Ja, es könnte wie der Gipfel der Leistungsgesellschaft wirken, wenn wir jetzt auch noch erfolgreich scheitern müssen. Manchmal liefern Gespräche über ein ungeplantes Ende aber auch neue Perspektiven, die so Manchen helfen, geduldiger damit umzugehen. Drei davon findet ihr diesen Podcasts und Online-Formaten.
Etwas, das zu Ende geht, in positives Licht zu rücken ist nicht leicht. Wer schon ein bisschen über Entwicklungen wie toxische Positivität oder den Doppelstandard von „Du kannst alles erreichen”-Mentalitäten Bescheid weiß, dürfte hier hellhörig werden. Etwas zu Ende zu bringen, zu scheitern, loszulassen, aufzugeben muss aber keine Performance sein. Und trotzdem kennen viele den Komfort, den es manchmal bietet, von genau diesen Erlebnissen aus der Perspektive einer anderen Person zu hören und sich dadurch sogar bestärkt zu fühlen. Zeitweise hilft das Reden über scheitern, aufgeben oder loslassen mehr als jede positive Ermunterung, erzeugt mehr Verständnis als alle motivierenden Worte. Der Begriff „Leidensapartner*innen“ kommt vermutlich nicht von ungefähr.
Nicht Selbsthilfe, aber vielleicht Selbstvergebung
Und so wundert es nicht, dass sich in regelmäßigen Zyklen auch Medien mit Fragen „Ende gut, wirklich alles gut?“ beschäftigen. So entsteht schließlich auch dieser Beitrag hier. Und klar, auch hier kann so ein Diskurs ebenso schnell in eine Richtung umschlagen, die von klischeehaften Self-Help-Büchern nicht weit entfernt ist. Es geht hier aber nicht darum, neue Dogmen über den richtigen Weg für ein Endes oder einen Abbruch zu verkünden – oft gibt es den schließlich nicht. Klar ist auch, dass das Sinnieren Weg zum Ende einer Geschichte ebenso ein Privileg sein kann – vielleicht allein schon dann, wenn Mensch überhaupt die Wahl hat, aufgeben, loslassen oder scheitern zu können. Wer das im Hinterkopf behält und dennoch zu denjenigen gehört, die Ruhe und Kraft im Wissen finden, dass auch für andere der Weg nicht immer linear verläuft, könnte sich in den folgenden Statements gehört fühlen.
Scheitern: Podcast „How To Fail With Elizabeth Day”
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Dieser (englischsprachige) Podcast gibt entgegen seines Titels keinen Step-by-Step-Guide, wie man zum Beispiel in fünf einfachen Schritten richtig scheitert – zum Glück. Vielmehr spricht die britische Journalistin Elizabeth Day hier mit teils mehr, teils weniger prominenten Gästen über „Fails“ in ihrem Leben. Dass das Scheitern damit besonders individuell und je nach Gesprächspartner*in auch unterschiedlich privilegiert ausfällt, ist damit vorprogrammiert. Zugegeben, als Londoner Autorin mit Sponsorings von großen Beautymarken bleibt Day dabei mit ihrer „cheerful” Art das ein oder andere Mal fern von dem, was ihre Zuhörer*innenschaft vielleicht wirklich als Scheitern verstehen würden. Trotzdem bittet sie ihre Gäst*innen in jeder Folge darum, verschiedene Erfahrungen des Scheiterns von groß bis klein, von beruflich bis privat mitzubringen. Spannend bleiben dabei die ehrlichen Beschreibungen mancher, wie zum Beispiel die von Modedesigner Henry Holland, der als einer der ersten schon früh in der Corona-Krise offen darüber sprach, sein gefeiertes Modelabel einstampfen zu müssen. Es gibt aber auch Folgen mit nicht-prominenten Talk-Partner*innen und weniger glamourösen Themen.
Loslassen: Podcast „Was wir wollten”
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Nicht ums Scheitern, aber ums Loslassen geht’s im Podcast „Was wir wollten”, der die gleichnamige neue Netflix-Serie begleitet. Der Journalist und Autor Friedemann Karig, in der Podcastwelt sonst bekannt für seine Diskussionen mit Samira El Ouassil, spricht hier mit deutschen Prominenten über ihre Erfahrungen mit einem Ende in Form des Loslassens. Mit dabei sind zum Beispiel BLONDE-Interviewpartner Tarik Tesfu, Autorin Mirna Funk oder die Tennisspielerin Andrea Petković. Sie sprechen über das Ende von zwischenmenschlichen Beziehungen, das Loslassen von Orten. Es geht aber auch um das Entsagen auch von Idealvorstellungen oder Erwartungen der deutschen Mehrheitsgesellschaft. Dabei handeln aber nicht die gesamten 45 Minuten eines jeden Talks vom Loslassen. Karig interviewt die Gäst*innen auch zu ihrem allgemeinen Lebensverlauf und wie sie jeweils an den Punkt des Abkapselns gekommen sind. Für eine etwas offenere Interpretation eines „Endes” und unterschiedliche Perspektiven darauf könnte dies eine Horpröbe wert sein.
Aufgeben: Insta-Format „Mädelsabende”
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Der Instagram-Kanal „Mädelsabende“ informiert in Themenwochen immer wieder zu vielfältigen gesellschaftliche Diskussionen, von psychologischen über körperliche bis hin zu ökologischen oder ökonomischen Fragen. Diesen Fragen widmen die vier Hosts des Kanals je eine Woche, die sie mit recherchierten Insta-Posts, Video-Interviews und Story-Formaten aufbereiten. In einer dieser Wochen widmete sich Host Farah dem Thema „Aufgeben”. Sie spricht über das Stigma rund ums Aufgeben mit Menschen, die ihren Kinderwunsch aufgaben, ihren Namen oder ihren beruflichen Traum. Dass das nicht immer in die totale Verdammnis führen muss, ist als Fazit der Woche schon erkennbar. Für eine interaktive Auseinandersetzung, die einen entspannten Umgang mit Aufgeben fördern will, eignet sich das Format also allemal. Mädelsabende ist darüber hinaus gerade ebenfalls mit einem eigenen Podcast gestartet – vielleicht wird die Diskussion hier also bald fortgesetzt.
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