Von Langeweile zu Kreativität? Coverstar Nicole McLaughlins Full-Circle-Ansatz

Wie kann Langeweile der Schlüssel zur Kreativität sein? Nicole McLaughlin zeigt uns, wie sie aus den stillen Momenten ihres Lebens unkonventionelle, nachhaltige Designs entwickelt und Secondhand-Fundstücke in High Fashion verwandelt.

Text: Juule Kay

Während die einen ihr Frühstück still genießen, verwandeln andere es in einen Croissant-BH. Die multidisziplinäre Künstlerin Nicole McLaughlin gehört zu den Menschen, die spontanen Gedanken nachgehen – und Kunst daraus machen. Heels mit Taschenlampen-Absätzen? Abenteuerlich. Ping-Pong-Jibbitz? Let’s play! Ganz gleich, welche ausgefallene Idee ihr in den Sinn kommt, sie wird höchstwahrscheinlich in eurem Instagram-Feed landen. Was vor sieben Jahren als Nebenprojekt begann, als sie noch als Grafikdesignerin arbeitete, hat sich zu einer Vollzeit-Karriere und verschiedenen Kooperationen mit Marken wie Reebok, Oakley und Marc Jacobs, sowie einem ausverkauften Buch mit einem Vorwort von Pharrell Williams höchstpersönlich entwickelt.

Nicole McLaughlins Ansatz basiert dabei nicht nur auf  Designs mit einem Augenzwinkern. Es steckt weitaus mehr dahinter als Humor. Upcycling ist ein zentraler Wert in Nicoles Arbeit. Sie verwendet Materialien, die bereits existieren, seien es Schnäppchen aus dem Secondhand-Laden oder wiederverwendete Alltagsgegenstände. Für unsere Coverstory erklärt die kreative Problemlöserin, wie ihr Gehirn wirklich funktioniert, warum Langeweile für Kreativität entscheidend ist und warum sie Tennisbälle so liebt.

 

Deine Arbeit basiert auf Veränderung. Du nimmst Stoffabfälle oder Flohmarktschätze und verwandelst sie in etwas Neues. Warum?
Das Upcycling der Upcycles entstand aus Notwendigkeit. Es begann als Nebenprojekt, weil ich einen Ausgleich neben meinem Tagesjobs im Grafikdesign brauchte. Ich bin in Secondhand-Läden gegangen und habe Sachen mit nach Hause genommen, um sie neu aufzuarbeiten. Ich hatte auch nicht viel Geld oder Ressourcen, also habe ich einfach die Dinge auseinandergenommen, die ich gemacht hatte. Wenn ich jetzt darauf zurückblicke, bin ich wirklich dankbar, denn es hat mir ermöglicht, nie zu sehr an meiner Arbeit festzuhalten. Es hat mich dazu gedrängt, immer das Potenzial von etwas zu sehen und nie seinen endgültigen Zustand. Einfallsreichtum ist definitiv der rote Faden des Prozesses und etwas, das wirklich wichtig geblieben ist.


Dein Instagram-Account fühlt sich fast wie ein Museum temporärer Ideen an. Wie würdest du die Beziehung beschreiben, die du zu deiner Kunst hast?

Ich liebe vollendete Momente, dafür lebe ich wirklich. Ich bin von einem Praktikum bei Reebok dazu gekommen, später mit ihnen zu kooperieren. Es fühlt sich fast an wie in einem Videospiel, wenn du eine Quest abschließt und etwas explodiert. [lacht] Es könnte einige Missverständnisse über meine Kunst geben, wie „Es sind nur schnelle Ideen“ oder „Es ist nicht gut gemacht“. Wenn überhaupt, hat es mich gezwungen, viel genauer darüber nachzudenken, wie ich meine Designs so einfach wie möglich gestalten kann, um sie zu anschließend wieder dekonstruieren zu können. Zum Beispiel habe ich diesen schwarzen Absatz, den ich seit fünf Jahren benutze. Er ist ziemlich abgerockt, mit Löchern von vergangenen Projekten. Ich musste ihn mehrmals reparieren und anmalen, aber es ist cool zu sehen, wie dieser Absatz so viele verschiedene Leben gelebt hat.

 

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Du bringst Kreativität wirklich auf die nächste Stufe. Es ist ziemlich unkonventionell, ironisch, bedeutungsvoll, aber du nimmt dich nicht zu ernst. Die Frage aller Fragen: Wie funktioniert dein Gehirn?
Es ist manchmal schwer, das in Worte zu fassen. Ich muss sitzen, nachdenken und mich langweilen. Wenn ich viele Inhalte konsumiere, lasse ich meinem Gehirn nicht einfach freien Lauf. Am besten gedeihe ich, wenn ich nichts tue oder einfach bastle, male, stricke oder etwas mache, das anders ist als das Projekt selbst und ich trotzdem kreativ sein kann. Es ging immer um die Idee und darum, sie aus meinem System zu bekommen. Ich versuche auch, die Objekte, die ich im Alltag benutze, bewusst wahrzunehmen. Sie sind uns so vertraut und zugänglich, wie Korkenzieher oder Gemüsehobel. Ich habe Schwierigkeiten, mit Zahlen umzugehen oder Dinge in meinem Kopf zu visualisieren, weshalb ich das Gefühl habe, sehr praktisch sein zu müssen, wenn ich etwas erschaffe.

Ich liebe, dass du gesagt hast, dass du gelangweilt sein musst, um kreativ zu sein, denn wir erlauben uns nicht wirklich, in diesem Zustand zu sein.
Kennst du das noch, wenn du dich als Kind gelangweilt hast und dieses Gefühl hattest, entweder in deinem Bett oder auf dem Gras draußen zu liegen und zu träumen? Das machen wir nicht mehr. Wir versuchen uns immer zu beschäftigen, weil wir oft nicht wissen, was wir mit uns allein anfangen sollen. Dabei gibt es uns Zeit zum Nachdenken auch wenn wir oft mit inneren Gedanken oder Ängsten kämpfen. Langeweile ist wirklich der Schlüssel.

Gibt es ein bestimmtes Objekt, von dem du dich magisch angezogen fühlst?
Tennisbälle! Ich denke die ganze Zeit über sie nach. Das liegt an der Farbe, aber auch an der Textur. Es klingt wirklich verrückt, aber wenn man eine neue Dose Tennisbälle öffnet… der Geruch. Da passt einfach alles. Und es ist so simpel. Ich habe sie für Schuhe verwendet, ich habe eine Carhartt-Mütze daraus gemacht, ein Stück Unterwäsche und eine Teetasse. Ich finde sie so toll. Jedes Mal, wenn ich in der Nähe eines Tennisplatzes jogge, werden sie über den Zaun geworfen. Ich weiß nicht, es macht einfach so viel Spaß, sie zu nutzen.

Fotos: Katharina Poblotzki
Haare & Make-up: Tinna Empera using Hourglass & Oribe
Produktion: Jenny Weser

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Nicole McLaughlin auf dem Cover der BLONDE #50

English version below:

From boredom to creativity? Cover star Nicole McLaughlin’s full circle approach

Some enjoy their breakfast in silence, others make a croissant bra out of it. Multidisciplinary artist Nicole McLaughlin is one of those people who just go with their intrusive thoughts – and make art out of them. Flashlight heels? Adven­turous. Ping pong Jibbitz? Let’s play! No matter what wild idea her creative brain is coming up with, it’s most likely to show up on your Instagram feed. What started as a side project seven years ago, while working as a graphic designer, turned into a full-time career, various collaborations with brands like Reebok, Oakley and Marc Jacobs, and even a sold­-out book with a foreword by the Pharrell Williams.

Her stellar career might seem to be based on distinctive designs with a wink, but there are more layers to it than just humor. Upcycling is a core value of Nicole’s work, using material that already exists, whether that’s thrift store steals or repurposed everyday objects.Here,the creative problem solver explains how her brain really works, why boredom is vital to creativity, and what makes tennis balls the coolest thing ever.

It’s funny because your work is pretty much based on change.You take fabric waste or thrifted gems and turn them into something new and different.
The upcycling of the upcycles started out of necessity. It started as a side project as I needed an outlet outside my day-to- day job doing graphic design. I would go thrifting and take stuff home to rework. I also didn’t have a lot of money or re- sources, so I would just take apart the things that I had made. Looking back at it now, I’m really grateful because it has allowed me to never get too attached to my work. It has pushed me to always keep seeing the potential of something and never its final state. Resourcefulness is definitely the through line of the process and something that has stayed really important.

Your Instagram account almost feels like a museum of temporary ideas. How would you describe the relationship you have with your art?
I love full-circle moments, it’s something I really live for. I went from interning at Reebok to later doing a collaboration with them. It almost feels like in a video game when you’re completing the quest and some- thing explodes. [laughs] There might be some misconceptions around my art, like “It’s just quick ideas” or “It’s not made well”, but I think it’s done in a way that I can take it apart after. If anything, it has forced me to be smarter about how I can make my designs the most simple to deconstruct. For example, I have this black heel I’ve used for five years now. It’s pretty rough, with puncture holes from past projects. I had to repair and paint it several times, but it’s cool to see how this heel has lived so many different lives.

You really take creativity to the next level. It’s quite unconventional, tongue-in-cheek, significant but doesn’t take itself too seriously. The question of all questions: How does your brain work?
It’s hard to put it into words sometimes. I need to sit and think and be bored. When I’m consuming so much content, I am not letting my brain just do its thing. I thrive best when I don’t do anything or just tinker, paint, knit or do something that is different from the project itself while still being in a creative adjacent space. It has always been about the idea and getting it out of my system. I also try to be more aware of the objects I use in my day-to- day life. They are so familiar and accessible, like corkscrews and carrot peelers. I have a really hard time doing numbers or trying to visualize things in my brain, so that’s why I feel like I have to be really hands-on when I create something.

I love that you said that you need to be bored to be creative, as we don’t really allow ourselves to be in that state. Remember being bored as a kid and having that feeling of lying either in your bed or on the grass outside daydreaming? We don’t really have that space anymore, and when we do, we occupy it because a lot of the time we don’t know what to do with ourselves. It only gives you time to think, and we often struggle with inner thoughts or anxieties. Boredom is key, really.

Is there a specific object you feel magically drawn to?
Tennis balls! I think about them all the time. It’s the color, but also the texture. It sounds really crazy, but when you open a new can
of tennis balls… the smell. It just checks every single box. And it’s so simple, too. I’ve used it for shoes, I made a Carhartt beanie out of it, an underwear piece and a tea cup. I also find them so much. All the time I go for a run near the tennis ball courts, they get launched over the fence. I don’t know, it’s so fun to use them.

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