Seit Montag zeigt die 080 Barcelona Fashion Week Designs aus und in der katalonischen Hauptstadt. Neben den Live-Shows, die ihr online per Stream verfolgen könnt, stellen wir euch hier eine Handvoll der Designer*innen vor, auf die es besonders zu achten gilt.
Die aktuelle Front Row ist ein Sofa. Ein Küchenstuhl. Ein Bett. Jedenfalls dann, wenn es um die 080 Barcelona Fashion Week geht. Seit Montag zeigt das zu 100% virtuelle Event die aktuellen Frühjahr/Sommer-Looks für 2021 im Livestream. Direkt zu Beginn der Woche haben wir euch schon einen Überblick über erste Highlights und Hintergrundinfos gegeben. Welchen Livestream aber solltet ihr unbedingt einschalten? Mit welchem Up-and-Coming-Label könnt ihr beim nächsten Dinnerdate angeben? Hier sind 3 Highlights, ausgewählt von der BLONDE-Redaktion.
Lera Mamba: Nachhaltigkeit zum Selbermachen
Das marketingfreundliche Prinzip von „see now, buy now”, also Looks direkt vom Laufsteg zu kaufen, ist auch bei der 080 Barcelona Fashion Week ein beliebtes Tool. Das Label Lera Mamba hat mit seinen Kollektionen aber eine Art antizyklisches Gegenteil zu jenem schnelllebigen Prozess entworfen. Vielmehr hat das Label um Designerin Marta Pujol eine Art Baukastensystem entwickelt: Hier stellt sich jede*r das eigene Outfit selbst zusammen und wählt Materialien eigenhändig aus. Dafür gibt es Vorlagen, die in der Mode sonst für Prototypen verwendet und hier als Basis für Kund*innen zur Verfügung gestellt werden. Eimal ausgewählt, nimmt man eventuelle Änderungen am Schnitt vor und wählt anschließend den Stoff. Der stammt übrigens vom „end of line”, ist also Produktionsüberschuss vergangener Fertigungen und kein eigens für die Kollektion hergestelltes Material. Für unter 200€ fertigt das Team von Lera Mamba dann ein komplett individuelles Kleidungsstück aus dem kundeneigenen Geschmackskatalog („Catalogue“ ist übrigens auch der Name der aktuellen Kollektion).
„Wir müssen Wege finden, uns weiterzubilden und verbessern, wie wir Kleidungsstücke kaufen”, sagt Marta Pujol. „Wir haben diese Industrie auf eine Art normalisiert, die ganz einfach nicht normal ist.” Normal sollte laut Pujol schon das Thema Nachhaltigkeit sein – nicht etwa neu, keine Haltung voller Hoffnung, stattdessen aber gegenwärtig und umsetzbar. Um der Realität einen Schritt näher zu kommen, setzt sie unter anderem auch auf eine emotionale Bindung zur Kleidung. Jedes ihrer Kleidungsstück solle Erinnerungen auslösen, so Pujol, und vererbt werden „wie eine traditionelle Erzählung”. Auf der 080 Barcelona Fashion Week gibt sie einen beispielhaften Ausblick auf die unkonventionellen Schnitte, Materialien und Farben, mit denen Kund*innen demnächst ihre Geschichten erzählen können.
Guillem Rodriguez: Neue Männlichkeit, Fantasiemänner
Neue Männlichkeitsbilder haben es schwer. Einerseits scheinen sie längst etabliert weil überfällig, andererseits lassen sie vielerorts noch schmerzlich auf sich warten. Wie auch immer es um ihren aktuellen Status Quo bemessen sei, Guillem Rodriguez hat sie mit seinem gleichnamigen Label und der Kollektion „Dreamboy” nach Barcelona geholt. Seine Form des Genderbending präsentiert sich für gewöhnlich in klassischen Anleihen aus der weiblich gelesenen Garderobe. Für „Dreamboy” aber bezieht sich Rodriguez auf den Film „Pink Narcissus“ von 1971, dessen Storyline das Leben eines Sexarbeiters beschreibt.
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Und auch in der Beschreibung der Kollektion setzt Rodriguez auf provokative Bilder: „Dreamboy ist der Gigolo, der auf der Straße wartet, den du auf der Tanzfläche triffst, den du von der anderen Straßenseite aus anstarrst”. Der Designer scheut nicht davor zurück, seine eigenen Wünsche einzuarbeiten, auch, wenn diese sich vielleicht an eher normativen Körperbildern orientieren. So ist die Kollektion „Dreamboy” zwar eine Hommage an den Körper des Mannes, spielt in ihrer Inszenierung zum Teil aber mit glorifizierter Ästhetik: Schnitte und Muster der Designs orientieren sich an breiten Schultern, schmalen Hüften und zirkulieren um den Hintern des Mannes. Diplomatischer ausgedrückt erzeugt Rodriguez damit eine Silhouette, die von den 70er-Jahren bis in den Grunge der frühen 90er reichen könnte.
Eikò Ai: Pastell und persönlicher Geschmack
Die Geschichte, die die Designerin Gloria Lladò über ihre Anfänge im Modedesign erzählt, dürfte wohl eine universelle Gültigkeit für Kolleg*innen weltweit haben. Schon als Kind schneidert und schneidet sie – zum Leidwesen ihrer Mutter – an den eigenen Kleidern herum. Gloria hat ein „kreatives Bedürfnis”, eine ungestillte Ader und keine Zweifel an ihrer Liebe zu Kleidung. Es folgt der lineare Weg: Zuerst Modestudium, am Istituto Europeo di Design in Barcelona, dann ein Kurs am rennomierten Central Saint Martins College in London, dann erste Jobs in kleineren, lokalen Unternehmen. Mit auf dem Weg liegt aber auch noch der Trugschluss eines jeden Designer*in-Klischees: Wer sich selbst 24/7 mit Mode beschäftigt, hat keine Probleme, seinen eigenen Stil zu prägen.
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Im Gegenteil. Lladò gründet ein Label, um all jenen kleinen und großen Details, die sie in der Mode um sich herum vermisst, endlich die gebührende Aufmerksamkeit zu geben. Das ist 2018, das ist die Geburtsstunde von Eikò Ai. Sie habe mehr kreieren wollen, so Lladò, weil ihr ihre Arbeit in anderen Modeunternehmen ihr schon so viel Spaß gemacht habe, sie aber dennoch etwas eigenes auf die Beine stellen musste, um ihrer Kreativität und den vermeintlichen Lücken des Modemarkts etwas entgegenzusetzen. „Ich wollte etwas schaffen, was anders ist als die Vorgaben von Marken – diese waren korrekt, aber ich wollte meine eigene Sprache finden”. Eikò Ai übersetzt Lladòs Sprache in filigrane Designs, deren Farbpalette Lladò in jeder Saison laut eigenen Angaben willkürlich bestimmt. Schlichte und subtile Looks sind dabei längst nicht das einzige Ergebnis – Eikò Ais aktuelle Kollektion trägt den Titel „Land Vibration” und spielt sowohl mit irisierenden Pastelltönen aus der Familie Pink, Pfirsich und Champagner als auch mit Materialien wie Patent Leather und Spitze. Ein vibrierender Mix, so schreibt das Label selbst. Als immer stärker und glücklicher beschreibt wiederum Lladò ihre Kundin, und strahlt – denn am Ende designt sie vielleicht doch meisten für sich selbst.
Und hier sind noch mehr Namen, die ihren Weg in eure Style-Notes finden sollten:
Während der Großteil der 080 Barcelona Fashion Week für die Frühjahr/Sommer-Saison des kommenden Jahres zeigt, adaptiert dieses Label einen neuen Zeitplan und zeigt Designs schon für den diesjährigen Herbst und Winter. Das passt, schließlich ist die Marke bekannt für ihre gemütlichen Stücke aus Wolle und Jacquard. Für den kommenden Winter zeigt Lebor Gabala traditionsinspirierte und großflächige Pieces mit geometrischen Formen, aber auch dekonstruierte Camouflage-Prints und Blumen finden ihren Platz.
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Während Lebor Gabala auf historisches Erbe und einzelne Key Pieces setzt, legt das Duo um Albert Sánchez und Sebastián Cameras erst richtig los. Beide Designer konnten schon verschiedene Stationen der Modewelt abhaken und arbeiteten unter anderem für Eytys, Diane von Furstenberg, Paloma Wool und mit Künstlerinnen wie Carlotta Guerrero und Sita Abellan. Ihr gemeinsames Projekt OnrushW23FH beschreiben Sanchez und Cameras nun als „finale Karriere-Idee”. Die aktuelle Kollektion trägt dazu den Titel „Almost There”. Damit ist aber nicht die Karriereleiter des Designer-Duos gemeint, sondern die Ankunft an einem Ziel – und zwar um jeden Preis. OnrushW23FH ist inspiriert von unmittelbaren und kurzfristigen Momenten im Leben: Hektisches Aufwachen, ein Kleidungsstück verlegen und suchen, grundsätzliches Chaos – das Ziel aber bleibt vor Augen.
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New in 💕 M O N A vs D A I S Y 📸 @gregori_civera Model @vikalevina__ Hair & Make up @maxmoodhair
Ähnlich jung wie Onrush ist The Label Edition von Véronique von Siebenthal und Laura Johansson. Die gemeinsame Marke gründeten die beiden Mode-Expertinnen Anfang 2019 und setzen zu 100% auf Online-Handel. Schnelllebigkeit bedeutet das aber nicht. Mit limitierten Editionen und Materialien aus Produktionsüberschüssen entfernt sich The Label Edition von starren Kollektionsrahmen oder einer Mindestanzahl an produzierter Kleidung. Dass sie darin konsequent bleiben, zeigt ihre erste Runway-Kollektion „Résilience”. Kleider, Blusen, Shirts und Co sollen zeitlos sein, „resilient” aber elegant. Sie zeigen, das Slow-Fashion keine Grenzen hat, sondern diese vielmehr für Freiraum und Persönlichkeit öffnet.
In Kooperation mit 080 Barcelona Fashion Week.
Mehr zur Fashion Week, Barcelona-Feelings und Co gibt’s hier:
Läuft jetzt: Wie die virtuelle 080 Barcelona Fashion Week katalonisches Erbe & Zeitgeist verbindet
Mermaids in the Sand: Ein Trip ans Meer, von dem wir noch heute träumen