Die Olympischen Spiele 2021 bringen viele Schlagzeilen. Das liegt auch daran, dass viele Themen hier zum ersten Mal die große Bühne finden. Mentale Gesundheit, erste Medaillen, mehr queere Athlet*innen und neue Generationen gehören dazu. Was noch?
2021 ist ein, diplomatisch gesagt, „ereignisreiches” Jahr für den Sport. Damit ist aber nicht nur gemeint, welche Events trotz der Pandemie stattfinden, sondern vor allem, in welchem Kontext sie stattfinden. Die Olympischen Spiele 2021 sind da keine Ausnahme. Schon im Vorfeld sorgte das verschobene Event in Tokio für Schlagzeilen, und das ganz ohne Pandemie-Kontext. Einige davon waren negativ. Es ging um Verbote von Trainingskleidung, Ausschlüsse von Sportler*innen, um Rassismus. Allein schon ausgehend von diesen Schlagworten ausgehend ließe sich schlussfolgern, dass auch im Hochleistungssport gerade Themen ausgefochten werden, die seine Welt nachhaltig verändern könnten. Diese Entwicklungen sind aber nicht immer Teil von negativen Kontroversen. Vieles passiert bei diesen olympischen Spielen zum allerersten Mal: Es geht um neue Disziplinen, aber auch um neue Generationen, um Sexualisierung, queere Teilnehmer*innen und um mentale Gesundheit. Besonders im Fokus stehen bei diesen Themen nicht-männliche Kandidat*innen. Welche „ersten Male” sie allein schon in der ersten Olympia-Woche abhaken, haben wir hier zusammengefasst.
Skateboarding wird offiziell – und zwei 13-Jährige Skaterinnen holen Gold & Silber
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Momiji Nishiya, Rayssa Leal. Mindestens diese zwei Namen sollte Mensch sich merken, denn zu ihnen gehören gleich mehrere „erste Male” dieser olympischen Sommerspiele. Zuerst einmal zählt ihre Sportart Skateboarding in diesem Jahr ja zum ersten Mal überhaupt zu den Wettbewerbsdiziplinen. Darüber hinaus haben Nishiya und Leal aber weitere Maßstäbe gesetzt. Beide sind gerade mal 13 Jahre alt und gehören damit zu den jüngsten Olympionik*innen der Geschichte. Trotzdem zählt Skateboarding schon lange zu beider Leidenschaften. Die Brasilianerin Leal, die gleichzeitig auch jüngste Olympionikin Brasiliens ist, wurde schon als Kleinkind mit viralen Skate-Videos bekannt. In Tokio holte sie in dieser Woche die Silbermedaille in Women’s Street Skateboarding. Einen Schritt weiter auf dem Siegertreppchen schaffte es die Japanerin Nishiya, die ebenfalls Japans jüngste Teilnehmerin der Spiele ist. Der Fokus auf junge Skater*innen scheint übrigens der Disziplin innezuwohnen – die Hälfte aller Teilnehmer*innen ist jünger als 18 und auch die Drittplatzierte, Funa Nakayama, ist erst 16 Jahre alt. „Skateboarding macht Spaß und ist interessant. Ich hoffe, alle können es mal ausprobieren”, kommentierte Gold-Gewinnerin Nishiya ihren Sieg gegenüber dem Magazin TIME. Take it from the young!
Smith, Quinn, Hubbard: In diesem Jahr treten offen trans* und nicht-binären Athlet*innen an
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Neben den historisch jungen Platzierungen von Nishiya und Leal ist es beim Skateboarding aber noch nicht getan mit den ersten Malen. Mit Alana Smith nimmt hier auch eine*r der ersten offen nicht-binären Athlet*innen an den olympischen Spielen teil. Smiths ist ebenfalls in der Disziplin Women’s Street Skateboarding dabei – und der Titel der Disziplin vielleicht schon Grund dafür, dass Smith in der Berichterstattung mehrfach misgendered wurde? Ein solcher Fall ist jedenfalls auch Zeugnis für den aktuellen Umgang mit nicht-binären und trans* Menschen unter den mehr als 160 LGBTQIA+ Athlet*innen der olympischen Spiele 2021.
Laut NBC News ist es trans* Athlet*innen seit 2004 gestattet, teilzunehmen. Besonders für trans* Frauen gibt es aktuell aber bestimmte Regeln für dies Teilnahme. So müssten Athlet*innen 12 Monate vor ihrer Teilnahme niedrige Testosteronwerte nachweisen und können sich im Falle einer Transition erst vier Jahre später qualifizieren. 2021 haben sich nun Athlet*innen für die Finals qualifiziert, die auch offen zu ihrer Identität oder Transition stehen – neben weiteren, die zwar trans* sind, aber nicht öffentlich darüber sprechen. Zu denen, die es tun, gehören auch Quinn und Laurel Hubbard. Quinn spielt im kanadischen Women’s Soccer Team, ist trans* und nicht-binär und nutzt die Pronomen „they/them”. Die trans* Sportlerin Laurel Hubbard tritt im Gewichtheben für Neuseeland an. Außerdem reiste mit Chelsea Wolfe eine trans* Athletin im Reservekader der US-amerikanischen Freestyler nach Tokio.
Ricarda Funk holt die erste Goldmedaille für den deutschen Kader – und ihren Heimatort
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Hinter der ersten Goldmedaille für Deutschland stecken in diesem Jahr emotionale Geschichten. Für die Slalom-Kanutin Ricarda Funk ist ihr Gewinn der Höhepunkt ihrer bisherigen Karriere, für den deutschen Kader die erste Medaille der olympischen Spiele 2021. Funk gewann im sogenannten 25-Stangen-Parcour unter anderem gegen Konkurrentinnen aus Spanien und Australien. Aber nicht nur für ihre persönliche Karriere war dieser Sieg einer, den die Sportlerin nicht so schnell vergessen wird. Nachdem sie sich fünf Jahre lang auf die Teilnahme vorbereitet hatte, wurde Funkes Heimat Ahrweiler wenige Tage vor Wettkampfantritt von den Überflutungskatastrophen in Deutschland erfasst. Nachdem Funk dann (paradoxerweise) ausgerechnet im Wildwasserkanal ihre Medaille gewann, gedachte sie in ihren Statements zum Sieg deshalb häufig den Betroffenen. Und aus noch einem Grund ist diese Medaille eine Besondere: Nachdem Ricarda Funk 2016 die Qualifikation für die olympischen Spiele in Rio de Janeiro verpasste, verstarb der deutsche Frauen-Kanu-Trainer Henze bei einem Autounfall. Da er für sie eine besondere Mentoren-Bedeutung hatte, gedachte Funk auch ihm in ihren Worten zum Sieg.
Gegen Sexualisierung: Bodysuits statt knapper Anzüge für deutsches Gymnastikteam
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Wo an einer Stelle die erste Medaille der deutschen Teams notiert wird, sorgen sie am anderen Ende mit vermeintlichen Oberflächlichkeiten für Schlagzeilen. Vermeintlich aber nur deshalb, weil diese „Oberflächlichkeiten” vielmehr eine Haltung vermitteln, die die Sexualisierung von Sportarten in den Fokus nimmt. Was ist passiert? Die deutschen Turnerinnen entschieden sich erstmals im Rahmen der olympischen Spiele dafür, statt der bisherigen Sportanzüge mit Bikini-Silhouette lieber Ganzkörper-Suits zu tragen. Darüber berichten nun auch internationale Lifestyle-Medien wie TeenVogue. Mit der Entscheidung wolle sich das Team ästhetisch präsentieren, ohne sich unwohl zu fühlen – und andere Athlet*innen inspirieren. „Wir wollten sichergehen, dass sich alle wohlfühlen und allen zeigen, dass sie tragen können was immer sie wollen und sich dabei super fühlen und aussehen können”, sagte Turnerin Sarah Voss gegenüber Reuters.Die Entscheidung sei maßgeblich von den Turnerinnen selbst beeinflusst, aber dennoch kein in Stein gemeißelter Grundsatz, heißt es weiter. Ab jetzt würden sich die Athletinnen vielmehr auf individueller und täglicher Basis entscheiden, in welchem Look sie sich wohler beim Wettkampf fühlen. Laut Reuters gab es innerhalb der letzten Jahre immer mehr Fälle von körperlichem oder sexuellem Missbrauch im Turnen.
Simone Biles & Naomi Osaka: Fokus auf mentale Gesundheit
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Vielleicht kein erstes Mal im Elite-Sport, aber definitiv ein prägnanter Punkt der diesjährigen Spiele sind die Entscheidungen von Naomi Osaka und Simone Biles. Beide sind sie gefeierte Athletinnen, die in ihrem Feld zu den Allerbesten zählen. Beide sind aber auch Sportlerinnen, die sich offen zu ihrer mentalen Gesundheit bekennen. Ein deutlicher Moment in der Geschichte der Spiele, denn: Ihre Bekenntnisse sind vermutlich auch immer ein Spiegel des Drucks im (olympischen) Sport. Naomi Osaka hatte schon im Vorfeld der Spiele offen über ihre Depressionen gesprochen und bekanntgegeben, aus Rücksicht auf ihre mentale Gesundheit an keinen Pressekonferenzen und Interviews der French Open teilnehmen zu wollen. Nachdem sie nun überraschend ausschied sprach Naomi Osaka – seit sie wieder vor die Presse tritt – direkt erneut die mentale Last des Wettkampfs an. „Ich habe definitiv das Gefühl, dass hierauf sehr großer Druck lastete”, sagte die Sportlerin. „Vielleicht liegt es daran, dass ich noch nie zuvor bei den olympischen Spielen gespielt habe und es im ersten Jahr ein bisschen viel war.“
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Simone Biles, zum Teil als beste Turnerin überhaupt betitelt, ging einen Schritt weiter und zog sich in dieser Woche aus immer mehr Teilen des Wettbewerbs zurück. Nachdem sie Dienstagabend nach nur einem Gerät ausgeschieden war, hieß es, ihre Psyche benötige gerade mehr Aufmerksamkeit. „Ich sage, die mentale Gesundheit steht an erster Stelle”, sagte Biles laut stern. „Daher ist es manchmal in Ordnung, die großen Wettbewerbe sogar auszusitzen, um sich auf sich selbst zu konzentrieren. Es zeigt, wie stark du als Wettkämpfer*in und Person wirklich bist anstatt sich einfach durchzukämpfen”. Biles und Osaka sind damit nicht die ersten Sportler*innen, die ihre psychische Verfassung öffentlich thematisieren, aber mitunter gerade die Prominentesten. Sie regen ein Gespräch darüber an, wie der Rückzug aus Leistungssport oder die Priorisierung mentaler Gesundheit in Zukunft Platz haben. Und zwar auf der großen wie kleinen Sportbühne. Dieser Beitrag fasst dazu gut zusammen, wie Osaka und Biles damit eine „neue Ära“ im Sport einläuten könnten.