Mit abstrakten Werken für die Realität und gegen die Zensur: Die Ausstellung „bOObs” zeigt in Hamburg Brüste in allen Formen. Co-Kuratorin Saralisa erklärt uns die Hintergründe.
Text: Saralisa Volm
Es kann doch nicht so schwer sein, ein paar Brustkunstwerke zu finden, die es wert sind, an eine Wand zu hängen. Brüste sind doch allgegenwärtig. An Litfaßsäulen, in Magazinen, im Fernsehen, im Internet und natürlich in der Kunst. Von Botticelli bis Picasso, von Helmut Newton bis Marina Abramović: Die Großen der Kunstwelt zeigen Brüste. Gemalt. Fotografiert. In Blut getaucht. Als wir also begannen, unsere Ausstellung bOObs – Wir zeigen Brust zu kuratieren, glaubten wir, wir hätten leichtes Spiel.
Doch weit gefehlt. Die echte Brust macht sich rar in den Museen und Galerien unserer westlichen Welt. Nach kürzester Zeit wurde meiner Ko-Kuratorin Britta Adler und mir bewusst, dass die Brüste, die wir finden, wie in der Werbung aussehen: jung, prall, schön, aderlos, makellos und ohne Individualität. Egal, ob wir in die Renaissance schielten oder in der Gegenwart suchten. Die Bilder mochten wunderbar anzusehen sein, aber mit dem, was wir von zu Hause aus dem Spiegel kannten, was unsere Freund*innen, Mütter und Bekannte herumtragen, hatten sie wenig zu tun. Die echte Brust wird lieber versteckt.
Mit Plastiknippeln und Smileys gegen Insta-Zensur
Und das nicht nur unter weiten Shirts, sondern auch in den sozialen Medien, wo die Zensur regiert. Instagram, Facebook und Co. löschen Bilder von Kunstwerken und Fotos, die Nippel zeigen. Zwei Künstlerinnen unserer Ausstellung kämpfen mit kreativen Mitteln dagegen an: Camilla Corea Gonzales formt Brüste aus einem Mosaik von Smileys und anderen Emoticons. Erst aus der richtigen Entfernung werden die kleinen Symbole als Brüste mit Brustwarzen erkennbar. Annique Delphine serviert in ihren Arbeiten kugelrunde Plastikboobs mit Sahne uns Streuseln. Sind die Nippel aus Plastik, traut sich keiner sie zu verbieten.
First Impression: Von Süßkram bis Strick sind alle Boob-Formen dabei
Aber wir wollen auch die echten Nippel sehen und zeigen. Kleine und große, dunkle und helle, eingebettet in ein Meer aus Warzenhof oder fast ohne. Wir zeigen sie gemalt, fotografiert und verfremdet. Liebevoll naturalistisch, wie von Maler René Schoemakers oder abstrahiert, wie in den Arbeiten von Clemencia Labin, Eglė Otto oder Thorsten Brinkmann. Uns geht es um Befreiung und Vielfalt. Die Ausstellung schließt nichts aus. Weder Verletzungen und Krankheit, ganz besonders festgehalten im Fotoprojekt ‚Behind the Scars‘ von Sophie Mayanne, noch die hormonell aufgebauten Brüste einer Transgender-Frau, inszeniert und abgelichtet durch den Journalisten Frédéric H. J. Schwilden. Es ist Zeit für einen Dialog über unsere Körper und die Selbstwahrnehmung. So schreibt die Autorin Muri Darida: „Ich sehne mich nach einer Brust, die freilegt, was sie bedeckt.“ Den Text schrieb Muri Darida auf einen Binder, ein Stück Stoff zum Abbinden der Brüste. Wir haben ihn an die Wand genagelt. Sichtbar für jeden.
17 Künstler zeigen Brüste ab dem 21. September in Hamburg
Die Ausstellung „bOObs – Wir zeigen Brust”, die vom 21. bis 28. September in Hamburg im „Raum linkrechts” (Valentinskamp 37) zu sehen sein wird, ist Teil unserer „bitch MATERial” Ausstellungsreihe, mit der wir es uns zum Ziel gesetzt haben, stereotype Rollenklischees und Körperbilder freudig auf den Kopf zu stellen, zu durchmischen und neu zusammengesetzt an ein Publikum zu geben, das sich selbst und seine Umgebung darin wiederfinden kann. Erst ging es um Mütter, Elternschaft und Diversität, jetzt geht es um Brüste und Wahrnehmung. Aber vor allem geht es um gute Kunst.
Die Kunst, die wir zeigen, soll einen Möglichkeitsraum für Ideen von einem Selbst bilden, das in der Öffentlichkeit unterrepräsentiert ist. Kunst darf dekorativ, stromlinienförmig und gefällig sein. Wenn sie uns im Inneren berühren soll, braucht es gelegentlich ein bisschen mehr. Zum Beispiel muss sie uns in unserer Vielfalt erkennen und mitnehmen. Wir sind froh, dass wir dank intensiver Recherche 17 Künstler*innen gefunden zu haben, die sich mit aller Offenheit und mit entwaffnender Ehrlichkeit den Brüsten angenommen haben.