Kiana Ledé wollte nie eine Bubblegum-Popsängerin sein. Daraufhin wurde ihr Vertrag bei einer Plattenfirma gekündigt. Warum das für sie der erste Schritt zum Selfempowerment war und warum sie mit ihrem neuen Album „Myself“ jetzt ankündigt, immer zuerst an sich zu denken, verrät sie im sehr ehrlichen Gespräch.
Als das Telefon klingelt, ich abhebe und mich mit meinem Spitznamen Kiki vorstelle, ist Kiana Ledé verdutzt. „Wer ist da?“, höre ich die leise, super softe Stimme am anderen Ende der Leitung sagen. „Entschuldige, aber ich bin gerade verwirrt, weil ich früher auch immer Kiki genannt wurde“. Kiana ist genau wie ich 22 Jahre alt, wir teilen also nicht nur den Spitznamen, sondern auch das Alter. Ansonsten leben wir aber in ziemlich unterschiedlichen Welten: Kiana Ledé geht nicht nur als Support für Superstars wie Jessie J auf Tour, auch ihr Schauspieltalent konnte sie bereits in amerikanischen Erfolgsserien wie „Scream“ und „All About The Washigtons“ beweisen. Heute macht sie R&B-Musik, die sie wirklich liebt. Doch das war nicht immer so: Kiana war erst 14 Jahre alt, als sie 2011 die amerikanische Talentshow „KIDZ Star USA Talent Search“ gewann und damit einen heißersehnten Vertrag bei RCA Records ergatterte. Doch wie oft in diesem Business, sollte aus ihr ein Bubblegum-Popstar gemacht werden, der sie aber so gar nicht sein wollte. Sie sträubte sich dagegen und wurde nach drei Jahren gekündigt. Es folgt ein ehrliches Gespräch über Zukunftsängste, Befreiung und die Wichtigkeit von Selbstliebe.
In einem früheren Vertrag bei RCA Records sollte aus dir eine Mainstream-Bubblegum-Popsängerin geformt werden. Du wolltest das nicht und wurdest letztendlich gekündigt. Mich hat diese Geschichte an die „Black Mirror“- Folge mit Miley Cyrus erinnert. Konntest du dich damit identifizieren?
Ja… Mileys Figur war nicht wirklich glücklich. Und auch, wenn es ihr schlecht ging, hat die Industrie sie zu einem Lächeln gezwungen – genau das hat es so schwer für sie gemacht. Als ich meinen ersten Vertrag unterzeichnete ging es mir auch so. Sie wollten mich zu etwas machen, das ich nicht bin. Es hat mir zwar auch geholfen bei „KIDZ Star USA Talent Search“ teilzunehmen, aber es ist definitiv nicht das Beste für ein Kind. Sie vergeben dort einen Award dafür, dass Kinder das ganze Wochenende lang lächeln. Ich habe das von 4-15 Jahren gemacht und, du kannst dir vorstellen, wie viel Stress und Druck das bedeutet hat.
„Ich wollte kein Bubblegum-Pop singen. Mir war klar, dass diese Situation mir jetzt die Möglichkeit gibt zu wachsen und mein eigenes Ding zu machen.“
-Kiana Ledé
Hattest du Angst, deine Karriere zu verlieren als dir dein Vertrag gekündigt wurde?
Ich hatte große Angst. Aber kurze Zeit später ist mir klar geworden, dass das alles sowieso nur eine Verkleidung war. Ich wollte kein Bubblegum-Pop singen. Mir war klar, dass diese Situation mir jetzt die Möglichkeit gibt zu wachsen und mein eigenes Ding zu machen.
Wie haben deine Familie und Freunde dich unterstützt als du deinen Plattenvertrag verloren hast?
Meine Mutter war bei mir als ich den Anruf bekommen habe. Sie hat mich angesehen und gesagt: „Es ist ok. Du wirst wieder aufstehen und alles wird cool.“ Ich habe viele Leute von damals auch heute noch an meiner Seite und sie unterstützen mich immer sehr. Das ist auch der Grund, warum ich das hier immer noch mache.
Deine vorherige EP hieß „Selfless“, deine neueste heißt „Myself“. Warum ist es dir jetzt wichtig, mehr an dich selbst zu denken?
Als ich angefangen habe, mich auf mich selbst zu konzentrieren, habe ich angefangen wirklich stolz auf das zu sein, was ich mache. Weil ich eben nur das gemacht habe, was ich wollte.
In einem Interview mit „Billboard“ hast du mal gesagt, dass es dir schwer fällt, dich an erste Stelle zu stellen. In welchen Momenten fällt dir das besonders schwer?
An stressigen Tagen. Dann muss ich mich wirklich zwingen, mir wenigstens 10 Minuten nur für mich selbst zu nehmen und einfach mal durchzuatmen.
Wann war das letzte Mal eine Situation, in der du dich tatsächlich an erste Stelle gestellt hast und wie hat sich das angefühlt?
Ich habe in letzten Monaten meistens versucht, zuerst an mich selbst zu denken. Die Momente, in denen ich mir Zeit genommen habe zu meditieren, haben mir besonders viel Kraft gegeben. Ich kann dabei wieder so richtig zu mir selbst finden und das fühlt sich toll an.
„Man ist heutzutage wie paralysiert: Ständig prasseln von allen Seiten Reize auf einen ein und man ist nicht richtig bei sich selbst.“
-Kiana Ledé
Alle reden von Selbstliebe. Glaubst du, es wird heutzutage eher als Marketingtool missbraucht oder denkst du, es ist auch tatsächlich in der Gesellschaft angekommen?
Hm, das ist eine gute Frage. Ich find’s verrückt, wenn Selbstliebe von Firmen als Marketingtool missbraucht wird. Es ist aber tatsächlich ein großes Thema in der Gesellschaft, weil jeder sich danach sehnt, mehr über Selbstliebe zu lernen. Man ist heutzutage wie paralysiert: Ständig prasseln von allen Seiten Reize auf einen ein und man ist nicht richtig bei sich selbst. Alle vergleichen sich ständig gegenseitig. Sie sehen, wie hübsch andere sind und was für ein perfektes Leben sie angeblich führen. Genau deswegen ist es eben so wichtig, sich stattdessen auf sich selbst zu konzentrieren. Selbstliebe ist toll!
Fotos: Katia Temkin