat. Als wir diese Wohnung hier übernommen haben, waren die Wände tatsächlich, und ich habe einfach kein anderes Wort dafür, kackbraun. Außerdem war das Licht total schlecht. Und Licht ist auch so eine Sache, womit man eine Menge beeinflussen kann. Wir brauchten wirklich eine gute Vorstellungskraft, um hier einzuziehen.
Welcher deiner Einrichtungsgegenstände erzählt die spannendste Geschichte?
Es gibt nichts in meiner Wohnung, wozu es keine Geschichte gibt. Diesen Elle Style Award hier im Regal habe ich zum Beispiel von Kelly Osbourne gestohlen. Ich war mit einer Freundin bei der Verleihung und wir haben uns alle ganz gut betrunken. Kelly hat ihren Award auf dem Tisch stehen lassen und da haben wir ihn mitbenommen. Am nächsten Tag stand in der Zeitung, dass Kelly Osbournes ihren Style Award verloren hat. Tja, das war ich. Kelly, wenn du das liest: Sorry!Und auf dem Teppich unter der Wihskeybar haben wir uns das Ja-Wort gegeben. Ich habe ihn für die Hochzeit gekauft. Wir sind nicht religiös aber ich mag Dinge mit Bedeutung. Ich wollte etwas, auf dem wir während der Zeremonie stehen, das uns vom Rest der Leute trennt. Wir haben in einer alten Pfeifenfabrik in Brooklyn geheiratet und da mussten wir etwas Atmosphäre schaffen.
Hat dein Freund auch etwas zu sagen, oder triffst du alle Einrichtungsentscheidungen?
Das mache ich. Am Anfang unserer Beziehung wollte ich ihn immer noch involvieren und habe ihn ständig nach seiner Meinung gefragt. Als dann nicht so viel zurückkam, war ich total angepisst. Eines Tages kam er dann zu mir und meinte: Ok, Babe, es ist so: Ich habe keine Ahnung von all dem. Sag einfach an und ich mache. Du bist das Kopf und ich bin der Besen. Und ich glaube, damit bin ich eigentlich ganz gut dran. Denn ich glaube wenn ich mit jemandem verheiratet wäre, der eine ausgesprochene Vorliebe für viktorianischen Einrichtungsstil hätte, würde die ganze Sache nicht besonders lange halten.
Alexandras Blog: thestreetwhereilive
Gemeinsam mit ihrem Mann betreibt sie die Galerie lylesandking
FOTOS: Katja Hentschel