Luxussteuer abgeschafft, Menstruationstassen sind so selbstverständlich wie Tampons geworden, was soll man sich da noch wünschen? In einer Mini-Reihe beschäftigen wir uns zusammen mit OrganiCup mit persönlichen Geschichten zur Menstruation in Sachen Kultur, Erfahrung – und Erwartungen. Hier schreibt Autorin und Moderatorin Ninia LaGrande über ihre Vorschläge in Sachen Menstruation 2020.
Als ich – endlich! – das erste Mal meine Periode bekommen hatte, war ich sehr glücklich. Endlich, weil ich bald schon 17 werden würde und lange gehofft hatte, dazuzugehören. Und um einmal im Monat offiziell schlechte Laune und eine Ausrede für den langweiligen Sportunterricht haben zu können, musste man menstruieren – dachte ich damals zumindest. Ich schloss mich also ins Bad ein und versuchte, mit den Tampons zu hantieren, die meine Mutter mir mitgebracht hatte. „Vielleicht liest du vorher die Anleitung!“, hatte sie gesagt. „Was, Anleitung?!“, dachte ich, in der festen Überzeugung, ich würde den jetzt flott reinschieben und das wäre es dann.
Stattdessen verbrachte ich eine Dreiviertelstunde im Badezimmer, fluchend, schwitzend und völlig verzweifelt, weil auf dem Zettel kleingedruckt stand, ich solle „die Richtung ändern“, wenn ich auf Widerstand stoßen würde. Bin ich ein Zug, oder was?! Ich stöhnte, fummelte, drückte, aber nix wollte so wie ich es wollte. „Du musst dich entspannen! Ganz ruhig!“, schrie meine Mutter hinter der Badezimmertür und ich brüllte zurück, ich sei das letzte Mal entspannt gewesen, als ich 12 war und dass ich nicht gewusst hätte, dass es in meiner Vulva verschiedene Richtungen geben würde. Irgendwann gefühlt nach Stunden, war der kleine Torpedo so weit in meinem Körper drin, dass ich mich wieder normal bewegen konnte. Dann musste ich plötzlich Pipi.
Foto: Meklit Tsige
Produkte wie OrganiCups & Co: Mehr Vielfalt, mehr Möglichkeiten
Ein Glück, dass meine Mutter und ich so einen offenen Umgang pflegten und über alles, was mit Körper, Erwachsenwerden und Sex zu tun hatte, offen sprechen konnten. Also auch über die Menstruation. Als ich das erste Mal meine Periode bekam, waren Tampons und Binden die einzig mir bekannten Möglichkeiten, annähernd angenehm über die Tage hinweg zu kommen. Meine Mutter dachte, sie mache mir einen Gefallen, wenn sie mir gleich den Umgang damit zeigen würde, weil sie diese als Befreiung erlebt hatte.
Heute ist die Welt eine andere – und darüber können wir uns freuen. Neben Tampons und Binden gibt es immer mehr nachhaltige Produkte für menstruierende Menschen auf dem Markt. Ein Beispiel dafür sind Menstruationstassen wie die von OrganiCup. Sie sind nicht nur wesentlich nachhaltiger als all die plastikverpackten Einmalprodukte, sondern halten auch viel mehr aus als die lächerliche Binde im Höschen. Außerdem gibt’s Stoffbinden oder –slipeinlagen und Menstruationspantys. Wieder andere verzichten ganz auf Hilfsmittel und praktizieren „Free Bleeding”.
Bluten ist kein Luxus mehr – und es geht weiter
2019 war ein gutes Jahr für die Menstruation. Dank der unermüdlichen Arbeit von Aktivist*innen wie Yasemin Kotra und Nanna-Josephine Roloff hat es eine Petition zur Senkung der Steuer auf Menstruationsprodukte in den Bundestag geschafft – monatlich bluten ist jetzt kein Luxus mehr. Australien, Kenia, Kanada und Indien haben die Steuer auf sogenannte Hygieneprodukte sogar ganz abgeschafft – das fordern auch die Jusos in Deutschland. Damit konnten sie sich bisher nicht durchsetzen, aber: Seit dem letzten Jahr wird öffentlicher über die Periode gesprochen, immerhin. Ich erinnere mich an ein Interview, das ich vor vielen Jahren las, in dem BLONDE-Coverstar Charlotte Roche sagte, wenn man jemanden nach einem Tampon fragen würde, hätte das etwas sehr Geheimnisvolles, als würde man etwas Kriminelles machen – das machten die meisten nur im Flüsterton. Diese Zeiten sind – zumindest in meinem Umfeld – vorbei. Was kann ich mir für den Umgang mit der Menstruation 2020 also noch wünschen?
Endometriose auf Instagram & Co: Für mehr Aufmerksamkeit
Stichwort Sprache. Ich halte das hier gerne nochmal fest: Nicht alle Menschen, die menstruieren, sind Frauen und nicht alle Frauen menstruieren. Das Wort „Damenhygiene“ können wir also gerne ab sofort aus unserem Wortschatz streichen. Und, noch etwas aus dem Wortschatz, Stichwort Endometriose: Schätzungsweise zwanzig Prozent der menstruierenden Menschen sind von dieser Krankheit betroffen. Das ist keine kleine Zahl – und trotzdem erfährt dieses Krankheitsbild, in dem sich gutartige, aber schmerzhafte Wucherungen außerhalb der Gebärmutter ansiedeln, viel zu wenig Aufmerksamkeit. Betroffene spüren während der Periode so starke Schmerzen, dass sie das Bewusstsein verlieren, sich übergeben müssen und nur liegen können. Teilweise tritt der Schmerz auch dauerhaft und nicht nur während der Menstruation auf. Immer noch dauert es für die Meisten sehr lange, bis sie endlich eine Diagnose bekommen – oft werden Betroffene abgewimmelt und beruhigt. Schmerzen während der Periode seien normal, sie sollten sich nicht so anstellen. Durch Aktivist*innen, wie die Autorin Anna Wilken, erhielt Endometriose auf Instagram und anderen Plattformen in den letzten zwei Jahren mehr Aufmerksamkeit – diese wünsche ich mir auch in der medizinischen Forschung und bei Ärzt*innen.
„2019 war ein gutes Jahr für die Menstruation. Dank der Arbeit von Aktivist*innen hat es eine Petition zur Senkung der Steuer auf Menstruationsprodukte in den Bundestag geschafft. Andere Nationen haben die Steuer sogar ganz abgeschafft. Die Zeiten, in denen die Frage nach einem Menstruationsprodukt wie etwas Kriminelles wirkte, sind vorbei. Was kann ich mir für den Umgang mit der Menstruation 2020 also noch wünschen?”
Schon seit 2018 stellt Schottland seinen Schüler*innen kostenlos Menstruationsprodukte zur Verfügung – viele Menschen können sich die nötigen Hygieneartikel nicht leisten, das Land reagiert darauf. Schottland ist damit ein großes Vorbild. Auch in Deutschland gibt es die sogenannte „Periodenarmut“ – Schulen, Universitäten und öffentliche wie private Einrichtungen sollten zumindest ein Produkt frei zur Verfügung stellen. Das ist nicht umständlich und hilft in der Not sehr weiter. Ich reagiere immer sehr erfreut, wenn ich auf einer Toilette eines Cafés solch ein Schälchen entdecke – das sollte 2020 zur Selbstverständlichkeit werden. Apropos Selbstverständlichkeit: In der Werbung wurde mir früher immer vermittelt, wenn ich den Tampon mit verschiedenen Richtungswechseln endlich eingeführt habe, dann könnte ich am fröhlichen Leben problemlos teilnehmen. 2020 sollte auch das Jahr sein, in dem dieser Mythos endlich der Vergangenheit angehört. Denn nein, Menschen, die menstruieren, können nicht immer schwimmen, tanzen, glücklich sein. Und das ist in Ordnung.
Menstruation 2020: Mehr Motivation durch Periodenurlaub
2015 forderte der britische Gynäkologie-Professor Dr. Gedis Grudzinskas bis zu drei Tage bezahlten Urlaub für alle, die besonders starke Schmerzen während ihrer Periode haben und sich nicht in der Lage sehen, zu arbeiten. In Italien wurde dieser Vorschlag 2017 als Gesetzentwurf ins Parlament eingebracht – bisher gibt es allerdings europaweit noch kein Recht auf Menstruationsurlaub. Nach der Senkung der Steuer vielleicht eine neue Idee für eine Petition. Denn: Ob ich den Urlaub nun offiziell nehmen darf oder mich sowieso krankschreiben lasse, macht für meine Anwesenheit und Produktivität keinen Unterschied. Im Gegenteil – wenn wir offen kommunizieren könnten, dass wir gerade menstruieren, würde das Verständnis auf der einen Seite und die Motivation auf der anderen Seite steigen.
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Ganz ehrlich: Das Glück meiner ersten Perioden hat sich inzwischen verflüchtigt. Ich freue mich besonders auf das Älterwerden, weil der Spaß dann wieder vorbei ist. Ich gehörte nie zu denen, die die Periode besonders feiern oder in Verbindung mit den Mondphasen setzen. Trotzdem wünsche ich mir einen unverkrampften Umgang mit dem Thema – und, vor allem, Zugang zu allen Hilfsmitteln, die Menschen benötigen, um gut durch diese Zeit des Monats zu kommen.
Text: Ninia LaGrande // Fotos Ninia: Meklit Tsige
Bezahlte Partnerschaft BLONDE x OrganiCup.
Dieser Beitrag wurde ursprügnlich am 21. Januar 2020 veröffentlicht.