Schon ihr Debüt als Empress Of nahm die Musikerin Lorely Rodriguez komplett allein auf. Mit ihrer dritten LP findet sie in Zeiten von heimischer Isolation ihr künstlerisches Ich.
Auch eine Kaiserin macht mal die Wäsche. So zumindest heute. Lorely Rodriguez, besser bekannt unter ihrem Künstlernamen Empress Of (also „Kaiserin von“) befindet sich gerade wie viele andere weltweit zu Hause in Isolation und hat unser Interview in den Zeitplan ihres Wäschetags geschoben. Wobei „Zeitplan“ vermutlich hoch gegriffen ist, schließlich klingt es nicht gerade so, als würde die Musikerin ihre Tage derzeit mit besonders viel Struktur angehen: Heute hat Rodriguez noch nicht geduscht und steckt in der Jogginghose. In diesen Tagen lese sie („Mache ich sonst nie!“) und könne die Finger nicht von Junk Food lassen. Nebenbei produziert die Musikerin im Home-Studio aber schon wieder neue Songs – dabei erschien doch Anfang April gerade erst ihr drittes Album „I’m Your Empress Of“.
Dass sie sich im Albumtitel und im gleichnamigen, sphärischen Intro-Track noch einmal selbst vorstellt, scheint passend, denn wer Empress Of seit ihrem Debüt vor fünf Jahren verfolgt hat, wird das Gefühl nicht los, dass sie erst mit diesem Werk so richtig zur Künstlerperson geworden ist. Eine, die ihr Werk als künstlerischen Blick einer US-Amerikanerin mit honduranischen Wurzeln auf die Welt denkt, aber eben auch eine, die die Wäsche macht. Vielleicht war es ihr reduzierter Angang an alternativen Elektro-Pop, der Empress Of bisher von den glossy Tönen großer Studios und damit auch so mancher Chart-Playlist fernhielt. Es ist jedoch ebenjener Ansatz, mit dem sie sich von anderen Künstler*innen ihrer Szene abgrenzt und ihren Songs Qualität verleiht – reduziert heißt bei Empress Of nämlich keinesfalls langweilig, sondern ausgefeilt. Ihr neues Album hält die Künstlerin – natürlich – für ihr bisher bestes Werk, definiert aber gerade mit der Beschreibung ihrer stimmlichen Performance den eigenen Stil besser selbst: „selbstsicher, aber nicht perfekt poliert“.
Empress Of: Eine Kaiserin der Kunst
Ihre Selbstsicherheit wandelt Empress Of nicht nur textlich von einer Idee in die Praxis um, sondern auch auf der Produktionsseite: Für einen Großteil ihrer Arbeit sitzt sie selbst an den Reglern – und sorgt dabei in diesem Jahr für eine leichte Neuausrichtung. Auf ihrem zweitem Album „Us“ hatte Empress Of noch das Bild von ihr als L.A.-Girl zwischen Sonnenuntergang und Dates am Diner-Drive-in illustriert, mit entspannten Tönen und 90er-R’n’B-Beats wie in dem verträumten Song „When I’m With Him“. Das neue Album – besonders seine erste Lead-Single „Give Me Another Chance“ – aber fährt vom Drive-in nun eher in Richtung düsterer Club als zur Beach-Promenade. Ein pointiert gesetzter Beat geht auf „I’m Your Empress Of“ track by track in den nächsten über, die Transition lediglich unterstützt von Lorelys zwischen tiefem Flüstern und klaren Lines wechselnder Stimme, hier und da ein paar Synths. Auch das Musikvideo zu „Give Me Another Chance“ war im letzten Jahr bereits ein Kontrast zu vorangegangenen verträumteren Visuals. Es wechselt zwischen orgienähnlichen Tanzszenen im Club und solchen, in denen alle Protagonist*innen am Boden sitzen und auf ihre Handys starren. Auf die Frage, ob das ein Kommentar zur Disparität einer aktuellen Gesellschaft oder Generation sei, antwortet Lorely Rodriguez knapp: „Es ist ein Kommentar dazu, nicht präsent zu sein.“
Freiwillig isoliert: Wie das Alleinsein zu großen Ideen führen kann
Präsenz, Social Distancing, solche Themenbereiche sind, wenn auch kontrastierend, für die Künstlerin nichts Neues. Lorelys letzte Phase der Isolation allerdings war selbst gewählt. Für den Schaffensprozess ihres Debütalbums, passenderweise mit „Me“ betitelt, schottete sie sich einen Monat lang im mexikanischen Ort Valle de Bravo ab. Die Gefühle während der aktuellen Isolation zu Hause seien im Vergleich dazu aber komisch, überlegt sie, schließlich limitierten wir zwar alle unseren physischen Kontakt, suchten aber dennoch online nach Aufmerksamkeit und nutzten Technologie, um diese Bedürfnisse zu decken. Und auch wenn gerade in Zeiten der kollektiven Unsicherheit Zusammenhalt wichtig ist, weiß Rodriguez um die grundsätzliche Bedeutung von der Zeit, die man allein verbringt. „Ich glaube, dass Alleinsein für originelle Gedanken wichtig ist. In unserem alltäglichen Leben sehen wir so viel Content, von Freunden zum Beispiel, was sie posten und wovon sie uns erzählen. Es ist schön, eine Idee zur Abwechslung mal auf dich zukommen zu lassen, ohne die Hilfe anderer.“ Auf die ist Empress Of seit ihrem zweiten Album dennoch immer wieder gerne zurückgekommen, hat neben ihren eigenen Werken mit Popstars wie Khalid kollaboriert, aber auch mit Künstlern wie Dev Hynes aka Blood Orange und Elektro-Pop-Kolleginnen wie Banoffee oder Producerin Kito. Kollaboration sei ihr in physischer Gegenwart wichtig, so Empress Of, die Songs entstünden dann – wie passend für ihren Sound – auf natürlicherem Wege.
„Es ist schön, eine Idee zur Abwechslung mal auf dich zukommen zu lassen, ohne die Hilfe anderer.“
Von existenziellen und weltweit greifenden Problemen mal abgesehen wird die aktuelle Krise auch die nächste Karrierephase von Empress Of vor eine neue Herausforderung stellen, nicht nur in Sachen Sound-Kollaboration. Für die Musikerin fühlt es sich komisch an, ihr Album in Zeiten einer Pandemie zu veröffentlichen: „Wir werden Locations und Artists verlieren, weil es nicht mehr genügend finanziellen Support gibt. Wir werden großartige Musik verpassen, weil sich Künstler*innen die Produktion nicht mehr leisten können. Treffen mit Video-Regisseur*innen und die Planung von kreativen Shootings sind bei mir zum kompletten Stillstand gekommen“, sagt Lorely Rodriguez. Auf viele Arten sei das visuelle Storytelling ihres Albums gestoppt worden.
Jetzt gerade ist sie aber erst einmal dankbar für ihre Gesundheit und versucht, positiv zu denken. Wo die Krise sie hindert, wird Empress Of vermutlich ohnehin neue Wege des Schaffens finden. Dafür muss sie nur weiterhin präsent sein. Und das klappt allein manchmal doch am besten.
Fotos: Dorian Lopez. Dieser Beitrag wurde ursprünglich am 29. April 2020 veröffentlicht.