Echoes of Change ist eine Reihe an persönlichen Essays, in denen uns Sänger Adam Ulanicki, Model und Künstlerin Anuthida und Fotografin Meklit Fekadu Tsige ihre Erfahrungen und Gefühle zum Thema Veränderung mit uns teilen.
Liebe und Schmerz, Freude und Depression, Vergangenheit und Gegenwart: Adam Ulanickis Musik lebt vom Spiel der Gegensätze. Auf seiner ersten EP Gray teilt er persönliche Geschichten von inneren Kämpfen, Halt und Frieden. Für unsere neue Ausgabe teilte der Sänger seine Gedankenwelt mit uns und versucht seine Beziehung zu seiner neuen Singstimme nach der Transition in Worte zu fassen:
Adam Ulanicki: War es Liebe oder Egoismus?
Ich bin wütend, aber ich weiß nicht, auf wen. Vielleicht ist das gar nicht wichtig. Veränderung muss nicht immer bedeuten, dass es besser wird. Es heißt aber auch nicht, dass es schlechter wird. Was es genau bedeutet, finde ich gerade heraus. Ich weiß aber, dass man niemals stehen bleiben darf. Es ist wichtig, immer weiterzugehen, auch wenn der Weg dich vor eine Veränderung stellt. Habe den Mut.
Die Frage, die mich täglich verfolgt, lautet: War es Liebe oder Egoismus? War es ein Zeichen meiner Selbstliebe, dass ich das Kostbarste, was ich besaß – meine damalige Singstimme – aufgegeben habe, um mir treu zu sein? Oder war es egoistisch, meinen größten Schatz zu vergraben, um mein körperliches und seelisches Leid durch die Hormontherapie zu lindern? Keine Entscheidung hätte mir diese Frage erspart. Egal, für welche Möglichkeit ich mich entschieden hätte, ich würde eines von beiden für immer betrauern. Ich bereue nichts und dennoch fühle ich mich schuldig.
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Wenn es eine Entscheidung aus Liebe war, warum spüre ich diese Liebe nicht? Warum fühle ich mich verraten und nicht geliebt? Fühle ich mich von mir selbst verraten, weil ich glaube, meine eigene Liebe nicht wert zu sein? Vielleicht war es weder Liebe noch Egoismus. Es ist, als hätte man einen Vater dazu gezwungen, sich zwischen seinen beiden Kindern zu entscheiden. Er kann weder das eine noch das andere aufgeben. Er liebt sie beide. Für wen soll er sich entscheiden? Am liebsten hätte er sich selbst gewählt, aber das darf er nicht.
Durch meinen Wandel habe ich vieles verloren, aber auch vieles gewonnen. Eine Geschichte. Menschen, die mich lieben, wie ich bin. Um die Wahrheit zu sagen, habe ich meine neue Stimme noch nicht lieben gelernt. Es ist nicht leicht, denn die Stimme hat ihren eigenen Willen. Vielleicht spürt sie, dass ich sie nicht mag. Aber die Musik bringt uns näher und wir kommen besser miteinander aus als am Anfang. Akzeptanz ist das Einzige, was bleibt.
Veränderung muss nicht immer bedeuten, dass es besser wird. Es heißt aber auch nicht, dass es schlechter wird.
All diesen Schmerz kann ich nur durch Musik verarbeiten. Auch wenn meine heutige Stimme mich belastet, fühlt es sich an, als würde ich singen, um mir selbst zu vergeben. Also singe ich so lange mit einer Stimme, die mich traurig macht, bis ich lerne, sie zu lieben. Ich bin dankbar, dass ich mit künstlicher Intelligenz meine alte Singstimme in meine Musik einbinden kann. So ist doch nicht der ganze Schatz für immer vergraben. Auch wenn mich all diese Gedanken belasten, liebe ich die Musik, die dadurch entsteht. Es ist ein wunderschöner Schmerz.
Mit einem Auge sehe ich im Spiegel jemanden, der Mut gefunden hat zu leben. Auch wenn das andere Auge im Spiegel mich hasst. Ich glaube fest daran, dass alles einen Sinn hat. Alles wertzuschätzen ist eine Erkenntnis, die mir die Veränderung gebracht hat. Denn nichts ist für immer.
Foto: PR
Text: Adam Ulanicki
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