Im Frühjahr hat eine Chefin die Masturbationspause für ihre Mitarbeiter*innen eingeführt – andere fordern die schon seit Jahren. Wie funktioniert eine Work-Wank-Balance?
Wie wohl so eine Statusmeldung aussähe? Wir stellen uns vor: Es ist ein normaler Dienstag im Home Office und Mensch möchte den Kolleg*innen per internem Chat etwas mitteilen. Dort aber, wo beim virtuellen Gegenüber sonst ein Telefonhörer-Symbol blinkt („Bin gerade in einem Anruf”), der Standby-Status die Mittagspause signalisiert oder ein grüner Punkt für „Online” leuchtet, stünde jetzt sowas wie: „Bin gerade am Masturbieren”. Besagte*r Kolleg*in ist nicht etwa zu Tisch oder im nächsten Call, sondern in Masturbationspause. Ganz offiziell.
Masturbieren bei der Arbeit: Bei Erika Lust gibt’s 30 Minuten
So oder so ähnlich könnte der Arbeitsalltag gerade im Unternehmen von Erika Lust aussehen. Die feministische Porno-Filmemacherin machte des „Masturbation Month” in diesem Frühjahr damit Schlagzeilen, dass sie ihren Mitarbeiter*innen eine zusätzliche Pause zur Verfügung stellt, in der diese während der Arbeitszeit masturbieren können. „Ich wertschätze meine Angestellten und weiß, dass wir gute Arbeit machen, wenn sie sich gut fühlen”, sagte Lust damals. „Durch die Pandemie und die große Veränderungen darin, wie wir unsere Leben leben, fiel mir auf, dass meine Mitarbeiter*innen unruhig wurden und mit weniger Energie arbeiteten als zuvor. Mit dem Wissen, dass es nur eine Sache gibt, die allen ein gutes Gefühl gibt, führte ich eine private Masturbations-Station ein, die sie genießen können.”
Wonder what it’s like to work at #ErikaLustFilms? Well, starting this #MasturbationMonth we’ll be the only company in the world to offer all our employees a masturbation break.😉 We value self-love and encourage you to follow and take your 30 min too💖https://t.co/93qidCj5gP pic.twitter.com/y9hg8ZVtmu
— Erika Lust (@erikalust) May 3, 2021
Lusts Entscheidung ist einerseits ein Köder für mehr Arbeitsperformance, andererseits aber auch Benefit in einem Sex-positiven Arbeitsumfeld – und einige ihrer Mitarbeiter*innen sind überzeugt. Die Filmemacherin selbst bezeichnet ihre Pause als erste, die es in dieser Form in Unternehmen geben soll. Neu ist die Idee allerdings nicht. Schon länger ist das Masturbieren innerhalb der Lohnarbeitszeit im Gespräch, besonders – wie Erika Lust aufgreift – seit Beginn der Pandemie. Vielleicht steckt dahinter eine lang ersehnte Selbstbelohnung und Entlastung. Jedenfalls schrieb schon vor sechs Jahren eine Autorin des US-Magazins „Time Out New York” darüber, dass rund 40% der Arbeitnehmer*innen in einer von ihr geführten Umfrage angaben, während der Arbeitszeit zu masturbieren (hierbei ging es allerdings nicht um das Home Office).
Weniger Stress wegen Selbstbefriedigung
Zwei Jahre später sprachen sich auch zwei britische Psychologen für eine offizielle Masturbationspause aus. Darin bestätigen sie in etwa die Thesen von Erika Lust. Masturbation während der Arbeit sei „sehr effektiv” und eine „großartige Art, um Spannung und Stress abzubauen”, sagte Mark Sergeant von der Fakultät Psychologie der Universität Nottingham Trent gegenüber „Metro”. Seine Thesen unterstützte Dr. Cliff Arnall, Psychologe und „Life Coach” der Universität Cardiff. Ihm zufolge würden Mitarbeiter*innen von einer Masturbationspause profitieren, weil sie „mehr fokussieren, weniger aggressiv und viel produktiver” wären. Gleichzeitig verwies Arnall auf den Frust, den Arbeitnehmer*innen verspüren könnten, wenn sie während der Pause nicht zum Höhepunkt kommen. Weitere Kritikpunkte kommen aus der Netz-Community: Es geht um die unterschiedlichen Zeitspannen, die Menschen fürs Masturbieren brauchen oder den Druck, der sich mit dem Wissen aufbaut, gleich wieder zurück an den Arbeitsplatz zu müssen. Vom wechselseitigen Unwohlsein gegenüber Kolleg*innen mal ganz zu schweigen.
Foto: cottonbro/Pexels
Das Home Office steht im Fokus, aber…
Die Örtlichkeit und damit die Ausführung einer Masturbationspause, die Kolleg*innen nicht belästigt oder den Masturbierenden ein Schamgefühl gibt, bleibt wohl das größte Hindernis. Wie genau die private Masturbations-Station im Büro von Erika Lust aussieht, ließ sich auf die Schnelle nicht herausfinden. Seit Beginn der Pandemie tauchen bei einer schnellen Google-Suche aber weiterhin Artikel auf, in denen Expert*innen Selbstbefriedigung während der Arbeit befürworten. Nur geht es dabei eben häufig ums Home Office. Die Hemmschwelle, sich außerhalb der eigenen Wände für diskrete Minuten mit sich selbst zu verabschieden, scheint zumindest im Hier und Jetzt noch höher. Selbstbefriedigung bleibt ein höchst individuelles Thema, mit dem jeder Mensch einen eigenen Umgang pflegen kann und sollte. Dennoch wurzelt das Unbehagen nicht unbedingt in den Angestellten selbst. Eher liegt es in Gesellschaftsstrukturen, die einen offenen Umgang mit Masturbation zum Teil weiterhin stark stigmatisieren.
…wie sieht es an anderen Arbeitsstellen aus?
Es bleibt also die Frage nach Flexibilität. Ein wenig scheint die Masturbationspause geboren aus Büro-Kulturen, die abgesehen von Home-Office-Optionen mehr private Rückzugsräume bieten als Jobs mit Schichtdienst, im Einzelhandel oder der Gastronomie. Vielleicht wäre es spannend zu sehen, wie eine Masturbationspause für Angestellte in Service-Berufen aussähe; in der Pflege, der Fließbandarbeit und so weiter. Wenn sie aber hier und in weiteren Sektoren unter für Arbeitnehmer*innen aller Geschlechter sicheren Rahmenbedingungen eingeführt wird, könnte das Stigma verschwinden – und manche Angestellte das tun, wofür sie während der Arbeitszeit ohnehin schon Zeit finden wollen.
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