Wir sind alle krank. Zumindest die von uns, die in der Stadt wohnen, den ganzen Tag vor dem Bildschirm sitzen und höchstens zur Bahn oder zum Bus laufen. Schuldig im Sinne der Anklage. Unsere Krankheit heißt „Nature Deficit Disorder“ und bezeichnet die Folgen von Feinstaubbelastung, Naturentfremdung und Bewegungsarmut. Das allein macht uns noch nicht zu unglücklichen Stadtkindern, oder doch? Ich war in den österreichischen Alpen, am Wilden Kaiser und habe für mich rausgefunden, warum wir in der Natur so viel glücklicher und gesünder sind.
2020 ist ums Eck und damit die Erkenntnis der „World Health Organization“, dass Depressionen die zweithäufigste Volkskrankheit ist. Es ist eben alles etwas zu viel geworden, das mit dem Arbeiten, dem Daten, dem 24/7-Online-Sein. Auch wenn man mit dem Begriff der mentalen Krankheit Depression vorsichtig sein sollte, kann man doch verallgemeinern, dass wir alle mental hin und wieder ganz schön herausgefordert sind. Die To-Do’s im Kopf gleichen dem Wald, den wir vor lauter Bäumen nicht sehen. Überm Berg sind wir erst, wenn wir wieder durchatmen können. Bei aller Analogie jetzt mal zum Kern: Ein Ausflug in die Berge wirkt wie ein hochpotentes Antidepressivum. Statt Pillen, versuch’s doch mal wie ich mit Antidepressiva aus der Natur.
Es ist medizinisch erwiesen, dass Bewegung an der frischen Luft auf das Gehirn wirkt. Das Stresslevel sinkt und auch der Blutzucker-Stoffwechsel wird besser, es bilden sich mehr rote Blutkörperchen. Wandern in den Bergen stärkt das Herz-Kreislauf-System und senkt den Bluthochdruck. Es gibt super viele Forschungen über die Benefits der Berge. Und genau so verhält es sich mit dem Wald: Der Wald lindert Stress, stärkt das Immunsystem und hebt das Selbstwertgefühl – und zwar schon innerhalb kürzester Zeit.
Find your happy place
Hier bin ich also, in Scheffau am Wilden Kaiser – mitten in den Kitzbüheler Alpen. Die Kaiser Lodge versprüt einen ganz besonderen Charme zwischen Tradition und Moderne, zwischen fancy und urig, zwischen öko und künstlerisch. In dem schönen Hotel- und Apartmentkonzept sticht mir sofort der eigene See ins Auge. Und für mein Experiment „Urlaub für die Gesundheit“ auch enorm wichtig: Das„Seelig Spa“ und Pool am Dach.
Dieser Ort ist perfekt zum Runterkommen: Die Region rund um den Wilden Kaiser bietet neben Skilandschaften mit 284 Pistenkilometer auf über 1.800 Metern Seehöhe auch die Möglichkeit des Wanderns, Kletterns aber auch Canyonings oder Raftens sowie Kneippwanderwege direkt am Hotel. Ein Ruheort und aufregender Apothekenschrank für die Antidepressiva aus der Natur.
Schon mal was von Waldbaden gehört?
Die Kaiser Lodge bringt vor allem auch Menschen zusammen, die im Einklang mit der Natur ein bewusstes Leben leben möchten: Ein Juwel aus der Gegend ist Gertrude Messner, sie hat den Kräutergarten des Hotels konzipiert und ich darf bei ihr einen Abend der Kräuterkunde erleben. Sie ist der Meinung, dass wir so gut wie alle Alltagsleiden mit Kräutern lindern können: „Salbei, Brennessel und Hanf im Garten, dann kann der Tod lang auf dich warten“, lautet ihre Devise. Und ich lerne Lara Keuthen kennen, sie hat mich hier in Scheffau in die japanische Tradition des Shinrin Yoku eingeführt. Zu deutsch Waldbaden, also sinngemäß „Eintauchen in die Waldluft“. Als wir geklärt haben, dass ich bei diesen Temperaturen zum Glück keinen Badeanzug mit den Wald bringen muss, verstand ich dann am Wehscheidbach, dass es hier um Achtsamkeitsstärkung und Stressreduzierung geht. Lara erklärt, dass sogenannte Terpene, sekundäre Pflanzenstoffe in der Waldluft, sich stärkend auf unser Immun- und beruhigend auf unser Nervensystem und unseren Hormonhaushalt auswirken. Das Waldbaden senkt den Puls, den Blutdruck und schenkt dem Körper nach nur 30 Minuten Regeneration und neue Energie.
Und es ergibt auch Sinn: Die sogenannten Phytonzyden sind die Substanzen, die Bäume bilden, um sich vor Krankheitserregern und Schädlingen zu schützen. Wir Spaziergänger im Wald atmen diese Phytonzyden ein und auch für uns gibt’s einen stärkenden Effekt aufs Immunsystem. Immerhin sind wir auch Natur. Ich umarme Bäume und lausche dem Geplätscher des Bachs – Instagram und Autolärm sind plötzlich vergessen. Alles wird ganz ruhig und ich fühle mich lebendig und fit.
Ich merke, wie ich wieder viel konzentrierter bin und wieder mehr Aufmerksamkeitsspanne habe als ein Goldfisch. Und es ist wirklich spannend: Ich lerne, wie die Bäume miteinander kommunizieren und wie das soziale Verhalten in so einem Wald ist – googelt mal world wide wood und es eröffnet sich eine komplett neue Welt. Die Berge und den Wald mal ganz bewusst erleben, das rate ich jedem, der durchatmen will. Beim Wandern konnte ich Gedanken mal ganz abstellen und wirklich wichtige ordnen. Zum Beispiel, dass ich einmal im Jahr in die Alpen fahren werde, einmal im Jahr Detox vom Alltagsstress – nur die Berge, der Wald und ich.
Dieser Beitrag wurde ursprünglich am 18. November 2019 veröffentlicht.
Im Reisefieber? Dann könnte dich auch das interessieren:
Mein Vanlife ist dein Vanlife
Tradition & Tacos: Ein perfekter Tag in Toronto
Viva Colombia: dem Tourismus-Hype auf der Spur