Cosmos Calling: Nasa-Astronautin Nicole Stott nimmt uns mit ins All

Mit rasender Geschwindigkeit den Orbit verlassen und die winzige Erde von oben betrachten: Kann auch die Astronautin Nicole Stott auf ihrer Liste abhaken. Uns hat sie auf ihre Reisen ins All mitgenommen. 

Sie hat in einem Omnibus unter Wasser gelebt, ist im Raumanzug durchs Universum geschwebt und mit 28.000 km/h um die Erde gekreist: Eigentlich dürfte Nicole Stott so gut wie nichts aus der Fassung bringen. Und doch gibt es da eine Frage, die sie ins Stocken bringt.

„Wie riecht der Weltraum?”

Ich treffe Nicole in Hamburg, wo sie auf einer Veranstaltung des Kennedy Space Center Florida einen perfekt getakteten Vortrag gehalten – sehr amerikanisch, sehr enter­tai­ning. Jetzt wird sie plötzlich unsicher und überlegt lange, ehe sie zu einer Antwort ansetzt. „Es ist wohl eine Mischung aus etwas Süßlichem und gleich­zeitig Schwerem – vielleicht wie Metall?” Nicole blickt fragend in die Runde. „Ehrlich gesagt habe ich darüber nie nach­gedacht – ich war viel zu sehr damit beschäftigt, mit meinem Roboterarm im All zu balan­cieren und dieses unbemannte Frachtraumschiff an unserer Station zu befestigen“, lacht sie dann. Mit „Station” meint Nicole ganz lapidar die ISS, die in 400 Kilometern Bahnhöhe den Erdball umrundet. Seit fast 20 Jahren leben und arbeiten Astronauten auf der von der US-Raumfahrtbehörde NASA, der europäischen ESA und der russischen Roskosmos betriebenen Raumstation – Nicole ist eine von ihnen. Das erste Mal startete sie Ende August 2009 mit sechs Kollegen von Cape Canaveral für drei Monate ins Weltall. Eineinhalb Jahre später folgte ihre zweite Mission, für die sie zwei Wochen auf der ISS verbrachte. Doch egal wie lang Nicoles Einsätze dauerten – prägend und intensiv war die Zeit jedes Mal. 

Wie ist es so im Weltall?

Seit 2015 ist Nicole als Astronautin im Ruhestand – und wenn sie heute die Fotos von sich im Raumanzug sieht, kann sie selbst kaum glauben, dass sie insgesamt 104 Tage in einer Space-Station lebte, die so riesig ist, dass man, sofern man es nicht drauf anlegt, stundenlang niemandem ­begegnet. „Ich habe mich noch nie in meinem ganzen Leben so allein ge­fühlt – und gleichzeitig spürte ich eine große Verbundenheit mit dem Kon­troll­zentrum am Boden, der Crew und meiner Familie“, sagt sie. Am meis­ten bleibt Nicole aber wohl ihr erster Flug von der Erde Richtung All im Gedächtnis.

„Wenn die letzte Phase des Countdowns beginnt, packt es dich.“

„Das Space Shuttle kippt ein wenig nach hinten, das ist spooky. Man befürchtet zu fallen. Dann setzen enorme Schubkräfte ein und es geht mit fast 5.000 km/h ins All. Ich habe einfach nur noch laut ‚woohhoooo‘ geschrien”, erzählt sie mit ihrem typisch strahlenden Lächeln. Klingt wie aus einem Drehbuch made in Hollywood – genau wie Nicoles Karriereweg Richtung NASA: „Meine Familie und ich schauten die erste Mondlandung vor 50 Jahren im Fernsehen und das war sehr be­eindruckend. Ich war noch ein Kind und dachte mir bei meinem Käsesandwich: ‚Wow, das ist richtig cool!‘” Also studierte die heute 55-Jährige Luftfahrttechnik und ging als Ingenieurin zur NASA, wo sie unter anderem Astronauten für Space-Shuttle-Flüge ausbildete. Irgendwann wollte sie selbst ins All. Sie bewarb sich, erhielt ihre Nominierung – und startete neun Jahre später als einzige Frau im Team Richtung ISS. „Auch wenn relativ viele Frauen bei der NASA arbeiten, gibt es immer noch mehr männliche Astronauten. Viele weibliche Kolleginnen trauen sich diesen Job schlicht nicht zu, oder – noch schlimmer – ziehen gar nicht erst in Erwägung, dass es vielleicht ein Beruf für sie wäre. Ich möchte dafür sorgen, dass sich das ändert”, sagt Nicole. 

Die Vorbereitung auf das Weltall

Noch so ein Drehbuchmoment. Wer einen von Nicoles Vorträgen für die NASA erlebt hat, traut ihr diese Mammutaufgabe ohne Zweifel zu. Jede ihrer Space-Geschichten ist spannend – selbst wenn es „nur“ um die Vor­be­reitung für das All geht. Da wäre zum Beispiel Nicoles Zeit in Key Largo, Florida. Dort lebte sie 18 Tage mit einer fünfköpfigen Crew in knapp 20 Metern Tiefe in einem Omnibus. Auf Tauchgängen lernten sie, wie man sich in Raumanzug-ähnlicher Kleidung bewegt – um sich auf die Allspaziergänge einstellen zu können. Trotzdem hat sich die Zeit im Weltraum am Ende ganz anders angefühlt:

„Als ich die Erde zum ersten Mal von oben gesehen habe, war ich überwältigt.“

„Ich wusste, es würde wahnsinnig werden, aber das hatte ich nicht erwartet. Ich hatte mich so gut vor­be­rei­tet und war es am Ende überhaupt nicht – zumindest mental.” Der Blick von oben veränderte Nicole und genau wie viele ihrer Kollegen begann sie zurück auf der Erde damit, sich für Umweltprojekte einzu­set­zen. „Du siehst die Erde in einem anderen Licht – sie ist klein, zart, ein winziges, buntes Paradies. Wir müssen dafür sorgen, dass das so bleibt.” Nicole beendet ihren Vortrag, lächelt filmreif und zupft ihre NASA-Jacke zurecht. Hollywood, worauf wartest du noch?

Dieser Beitrag wurde ursprünglich am 20. Juli 2019 veröffentlicht. 

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