Stella Bossi: Warum Berlin weiter tanzen muss

Stella Bossi steht im Mittelpunkt eines Moments, den Berlin so noch nicht gesehen hat: Als Resident-DJ der legendären Symbiotikka-Nächte ist sie tief mit dem KitKat verbunden – und nun die erste Künstlerin, deren Set offiziell in diesem sonst unsichtbaren Club gefilmt wurde. Eine Stimme einer neuen Generation, die Clubkultur nicht nur bespielt, sondern sichtbar macht und verteidigt.
Berlin lebt in Zwischenräumen. In Kellern, in Fluren aus Licht und Nebel, in Momenten, in denen Musik nicht nur klingt, sondern Identität wird. Kaum ein Ort verkörpert diese Energie so kompromisslos wie das KitKat – ein Club, der mehr Mythos als Realität ist. Dass hier zum ersten Mal Kameras zugelassen wurden, markiert einen kulturellen Einschnitt.
Zwischen radikaler Freiheit und wachsender Fragilität bewegt sich eine Szene, die gleichzeitig feiert und kämpft. Und Stella gehört zu den Künstler*innen, die diesen Kampf hörbar, sichtbar und spürbar machen – laut, kompromisslos und mit einem tiefen Bewusstsein dafür, was auf dem Spiel steht.

 

BLONDE: Du hast das erste offizielle Video im KitKat gedreht. Wie fühlt sich das an, einen Club-Mythos sichtbar zu machen, der 30 Jahre unsichtbar war?

Stella: Es ist völlig irre. Das KitKat war immer diese Black Box, jeder kennt es, aber niemand sieht es. Dass ich da mit Kameras reindurfte, das ist wie ein UFO landen lassen. Ich hab mich extrem geehrt gefühlt, aber auch verantwortlich. Ich wollte so einen Mythos nicht entzaubern, ich wollte ihn fühlbar machen.

BLONDE: Im KitKat sind Handys tabu. Wie war’s, plötzlich Kameras zwischen Latex, Licht und Körpern zu haben?

Stella: Das war was ganz Besonderes. Wir wollten niemanden stören, niemanden aus der Ekstase reißen. Also: klein, nah, respektvoll und mit dem Einverständis aller. Und am Ende: Die Leute haben’s gefeiert, weil sie gemerkt haben, wir zeigen keine Körper, wir zeigen Energie.

 BLONDE: Berlin feiert seine Clubkultur, während die Clubs gleichzeitig verschwinden. Macht dich das wütend, traurig – oder einfach noch lauter?

Stella: Es macht mich alles gleichzeitig: wütend, traurig und laut. Berlin lebt von seinen Clubs, ohne die Clubs wäre die Stadt nur noch Beton mit Spätis. Wenn etwas verschwindet, kämpfe ich nicht leise. Dann wird’s lauter. Ich versuche den Clubs, die eine ganze Generation geformt und gemacht haben, etwas zurückzugeben. Am Ende sind meine Möglichkeiten begrenzt, aber ich hoffe, dass hier die Politik dieses Einmalige von Berlin erkennt und sich hinter die Clubs stellt.

BLONDE: Du bist für viele das Gesicht einer neuen Clubgeneration – laut, sichtbar, unapologetic. Was treibt dich wirklich an, hinter all dem?

Stella: Ich will Menschen Mut machen, denn ich weiß, wie sich Unsicherheit anfühlt und wie es ist, sich falsch zu fühlen. Und ich will, dass niemand das im Club haben muss. Musik ist für mich ein Werkzeug, um Menschen stärker zu machen, dass sie sich feiern, ihren Körper feiern, ihre Fehler feiern, auch ihr Chaos feiern. Hinter all dem steckt der Wunsch, Leuten das Gefühl zu geben: Du darfst genau so sein. Und du bist nicht allein!

BLONDE: In deiner Doku zeigst du dich ungefiltert. Warum war gerade jetzt der richtige Zeitpunkt, dich so zu zeigen?

Stella: Weil ich’s satt hatte, nur als Meme gesehen zu werden. Ja, ich mach Faxen im Internet, aber mir ist das Thema wichtig und deswegen war es für mich an der Zeit auch was zu sagen.

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 BLONDE: Das KitKat ist mehr als ein Club – eher ein Zustand. Was macht diesen Ort für dich so besonders?

Stella: Radikale bedingungslose Freiheit. Du kannst sein, wer du bist oder wer du sein willst. Das gibt’s kaum noch irgendwo. Um es wirklich zu erfahren muss man einfach mal da gewesen sein.

BLONDE: Du spielst weltweit – aber was hat Berlin, das kein anderer Ort hat?

Stella: Du kannst hier am Dienstag um 9 Uhr morgens in einem Techno-Keller dein Leben ändern. Und alle nicken einfach: Ja, normal. Tagelange Partys und Non-Stop-Action… Das macht die Stadt schon ganz ganz besonders und in den meisten Fällen ist keine Kamera dabei.

BLONDE: In deiner Musik steckt viel Energie, aber auch Sehnsucht. Was gibt dir mehr Kraft: Rave oder Ruhe?

Stella: Beides. Wenn ich nur rave, verliere ich mich. Wenn ich nur ruhe, verliere ich mich auch. Ich brauche das Wechselspiel. Zwei scheinbar gegensätzliche, aber vor allem ergänzende Kräfte, die mir Harmomie und Balance bringen – wie Yin und Yang.

 BLONDE: Wenn Berlin eines Tages keine Clubs mehr hätte – wo würde dein Herz dann weiterschlagen?

Stella: Das Szenario will ich mir gar nicht vorstellen. Dann müsste ich wohl einen eigenen Club aufmachen…

Stellas Worte machen deutlich: Clubkultur existiert nur, weil Menschen sie mit Herz, Mut und Hingabe füllen – ein Gedanke, der in der Dokumentation weitergetragen wird.
Clubkultur ist mehr als Nachtleben. Sie ist Schutzraum, Sprachrohr, Experimentierfeld. Ein Ort, an dem Menschen ihre Unsicherheiten abstreifen und ihre Freiheit anziehen können. Doch genau diese Räume geraten zunehmend unter Druck – und mit ihnen die Möglichkeit, sich immer wieder neu zu erfinden.
Die Dokumentation öffnet nicht nur einen seltenen Blick in das Innere des KitKat, sondern erinnert daran, wie viel auf dem Spiel steht.


Wenn Berlin aufhört zu tanzen, hört es auf zu atmen.

Doch solange die Clubs kämpfen, kämpfen auch die Menschen für sie – laut, liebevoll, unnachgiebig. Denn es ist die Energie dieser Orte, die eine ganze Generation trägt. Und sollte einer dieser Räume eines Tages verschwinden, entsteht anderswo etwas Neues: weil die Kultur, die so viele geschaffen haben, nicht endet. Sie wandert weiter, pulsiert weiter, findet einen neuen Keller, ein neues Zuhause, einen neuen Beat.
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