Der Amorelie Sexreport 2023 zeigt, dass wir immer noch mehr über Sex sprechen müssen

Umfragen zum Thema Sex findet unsere Autorin spannend. Doch obwohl sich im Amorelie Sexreport 2023 viele aufschlussreiche Zahlen finden, hat ein Kapitel noch Verbesserungsbedarf, wie sie findet.

Vor ein paar Tagen fand ich bei meinem morgendlichen Kaffee Nummer drei eine neue E-Mail in meinem Postfach. „Out Now: Amorelie Sexreport 2023 stand im Betreff. Diese wenigen Wörter reichten mir, um meine anderen Aufgaben beiseitezuschieben und meine Aufmerksamkeit voll und ganz zwei meiner liebsten Themen zu widmen: Umfragen und Sex – nicht unbedingt in dieser Reihenfolge. Doch bevor ich näher auf die Ergebnisse und meine persönlichen Gefühle dazu eingehe, möchte ich die Rahmenbedingungen der Umfrage abstecken. Von 2000 Befragten identifizieren sich 50 % als männlich, 50 % als weiblich und 0,5 % als divers. 81 % davon geben an, dass sie ihre sexuelle Orientierung als heterosexuell beschreiben würden, 8 % als bisexuell, 6 % als homosexuell, 1 % als polysexuell, 2 % als pansexuell und 1 % als asexuell. Daher sprechen die Zahlen im Report eher für die Personen, die heterosexuellen Sex praktizieren – so viel vorweg zur Einordnung.

Zurück zu meinem dritten Kaffee und dem eigentlichen Sexreport. Dieser ist in drei Kapitel eingeteilt. Lust und Vorliebe, Sexfantasien und Orgasmus. In der ersten Kategorie finden sich Daten zu Fragen wie „Wie häufig haben wir Sex” – 36 % und somit der Mehrheit der Befragten werden mehrmals im Monat intim –, „Was sind die Top-Lust-Macher” – Kuscheln und Körperkontakt stehen ganz oben auf der Liste –, oder „Verführen oder verführt werden” – 41 % finden beides gut. Richtig juicy wird es dann im zweiten Kapitel, wenn es um die Sexfantasien geht. Hauptsächlich bin ich aber erst mal geschockt, denn fast jede*r Fünfte wünscht sich mehr Abwechslung im Bett und jede*r Vierte hat sexuelle Wünsche, die in der Beziehung gar nicht ausgesprochen werden. Das kollidiert mit dem Ergebnis, dass nur jede*r Zehnte die eigenen Fantasien ausleben möchte. Ich mache eine kurze Pause beim Lesen und frage mich, wo ich mich selbst auf diesem Spektrum einordnen würde. Ehrlich gesagt habe ich bis jetzt alle Dinge, die ich beim Sex mit meinem Partner ausprobieren wollte, offen angesprochen. Kommunikation ist Key gerade beim Thema sexueller Vorlieben. Aber ich will nicht von mir auf andere schließen, also widme ich mich dem nächsten Kapitel des Reports.

Orgasm Gap: Männer kommen immer noch öfter als Frauen

Das Thema Orgasmus finde ich nämlich auch außerhalb des Umfrage-Kontexts sehr spannend. Zum einen aus dem einfachen Grund, dass ich einfach selber gerne einen haben und zum anderen, weil ich mich mit meinen Freundinnen auch oft darüber unterhalte. Ich spreche aus einer cis Frau-Perspektive und meine genannten Freundinnen identifizieren sich auch alle als cis Frauen. Bei diesen Gesprächen finde ich es immer spannend zu hören, wie unterschiedlich wir am besten kommen und meist liegen Welten dazwischen, wie es mit und ohne Partner*innen abläuft. Vor allem, wenn es um den Sex mit cis Männern geht. Da wie zu Anfang bereits gesagt 81 % der Befragten ihre sexuelle Orientierung als heterosexuell beschreiben würden, gehe ich davon aus, dass die meisten Frauen in der Umfrage ebenfalls von Erfahrungen beim Sex mit Männern sprechen. Deshalb bin ich auf der einen Seite verwundert, auf der anderen aber auch nicht, dass laut dem Amorelie Sexreport nur etwa jede vierte Frau durch Penetration kommen kann und 66 % schon einmal einen Orgasmus vorgetäuscht haben. Der häufigste Grund sei dabei, dass man die Stimmung nicht trüben wolle, weil der Sex eigentlich schön war.

Wenn nur 56 % der befragten Frauen beim Sex den Höhepunkt erreichen, aber 86 % der Männer läuft irgendwo etwas falsch. Dieses Phänomen hat sogar einen Namen – Orgasm Gap. Zurückzuführen ist diese Ungleichheit der Orgasmen zum einen auf die fehlende Aufklärung bei Männern wie auch Frauen. Eine Studie von YouGov zeigt, dass ein Drittel der Befragten die Klitoris nicht richtig benennen können. Zum anderen werden Pornos gerade von Männern immer noch als Vorbild für guten Sex gesehen. Da diese meist nach dem Male Gaze geprägt sind, bleiben die verschiedenen Möglichkeiten einer Frau Lust zu bereiten und sie zum Orgasmus zu bringen, meist auf der Strecke. Denn das viel zitierte „rein und raus” reicht eben nicht immer, wie auch der Amorelie Sexreport zeigt. Doch was kann getan werden, damit im nächsten Jahr deutlich mehr Frauen von einem Orgasmus beim Sex berichten können und weniger das Gefühl haben, diesen vortäuschen müssen?

Manchmal ist Reden eben doch Gold

Zwei Worte: Kommunikation und Wissen. Es sei an dieser Stelle gesagt, dass wir in den letzten Jahren schon um einiges weiter gekommen sind, was sexuelle Aufklärung angeht. Online finden sich mittlerweile viele Ressourcen, die sich mit dem Thema der weiblichen Lust beschäftigen. Auch auf TikTok und Instagram gibt es einige Creator*innen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, ihr Wissen zu teilen, Mythen aufzudecken und das Thema Sex zu enttabuisieren. Der Amorelie Sexreport trägt ebenso dazu bei, dass offener darüber gesprochen wird. Allerdings ist, was die Aufklärung betrifft, noch ordentlich Luft nach oben, was auch die genannte YouGov Studie belegt. Besonders an Schulen und im familiären Kontext sollte das Thema Sex nicht nur in einem kurzen und meist unangenehmen Gespräch behandelt werden, sondern über einen längeren Zeitraum und zu mehr Themen als nur Verhütung und Periode.

Das stellt die perfekte Überleitung zur Kommunikation dar, denn auch bei der Aufklärung ist diese von größter Wichtigkeit. Aber auch darüber hinaus sollten wir uns vermehrt damit auseinandersetzen, unsere sexuellen Vorlieben und Lustmacher unseren Partner*innen zu kommunizieren und nicht zu schweigen, weil so vermeintlich die Stimmung getrübt wird. Denn am Ende geht es beim Sex nicht nur um den Orgasmus, sondern um viel mehr. Die Hälfte der Befragten des Amorelie Sexreports geben an, dass sie Sex dann als gut empfinden, wenn es beide voll genießen können – egal ob „Happy End” oder nicht. Der Vorsatz für den Rest des Jahres sollte also sein, vor dem eigentlichen Intimwerden mit den Sexpartner*innen darüber zu sprechen, was wir eigentlich brauchen bzw. mögen beim Sex. Denn so wird es nicht nur für uns selbst ein schönerer Moment, sondern es fühlt sich auch einfach besser an, wenn die Partner*innen es richtig genießen können. Ich bin auf jeden Fall schon gespannt auf den Sexreport 2024.

Bilder: PR

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