Der weltweite Klimastreik holt nicht jeden Skeptiker vom Bürostuhl und Debatten um Empathie und Engagement kochen erneut hoch. Dabei hält unsere Autorin soziales Engagement für genau die Lovestory, die die Welt braucht.
Text: Carina Parke // Illustrationen: Tara Booth.
Kriege in fernen Ländern, Verfolgung von Minderheiten, Flüchtlingsströme, Unterdrückung von Homosexuellen, Rassismus, Hungersnot, Armut, Arbeitslosigkeit, schlechte Bildungssysteme, Wassermangel, Tierexperimente, Klimawandel – schlechte Nachrichten fliegen uns aktuell um die Ohren wie ein Schusswechsel. Man möchte am liebsten gleich wieder ausschalten. Weggucken. Doch für das wahre Leben gibt es nun einmal keinen Pause-Knopf, keine Zurückspulen-Funktion, keine Turn-off-Taste. Schreckensmeldungen sind längst Realität. Und da sitzt man nun im kuscheligen warmen Zuhause, während eisige Zeiten auf uns zukommen…
Dabei ist soziales Engagement genau die Lovestory, die unsere Welt braucht. Das Happy End, das erst der Anfang ist. Es ist Empathie-Lernen leicht gemacht. Wir leisten unseren gesellschaftlichen Beitrag, können etwas verändern, arbeiten mit anderen Menschen gemeinsam für eine gute Sache, lernen von ihnen, färben positiv auf das eigene Umfeld ab. Und mitten im Miteinander finden wir endlich wieder zueinander. Hallo Nächstenliebe!
Soziales Engagement ist genau die Lovestory, die unsere Welt braucht
Es ist kein Phänomen, dass sich viele besonders im Herbst und Winter mit ihrem Umfeld auseinandersetzen, das Unschöne erkennen, vermehrt Geld oder warme Klamotten spenden. Wenn wir es uns drinnen gemütlich machen, sieht die Welt draußen oft anders aus. Wer diese Erkenntnis ignoriert, ist schon längst zum Eisklotz geworden. Aufgetaut wird nur in Aktion, also raus aus der eigenen kleinen Bubble und rein ins Ehrenamt. Die anderen werden das schon wuppen, gilt nicht mehr. Denn wer einen Stein ins Rollen bringen will, muss ihn schon selbst anstoßen.
Victoria van Violence hat das bereits getan. Die Influencerin, der 180k Menschen folgen, die ihre Haare pechschwarz trägt und Tattoos auf dem ganzen Körper zieren, hat sich einen Namen als Aktivistin gemacht. Sie ist vor allem für den Tierschutz tätig, führte bereits Befreiungen durch, rettete Straßenhunde, setzt sich zudem gegen die Stigmatisierung von Depressionen und für die Gleichberechtigung von Frauen ein. Sie ist eine der rund 31 Millionen Menschen in Deutschland, die in ihrer Freizeit ehrenamtlich beschäftigt sind. „Eigentlich hatte ich schon immer einen sehr ausgeprägten Gerechtigkeitssinn“, erklärt sie. „Ich war schon mit 13 Jahren auf Anti-Nazi-Demos oder habe in der Schule Vorträge zu gleichgeschlechtlicher Liebe gehalten. Wir alle tragen eine Verantwortung für uns, aber auch für unsere Umwelt. Wenn jeder einen kleinen Beitrag leistet, wird die Welt eine bessere.“
Doch welche Motive stecken wirklich hinter sozialem Engagement? Lösen wir uns gänzlich vom Eigeninteresse, wollen wir die Welt verbessern, um uns gut zu fühlen – oder alles zusammen? Handeln wir selbstlos oder egoistisch? Nun ja, das mit dem Ego ist eben so eine Sache. Es ist wie mit schlechten Nachrichten: Man kann sie kurzzeitig ausblenden, verschwinden werden sie dadurch jedoch nicht.
Wer einen Stein ins Rollen bringen will, muss ihn schon selbst anstossen.
Ein Mensch kann nie komplett unabhängig von seinem Ego handeln – auch wenn ihm das gar nicht bewusst sein mag. Schon ein Lächeln, ein Dankeschön, ein kleiner Erfolg oder eine positive Veränderung aufgrund einer guten Tat fördern das eigene Wohlbefinden, ebenso wie der reine Gedanke an das Charity-Handeln. Die Erweiterung des Horizonts, das Gefühl von Zusammengehörigkeit in Organisationen oder Vereinen, Abenteuer, lehrreiche Erfahrungen, neues Wissen sowie Perspektiven, soziale Eingebundenheit, Sinnfindung, Selbstverwirklichung und gesellschaftliche Anerkennung gibt es obendrauf. Und dann wären da noch die ganz persönlichen Werte, die mit der Eigeninitiative verfolgt und ausgelebt werden. All das sind die netten Nebeneffekte, die mit dem Engagement kommen.
Beim Spendenmarathon, Protest oder Suppenausschank werden heute gerne mal die Handys gezückt. So ein Post ist Gold wert – wenn man nach Likes als Währung geht. Der Gewinn lautet Aufmerksamkeit. Und die gibt es sowohl für die Thematik an sich als auch für die Person, die diese veröffentlicht hat. Laut statista.com liegt die Zahl der Nutzer sozialer Netzwerke weltweit bei 2,28 Milliarden, allein in Deutschland sind es 89 Prozent der 16- bis 24-Jährigen, die Profile in diversen Plattformen haben. Und genau diese Zielgruppe gilt es anzusprechen, da sie sich durchschnittlich weniger engagiert als Menschen ab 35 Jahren. An einigen von ihnen wird so ein Charity-Aufruf allerdings einfach vorbeigehen – vielleicht weil der Post nichts mit Fashion, Beauty und Fitness zu tun hat. Oder weil er nicht authentisch wirkt. Wer sonst nur auf Oberflächliches setzt und nun mit Weltschmerz punkten will, kommt eben nicht bei jedem an. Trotzdem werden Emotionen ausgelöst – und auch negative führen zu Aufmerksamkeit. #changetheworld in der Timeline setzt sich von anderen Inhalten ab, sticht heraus. Hier wird nicht die schöne Instagram-Welt präsentiert. Stattdessen werden ungefiltert Missstände aufgezeigt, die mit dem perfekten Feed nichts zu tun haben. Und da treffen sie nun auf Menschen, die nur darauf gewartet haben, endlich Motivation oder einen Ideenanstoß zu finden. Andere fühlen sich gar ertappt, weil sie schon viel zu lange weggeschaut und hingenommen haben. Mit diesen Sympathisanten, und seien es nur wenige, schafft es der Post zur Bereicherung in Sachen Engagement.
Sicherlich war das auch ein Grund, warum Gigi Hadid bei Instagram auf ein von ihr unterstütztes Schulprojekt in Guatemala und Laos aufmerksam machte – wo sie sonst doch lieber ihre langen Beine, neuen Outfits und Cover vorführt. Einige kauften der Blondine den Tatendrang nicht ab, betitelten ihn als „Fake-Sorge“, andere lobten sie für so viel Einsatz, veröffentlichten Herzen und Lobeshymnen. Wut trifft auf Empathie. Geht man nach diesem Beispiel, überwiegt Letztere, die aus dem Topmodel eine engagierte Bürgerin macht. Eine, die nicht vor lauter Ruhm keine Realität mehr sieht. Das könnte man Image-Arbeit nennen, die bestenfalls bei der Mehrheit ankommt und andere zum Einsatz motiviert. Während sich also einige User mit Wohltätigkeitsarbeit auf ihren Profilen profilieren, wird die gute Tat dank „Gefällt mir“-Button zum Selbstdarstellungs-Tool. Sinn verfehlt? Im Gegenteil! Die Motive sind doch irrelevant. Was zählt, ist das Machen, die Auswirkung. Sei es die Vorstellung von sich als Gutmensch oder ein gar altruistisches Handeln – wer etwas bewegen kann, darf diese Chance nicht verpassen.
Eigeninitiative ist nur einen Klick entfernt
Auch Victoria hat mit dem Internet ein wichtiges Sprachrohr gefunden. Dort klärt sie auf und füttert ihre Community mit Informationen rund um ihr Aktivisten-Dasein. „In den sozialen Netzwerken ist so viel Nonsense, dass ein bisschen Inhalt nicht schadet. Und man kann über diese Medien viel mehr Menschen mit wichtigen Themen erreichen als analog“, stellt sie klar. Und hey, zwischen Selfies, Food Porn und OOTDs werden doch wohl auch Nicht-Aktivisten genug Platz für #sozialesengagement haben. Wer seine Follower online erreicht, kann schließlich einen Einfluss auf das Leben offline haben.
Es gibt also keine Ausreden mehr! Die Eigeninitiative ist nun nur noch einen Klick entfernt. Diverse Suchmaschinen halten unzählige Möglichkeiten bereit, die jeden individuellen Anspruch befriedigen. Auf der Website demokratie-leben.de des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend kann man sich mittels eines Engagement-Checks innerhalb weniger Minuten schlaumachen. Von der Obdachlosen- und Seniorenhilfe über gesellschaftliche Bewegungen bis hin zur Übernahme von Patenschaften – hier findet jeder die nötige Inspiration für seine künftige Wohltätigkeitsarbeit.
Packen wir’s an!
Dieser Text erschien ursprünglich in der BLONDE-Ausgabe #042 (01/2018).