Wer Abra kennt, kennt auch Tommy Genesis. Beide Girls gehören zu den neuen Sternen, die gerade aus dem Untergrund an den Rap-, Trap- und R ’n‘ B-Himmel schießen. Was sie verbindet: beide wurden vom DIY-Label Awful Records gesignt, ihre Musik entsteht in Eigenregie zu Hause und vor allem passen sie in kein übersexualisiertes Hip Hop-Klischee. Wir haben die gebürtige Kanadierin Tommy Genesis vor ihrem Konzert zum Interview getroffen und über Musik, Feminismus und Bondage-Phantasien im Kindergarten gesprochen.
FOTOS: JCS
Wie fühlt es sich an, von Dazed Digital zur „Underground Internet Rap Queen“ gekoren zu werden?
Das war sehr süß und ich bin rot geworden, als ich es gelesen habe. Ansonsten denke ich nicht viel über sowas nach.
Ist das Internet deine Heimat?
Es ist auf jeden Fall die Heimat meiner Musik. Hier lebt meine Kunst.
Und hier triffst du auch deine Fans?
Meine Fans bekommen viel aus meinem Leben online mit, aber viele Dinge behalte ich auch für mich.
Das ist bestimmt nicht leicht, Fans wollen am liebsten immer alles wissen.
Wenn ich etwas poste, dann sind das eher abstrahierte Gefühle, Gedichte oder Lyrics. Ich poste nicht das, was mir an dem Tag gerade passiert ist. So halte ich eine gewisse Distanz. Jetzt gerade ist es so cool, die ganzen Mädchen zu treffen, die meine Musik hören. Sie kommen in großen Gruppen zu meinen Konzerten, ich liebe meine Girls!
In einem Interview sagst du, dass du bereits als Kind besondere Antennen für Sexualität hattest. Wann hat das begonnen?
Meine Erinnerungen gehen bis in die Zeit im Kindergarten zurück. Ich hatte krasse Bondage-Phantasien. Die habe ich dann in der Grundschule gezeichnet. Ich war ein echt schwieriges Kind. Ich habe an Wände gemalt und viel Trouble gemacht. Ich wusste schon immer, dass ich anders bin. Ich war echt wütend als Kind. Es war nie etwas, was ich gern sein wollte – ich war einfach schon immer so.
Was haben deine Lehrer gemacht?
Es gab immer Stress. (Lacht)
Was macht dich wütend?
Es dauert lange, bis ich sauer werde. Ich bin in einem Zuhause groß geworden, in dem es viel Wut gab. Aber ich habe gelernt, mich der Situation zu entziehen. Es kann passieren, dass, wenn du mich sauer machst, ich einfach aus deinem Leben verschwinde. Mittlerweile werden Leute sauer auf mich, weil ich nicht sauer werde. Ansonsten werde ich wütend bei Ungerechtigkeit und wenn jemand meinen Freunde oder meiner Familie weh tut.
Wie ist es, in Kanada groß zu werden?
Es hat gute und schlechte Seiten: Ich war die einzige Nicht-Weiße in meiner Schule und dadurch isoliert. Aber diese Isolierung war eigentlich gut, denn so war ich viele allein und somit kreativ. Ich habe schon immer viel gemalt, Musik geschrieben und Klavier gespielt. Ich war nie an Partys interessiert. Ich bin sehr introvertiert.
Du hast sehr jung angefangen, Musik zu machen.
Mit 12 Jahren hatte ich meine erste Band mit zwei anderen Mädchen. Wir hießen „God’s Girls“.
Wann hast du begonnen, Trap zu machen?
Mein erstes Album habe ich letztes Jahr im Juni gemacht.
Sagst du von dir selbst, dass du Feministin bist?
Das Wort „Feminismus“ benutze ich nie. Man kann sich durch so ein Label zwar einer Gruppe zuordnet, aber das heißt noch lange nicht, dass man sich auch wirklich so verhält und andere entsprechend behandelt. Wenn ich zum Beispiel sage, dass ich Christin bin, heißt das noch lange nicht, dass ich auch eine bessere Person bin.
Du meinst, Feminismus ist erstmal nur ein Wort.
Mir geht es um etwas anderes: Man weiß nie, was ein Mensch durchgemacht hat. Gerade Mädchen haben so viele Unsicherheiten und gehen durch so viele Tiefs in ihrem Leben. In den USA und Kanada wird das besonders durch die Massenmedien verstärkt: Mädchen müssen hübsch und smart sein. Es geht immer nur darum, den Männern zu gefallen. Ich denke, was wirklich zählt, ist, dass Mädchen Mitgefühl für einander haben. In Situationen, in denen ich mich von der Gesellschaft aufgrund der Tatsache, dass ich ein Mädchen bin, unterdrückt gefühlt habe, waren es immer Mädchen, die mir durch diese Phase durchgeholfen haben. Das Wichtigste ist also, dass du deine Freundinnen gut behandelst.
Es geht um Respekt und Akzeptanz.
Es geht um die kleinen Dinge, die wir Girls tagtäglich für einander tun können. Es geht um Zusammenhalt.
Welche Frauen bewunderst du?
Ich bewundere meine Freundinnen. Und Grimes – sie macht alles selbst und hat die besten Live Shows. Mit einem Fuß steht sie im Mainstream, mit dem anderen im Underground. Ich versuche aber, mich nicht mit anderen Mädchen zu vergleichen. Stattdessen blicke ich zu Menschen hoch, die mich mit Respekt behandeln.
Danke an das Übel und Gefährlich für das tolle Konzert!
Weitere Statements zu ihrer Kindheit, ihrem Stil und zur Genderdebatte findet ihr unter femtastics.com
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