Proud: Diese 5 New Yorker*innen leben ihr eigenes Spektrum

Männlich oder weiblich? Die Aufteilung in nur zwei Geschlechter wird der Menschheit nicht gerecht. New York geht schon mal vor und hat bereits 2016 offiziell 31 Geschlechter anerkannt. Wir haben fünf New Yorker getroffen, die beweisen, wie vielfältig wir sind.

Desmond Napoles

Instagram: @desmondisamazing
Alter: 10 Jahre, Gender: Drag Kid, Pronomen: er/ihm, Beruf: Schüler, Vogue-Tänzer, Gründer des ersten Drag House für Kinder und Jugendliche (Haus of Amazing), Mitglied des House of UltraOmni
 

Ab wann war für dich klar, dass du ein Drag Kid sein möchtest?
Als ich die erste Episode von „RuPaul’s Drag Race“ geguckt habe, wusste ich, dass ich das unbedingt auch machen will. Danach habe ich die Handtücher und Heels meiner Mutter geholt und damit ein Outfit zusammengestellt – Windeln-Couture sozusagen. Ich war zwei Jahre alt.

Wie haben deine Eltern darauf reagiert?
Meine Mutter und mein Vater sind glücklich, wenn ich das mache, was ich liebe. Sie unterstützen mich dabei.

Wie reagiert dein Umfeld darauf, wenn du deine Gender-Identität nach außen trägst?
Viele Kinder in der Schule reden schlecht über mich und auch im Internet bekomme ich viele Hasskommentare. Aber das interessiert mich nicht.

Du bist LGBTQ-Aktivist, weil…
… ich der Welt zeigen möchte, dass sich auch Kinder aktiv für etwas einsetzen können. Ich finde es gut, eine Inspiration für andere Menschen zu sein.

Wie wünschst du dir die Gesellschaft in Bezug auf Gender-Diversität in zehn Jahren?
Die Welt wird Drag Kids ganz selbstverständlich akzeptieren und es wird völlig normal für die Menschen sein, sich ihr Gender selbst auszusuchen.

Dominique Castelano

Instagram: @domcastelano
Alter: 26 Jahre, Gender: trans* Frau, Pronomen: sie/ihr, Beruf: Model, Schauspielerin

Was bedeutet es für dich, eine trans* Frau zu sein?
Für mich gab es in meiner Vorstellung nie ein Leben als Mann. Ich identifiziere mich als Frau und so möchte ich auch von außen wahrgenommen werden. Jeder andere Weg wäre eine Lüge gewesen.

Wie haben deine Eltern auf dein Outing als trans* Frau reagiert?
Ich bin auf den Philippinen aufgewachsen. Die meisten Menschen dort sind Katholiken und sehr gläubig. Ich werde von der katholischen Kirche als Sünde angesehen, meine Eltern und auch alle anderen Leute in meinem Umfeld waren also nicht begeistert von meiner Identität. Später dann, als ich das College abgeschlossen habe und mit der Schauspielerei, dem Modeln und meiner Arbeit als LGBTQ-Aktivistin begann, konnten meine Eltern sehen, dass ich mein Leben als Frau selbstständig führen kann, sie wurden entspannter und lernten zusammen mit mir das Geschlechterspektrum kennen.

Was gefällt dir an deinem Körper am meisten?
Meine Haare. Ich war auf einer katholischen Schule und unsere Haare durften nicht länger als acht Zentimeter hinten und fünf Zentimeter an den Seiten sein. Lange Haare, die im Wind wehen, sind für mich der Inbegriff meiner Weiblichkeit. Jetzt die Freiheit zu haben, meine Haare lang wachsen zu lassen, ist das Größte für mich.

Du bist LGBTQ-Aktivistin, weil…
Ich möchte das Schönheitsideal erweitern, insbesondere in Bezug auf trans* Frauen. Wo ich aufgewachsen bin, war es ein Tabu, Transgender zu sein. Sie assoziieren damit Prostitution und HIV. Man ist ein Bürger zweiter Klasse. Darum möchte ich meine Geschichte erzählen, um den Blick der Gesellschaft auf trans* Menschen zu verändern. Maya Angelou hat gesagt: „Ich komme allein, aber ich stehe für Zehntausende.“ Ich spüre, dass sich viele trans* Frauen und Männer so fühlen wie ich. Wenn ich nach außen trete, kann ich sie stärken.

Devin-Norelle

Instagram: @steroidbeyonce
Alter: 29 Jahre, Gender: androgyn, Pronomen: ze/zie (he/she) und zim (him/her), auf Deutsch hier (er/sie) und xies (ihm/ihr), Beruf: Editorial Assistant bei „Teen Vogue“

Was bedeutet es für dich, androgyn zu sein?
Ich fühle mich weiblich und männlich. Dann fühle ich mich männlicher als weiblicher und vice versa. Manchmal fühle ich mich weder noch.

Seit wann fühlst du dich androgyn?
Schon als Kind habe ich gemerkt, dass mein biologisches Geschlecht „Mädchen“ nicht zu mir passt. Als ich dann mit der Umwandlung begann, habe ich mich als Mann vorgestellt. Das hat sich aber auch nicht gut angefühlt. Ich bin auf „non-binary“, „androgyn“, „gender fluid“ gestoßen. Noch vor vier Jahren fehlte mir diese Sprache.

Wie haben deine Eltern auf dein Bedürfnis, androgyn zu sein, reagiert?
Ich bin mit meiner Mutter aufgewachsen. Mit 14 Jahren sagte ich ihr, dass ich homosexuell bin. Es gab Auseinandersetzungen, die schlimmer wurden, als ich mein Coming-out als trans* Person hatte. Heute geht es. Manchmal bekomme ich sie dazu, die richtigen Pronomen zu benutzen.

Was gefällt dir an deinem Körper am meisten?
Meine Haare. Früher wurden sie mir relaxt, seit 2016 trage ich sie ganz natürlich und liebe es. Als ich anfing, Testosteron zu nehmen, habe ich Geheimratsecken bekommen.

Tommy Blackwell

Instagram: @tommy.playboy
Alter: 19 Jahre, Gender: non-binary, Pronomen: er/ihm/they (sie), Beruf: Tänzer, Model

Was bedeutet es für dich, non-binary zu sein?
Ich habe kein Gender. Ich habe das Bedürfnis, mich selbst zu entfalten. Ständig werde ich gefragt, ob ich ein Mann oder eine Frau sein möchte. Ich habe maskuline Merkmale, aber auch feminine. Wer sagt, dass ich nicht beides haben kann? Du kannst über den Körper, mit dem du geboren wurdest, hinaus entscheiden. Du kannst ihn so kreieren, wie du ihn gerne haben möchtest.

Wie haben deine Eltern auf deine Identität reagiert?
Mein Vater hat mich schon unzählige Male Schwuchtel genannt. Er ist nicht stolz darauf, wer ich bin. Aber ich bin stolz auf mich. Er muss mich nicht lieben. Ich liebe mich selbst. Selbstliebe ist die beste Liebe. Manchmal verlierst du deine Familie in diesem Kampf, aber verliere nie dich selbst.

Du bist LGBTQ-Aktivist*in, weil…
… es jedem selbst überlassen werden sollte, mit welchem Gender er oder siie sich identifiziert. Das geht niemanden etwas an. Nur du weißt, wie du auf diese Welt gekommen bist und welche Veränderungen du vor­neh­men möchtest. Man muss definitiv daran arbeiten, dass die Gesellschaft das kapiert. Als LGBTQ-Person muss man sich selbst opfern, um diesen Punkt zu machen. Vielleicht wird man dabei manchmal verletzt, aber wenigstens hat man sich dafür eingesetzt, etwas zu verändern.

Kabrina `Moonbear´ Adams

Instagram: @moonbeardiedhere
Youtube-Channel: Moonbeardiedhere
Alter: 24 Jahre, Gender: Frau, Pronomen: sie/ihr, Beruf: DJane, Model, Vlogger, Mitglied bei @theskatekitchen

Was bedeutet es für dich, eine Frau zu sein?
Dass wir immer noch für unsere Rechte kämpfen müssen. Warum muss ich beispielsweise als Frau meine Brüste verstecken und als Mann ist es kein Problem, oben ohne durch die Straßen zu gehen? In New York ist es seit 1992 zwar legal, als Frau oben ohne in der Öffentlichkeit zu sein, aber die Brüste der Frau werden in der Gesellschaft immer noch extrem sexualisiert. Ich kämpfe dagegen an, bin in Manhattan oft ohne Shirt unterwegs, wenn auch mit Nippel-Stickern. Daher stehe ich eher für „Free My Boobs“ als für „Free the Nipple“, finde aber beides wichtig.

Wie reagieren die Leute, wenn sie dich oben ohne auf der Straße sehen?
Sie trauen ihren Augen kaum. Einige versuchen, mich anzufassen – nicht die Brüste, aber meine Arme, um meine Aufmerksamkeit zu bekommen. Andere fragen mich, ob ich dafür nicht festgenommen werden könne.

Du bist LGBTQ-Aktivistin, weil…
Ich bin nicht auf die übliche Weise aktiv, weil ich Dingen keinen Stempel gebe. Menschen, die aktiver sind als ich, müssen erst mal definieren, was richtig und was falsch ist, um dann für das Richtige zu kämpfen. Ich habe keine Angst vor der Community. Ich bin bi oder pansexuell und liebe auch Frauen. Ich laufe seit Jahren bei der Pride mit, aber der Kampf hat sich für mich noch nicht so klar definiert, dass ich mich genug engagiere.

Was gefällt dir an deinem Körper am meisten?
Es gibt nichts, was ich am meisten mag. Ich bekomme noch nicht mal gerne Komplimente.

Was gefällt dir an deinem Körper am wenigsten?
Meine Zehen. Sie sind durch das Skateboard-Fahren so dick geworden.

Fotos: Marlen Stahlhut
Produktion: Anna Baur

Dieser Beitrag ist ursprünglich in unserer Ausgabe #44 und am 15. Februar 2019 online erschienen. Es wurden Änderungen vorgenommen. 

Tags from the story
, , , ,
Written By
Mehr von Anna Baur

Heartxwork: Eine Plattform, die Migrationshintergründe anders thematisiert

Zwischen den Kulturen gibt’s mehr als Rassismuserfahrungen und Identitätsfragen. Warum das Projekt...
Read More