Heartxwork: Eine Plattform, die Migrationshintergründe anders thematisiert

Zwischen den Kulturen gibt’s mehr als Rassismuserfahrungen und Identitätsfragen. Warum das Projekt Heartxwork.com jede Woche für neuen Gesprächsstoff sorgt. Und wir zuhören sollten!

Bilder: Joanna Legid

Wenn ich gefragt werde, woher ich komme, und wahrheitsgetreu ant­wor­te: „Aus einem Dorf in der Nähe von Stuttgart“, folgt meist die Frage: „Wo­her kommst du wirklich?“, aber nie die Frage: „Weißt du, was ,Kar­tof­fel‘ auf Schwäbisch heißt?“ Das liegt daran, dass mein Vater Nigerianer ist und mein Aussehen nicht mit Deutschsein und erst recht nicht mit Schwä­bisch­sein assoziiert wird. Wie geht dieser Small Talk, der sich in meinem Alltag wie eine kaputte Platte ständig wiederholt, häufig weiter? Entweder wechsle ich das Thema oder ich beende die Unterhaltung. Weil ich in den meisten Fällen keine Lust darauf habe, einer Person, die ich gerade erst ken­nen­gelernt habe, als Antwort auf die zweite Frage meine Familienverhältnisse preiszugeben. Die Person ist dann oftmals irritiert von der plötzlichen Wendung des Gesprächs.

Diese Situation ist ein Paradebeispiel und einer der Gründe dafür, warum Joanna C. Schröder und ich uns entschieden haben, heartxwork zu gründen. Eine Plattform, die Geschichten von Menschen mit Migrations­hin­ter­grund erzählt. Rund ein Viertel der in Deutschland lebenden Menschen haben einen Migrationshintergrund. Tendenz steigend. Wie kann die Kommunikation zwischen Menschen mit unterschiedlichen kulturellen und nationalen Identitäten funktionieren, ohne dass sich jemand vor den Kopf gestoßen fühlt oder in Stereotypen stecken bleibt?

Persönliche Geschichten schaffen ein Bewusstsein dafür, dass man nicht unbedingt den Springerstiefel im Gesicht spüren muss, um sich ausgegrenzt zu fühlen. Persönliche Geschichten vermitteln mehr, dass Klischees nie das vollständige Bild einer Person wiedergeben. Auf heartxwork erzählt die deutsch-kurdische Rapperin Ebow: „Ich schreibe Love-Songs über queere Liebe, weil ich finde, dass es davon zu wenig gibt. Auch ich habe lange versucht zu verheimlichen, dass es in meinen Songs um Girls geht, weil ich Angst vor Ausgrenzung hatte. Ich habe immer alles so umgeschrieben, dass die Lyrics am Ende an einen Typen gerichtet waren.“ Die Geschichte der 23-jährigen Kunststudentin Whitney dreht sich um die Kraft des gebrochenen Herzens. Sie ist die Tochter kongolesischer Eltern. Ihr Exfreund ist weißer Deutscher, der rassistische Themen entweder kleingeredet oder persönlich genommen hat. Whitney berichtet, dass sie erst durch die Beziehung realisiert habe, dass sie schwarz sei, und was das für sie bedeute. „Die schmerzhafte Trennung von ihm hat mich befreit, meine Magic aus mir herausgeholt, mir gezeigt, was ich wirklich brauche in meinem Leben.“ Die türkische Fotografin Eylül Aslan, die vor einigen Jahren von Istanbul nach Berlin gezogen ist und mittlerweile in Wien wohnt, teilt mit uns ihre innere Ambivalenz, seit sie Mutter ist. „Ein Teil von mir möchte die ganze Zeit mit dem Baby zusammen sein, sich kümmern. Aber zur gleichen Zeit sagt mir mein Innerstes, dass ich ausgehen möchte. Und Alkohol trinken. Und tanzen.“

Die Beispiele zeigen, dass sich Menschen mit und ohne Migrationshintergrund mit den Geschichten identifizieren können. Themen wie Coming-out, Mutterschaft oder Liebeskummer kennen keine Landesgrenzen. Interessant und wichtig finden wir, dass die Tatsache, dass die Geschichten von Menschen mit Migrationshintergrund erzählt werden, eine zweite Ebene öffnet, die Identitätssuche und Ausgrenzungserfahrungen spürbar machen. Wir wollen viele Geschichten aus unterschiedlichen Perspektiven erzählen. Denn die Vielfalt führt mit großer Wahrscheinlichkeit zu mehr Schnittstellen, mehr Gemeinsamkeiten, mehr Verständnis füreinander. Und übrigens: „Kartoffel“ auf Schwäbisch heißt „Grombira“.

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