Diese Übersicht zeigt einen Teil der vorrangig deutschsprachigen Quellen, Organisationen und finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten für antirassistisches Handeln in Deutschland.
Die Informationsmenge zu Rassismus, oder eher zum Kampf gegen denselben, ist besonders in diesen Tagen dicht. Der Mord an zuletzt George Floyd in Minneapolis, die daraus resultierenden Proteste gegen Polizeigewalt in den USA, aber auch Diskussionen, Debatten und Initiativen auf Social Media (die ambivalent bewertet werden können und wurden) sind nur die Spitze des Eisbergs. Sie haben in den letzten Tagen aber vor allem eines erneut hervorgehoben: Die Pflicht, on- wie offline und, über Social-Media-Aktivismus hinaus, langfristig antirassistisch zu handeln. Dafür gibt es gerade jetzt ein in seiner Bündelung hohes Level an Informationen, die vor allem auf Instagram ein besonders großes Outlet gefunden haben. Dieser Beitrag dient dazu, ebenfalls einen Überblick über wichtige und praktische Quellen zu antirassistischem Handeln aufzubereiten – angefangen bei der eigenen Weiterbildung und der eigenen zu internalisierenden, langfristigen Praxis-Strategie.
Die (jüngsten) Mordfälle und Proteste in den USA umfassen Rassismus, der sich gegen Schwarze Menschen richtet. In dieser Übersicht geht es daher vor allem um Quellen und Organisationen, deren Arbeit zu Rassismus und antirassistischem Handeln zwar auch auf andere IPoC anwendbar ist, vor allem aber Erfahrungen der Schwarzen Community thematisiert.
Schwarz meint nicht die Beschreibung einer biologischen Eigenschaft oder Hautfarbe, sondern die Selbstbezeichnung Schwarzer Menschen im politischen Sinne und im Bezug auf gemeinsame Rassismuserfahrungen und von Rassismus beeinflusste gesellschaftliche Position. Aus diesem Grund wird Schwarz oft mit großem „S” geschrieben.
Weiß/weiße Menschen meint ebenfalls keine Hautfarbe oder biologische Eigenschaft, sondern die soziale Konstruktion um Menschen, deren soziale, politische und kulturelle Privilegien ihnen im Machtgefüge des Rassismus eine privilegierte Position zuweisen. Diese Position bleibt meist unausgeprochen oder unbenannt. Amnesty International schreibt im Glossar für Diskriminierungssensible Sprache: „Weißsein umfasst ein unbewusstes Selbst- und Identitätskonzept, das weiße Menschen in ihrer Selbstsicht und ihrem Verhalten prägt und sie an einen privilegierten Platz in der Gesellschaft verweist, was z.B. den Zugang zu Ressourcen betrifft.”
People Of Color bzw. BIPoC (Black, Indigenous and People of Color) ist eine ebenfalls politisch gemeinte Selbstbezeichnung für Menschen mit Rassismuserfahrungen, die aufgrund von (rassistisch) zugeschriebenen Punkten wie einer vermeintlichen Hautfarbe in einer weißen Mehrheitsgesellschaft marginalisiert und ausgeschlossen werden. Der Begriff meint das solidarisches Bündnis mehrerer Communities und wird in Ermangelung einer passenden Übersetzung aus dem Englischen übernommen. Mehr zum Begriff hier bei Diversity Arts & Culture Berlin oder der Heinrich Böll Stiftung.
Quellen: Amnesty International Glossar für diskriminierungssensible Sprache, Diversity Arts & Culture Berlin, Heinrich Böll Stiftung, Zeit Campus, VOGUE.de
Der im Folgenden erwähnte strukturelle bzw. institutionalisierte und alltägliche Rassismus fokussiert in diesen Quellen vor allem Prozesse im deutschprachigen Raum – denn auch hier tötet Rassismus. Unabhängig davon ist es aber besonders die Pflicht nicht-Schwarzer Menschen, Anti-Black Rassismus zu bekämpfen und sich präsent und ausnahmslos mit der Black Community zu solidarisieren, um sogenannte „Allyship” tatsächlich und effektiv zu praktizieren. Dabei gilt, bei sich selbst und im engsten Kreis mit der antirassistischen Arbeit anzufangen oder sie fortzusetzen. Weiterbildung ist ein Privileg. Es ist nicht die Aufgabe von Schwarzen Menschen, selbst die Aufklärungsarbeit zu leisten oder als Lehrer*innen Rede und Antwort zu stehen oder die Hand zu halten.
Dennoch kuratieren und recherchieren zahllose Mitglieder der Black Community selbst seit langer Zeit essentielle Arbeiten im Antirassismus und bereiten sie auf. Während viele Informationen auch nicht-Schwarze Konsument*innen adressieren, gilt es jedoch auch zu bedenken, dass nicht alle bereitgestellten Infos immer für jenes Publikum gedacht sind, sondern sich auch intern an die Community richten. Viele der Werke und die darin beinhalteten Informationen sind außerdem (mittlerweile) gratis zugänglich, was nicht selbstverständlich ist. Unabhängig davon, dass wir hier finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten für Organisationen und Personen im Kampf gegen Rassismus angeführt haben, können also Kosten, die normalerweise z.B. für den Kauf eines (Hör-) Buchs entstanden wären, direkt an deren Kreateur*in/Organisation oder eine antirassistische Institution eurer Wahl gespendet werden. Es geht hierbei außerdem darum, die Arbeit der Schwarzer Kreateur*innen nicht auf ihren eventuell persönlichen Umgang mit Rassismus zu reduzieren und daraus einen einfachen Inhalt zu generieren. Auch wir als Medium profitieren aber seit jeher von der Kultur der Black Community, von Ideen, Trends, Talenten, Erfahrungen, von ihrem Wissen. Es geht also darum, den schon lange lauten Stimmen zuzuhören und dann zu handeln – angefangen mit den untenstehenden Informationen.
Diese Sammlung ist nur ein Teil der verfügbaren Informationen, aktiven Personen und Organisationen und kann für euch ständig erweitert werden. Sie fokussiert außerdem die Arbeit von Einzelpersonen, Organisationen und Literatur, was Medien wie Podcasts, Dokumentationen, Musik und Film natürlich nicht ausschließt.
INFORMATION
- Tupoka Ogette, „EXIT RACISM”, (Hör-) Buch
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Das anleitende Buch der Autorin, Anti-Rassismus-Trainerin und Podcasterin Tupoka Ogette ist seit April 2020 auf Spotify verfügbar. Wer das Hörbuch dort hört, kann die Autorin direkt hier finanziell supporten. Der Preis des Taschenbuchs beträgt 12.80€.
- Alice Hasters, „Was Weiße nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten”, (Hör-) Buch
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Die Journalistin Alice Hasters (ein Teil des Podcast-Duos Feuer und Brot) schildert in ihrem ebenfalls viel geteilten und auf Spotify verfügbaren Buch persönliche Erfahrungen mit Rassismus, verweist jedoch auch auf wissenschaftliche Quellen und weitere Literatur, wie zum Beispiel „Farbe bekennen” von Katharina Oguntoye, May Ayim und Dagmar Schultz (Hrsg.) oder „Deutschland Schwarz-Weiß” von Noah Sow. Zu Rassismus innerhalb der Polizei empfahl sie auch Bücher von Roger Rekless und Mohamed Amjahid.
- Aminata Touré, @aminajmina, ist Politikerin und Vize-Vorsitzende des Landtags in Schleswig-Holstein. Hier spricht sie mit ZDFheute über Rassismus in Deutschland.
- Fabienne Sand, @ffabae, ist Redakteurin und Autorin und hat in ihren Highlight-Storys auf Instagram Themen wie White Saviorism, Blackfacing, Kolonialismus, Eurozentrismus, White Fragility, Cultural Appropriation und vieles mehr zusammengefasst. Weitere Quellen sammelte sie in ihrem Beitrag zu 18 Pflichtlektüren & Doku-Tipps gegen rassistische Machtstrukturen auf „This Is Jane Wayne”.
- Natascha A. Kelly ist Kommunikationssoziologin, Autorin und Gründerin des Black European Academic Network. Außerdem arbeitet sie als Filmemacherin und Regisseurin. Hier erklärt sie, warum das Konzept des „Umgekehrten Rassismus” nicht existiert.
- Hadija Haruna-Oelker ist Redakteurin, Moderatorin und Autorin, arbeitet derzeit hauptsächlich für den Hessischen Rundfunk und hat für Medien wie Die ZEIT, fluter, den Tagesspiegel und Deutschlandfunk Kultur geschrieben. Während ihre Arbeiten ein breites Portfolio umfassen, lest ihr hier solche zum Schwerpunkt Rassismus.
ORGANISATIONEN, weitere Infos und mehr Supportmöglichkeiten
- Die Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland Bund e.V., kurz ISD-Bund, gehört zu den bekanntesten antirassistischen Organisationen Schwarzer Menschen in Deutschland. Die Initiative kämpft aktiv gegen Benachteiligung, Ausbeutung und rassistische Diskriminierung und bietet Räume und Aktivitäten für Schwarze Kinder und Jugendliche an. Hier könnt ihr direkt spenden.
- „ADEFRA e.V. – Schwarze Frauen in Deutschland” wurde in den 1980er Jahren gegründet. Die Selbstorganisation versteht sich als „queer*feministisches Kollektiv und kulturpolitisches Forum von und für Schwarze Frauen”. Inspiriert wurde die Gründung durch Aufenthalte und Werke der Theoretikerin, Lyrikerin und Aktivistin Audre Lorde in Berlin. Hier könnt ihr direkt spenden.
- Anna Baur und Joanna C. Schröder sind Teil der BLONDE-Family und haben sich mit ihrer Plattform Heartxwork.com das Ziel gesetzt, „mehr als Rassismuserfahrungen und Identitätsfragen” hervorzuheben. Ihre Story lest ihr hier.
- Each One Teach One (EOTO) e.V. leistet neben Veranstaltungen vor allem Bildungs- und Empowermentarbeit durch seine Bibliothek zu afrodiasporischer Literatur, Kultur und Philosophie, die eine „einmalige Sammlung von Primärquellen zu Schwarzer Deutscher Geschichte zur Wendezeit“ umfasst. Weitere Infos gibt’s außerdem bei Projektleiter Jeffrey Klein, Mitglied im Migrationsrat Berlin. Hier könnt ihr direkt an EOTO und hier an den Migrationsrat spenden.
- GLADT e.V. ist eine unabhängige und multilinguale Selbstorganisation von Schwarzen und of Color Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans*, Inter* und queeren Menschen. Einen besonderen Fokus legt die Organisation auf Intersektionalität, also das Überschneiden und Ineinandergreifen mehrerer Diskriminierungserfahrungen. Zum Angebot gehören unter anderem Beratung, Veranstaltungen und Workshops, die dem Motto „Gemeinsam füreinander“ folgen. Hier könnt ihr direkt spenden.
- Anna Dushime, Redaktionsleiterin beim Bohemian Browser Ballett und Comedy mit Aurel von funk postet in Zusammenarbeit mit Yolanda Becool in ihrer Story jeden Tag eine Organisation, die sich für die Opfer von Polizeigewalt einsetzt. Darunter ist zum Beispiel die Initiative Oury Jalloh.
- Emilene Wopana Mudimu, bei Instagram black_is_excellence, arbeitet als Sozialpädagogin und gibt Workshops zu Rassismuskritik. Über das Commitment weißer Menschen in der Auseinandersetzung mit rassistischen Morden spricht sie hier
- Tarik Tesfu, @tesfu_tarik sagt, in seiner Late Night Show „Tariks Trallafittishow“ ginge es eigentlich hauptsächlich um Beyoncé und Whitney Houston – seine neuen Follower*innen begrüßt er aber in diesen Tagen mit den Themen, um die es dem Content Creator aber vor allem geht: Antirassistische Arbeit, queeren und intersektionalen Feminismus, Mode und Comedy.
- Aminata Belli war schon Teil verschiedener Geschichten von NYLON und BLONDE und ist mittlerweile vor allem als Moderatorin unterwegs. Innerhalb der letzten Tage hat sie u.a. ihre eigene Talkrunde „Sitzplatzreservierung” mit Hadnet Tesfai als Reaktion auf weiße Besetzung von Talkshows zum Thema Rassismus gestartet.
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- Als Reaktion auf die Verwendung des N-Wortes im Mecklenburg-Vorpommerischen Landtag hat Charlotte Nzimiro, Aktivistin und Admin hinter @blackpowergermany, zu Beginn des Jahres eine Petition zur rechtlichen Anerkennung des Wortes als rassistische Beleidigung gestartet, in der außerdem dessen Verbot gefordert wird. Zur Petition gab es vor einigen Monaten auch Demonstrationen in Hamburg und Köln – mit Teilerfolg, denn in letzterer Stadt wurde das Wort nun vom Rat der Stadt verboten. Die Petition kann aber nach wie vor unterschrieben werden, zum Ziel von 150.000 Stimmen fehlen noch ca. 18.000 Unterschriften.
Inhalte und Auseinandersetzungen zum Thema Rassismus und antirassistische Arbeit findet ihr auch in weiteren kulturellen Kontexten wie Mode, Beauty, Kunst, Poesie, Musik und Film, zum Beispiel auf den Accounts Kids Of the Diaspora, Nura, Toni Dreher, Ami Coco, Poliana Baumgarten, Christl Clear, Sadé Nadia, Isi Ahmed, Jada und vielen mehr.
Dieser Beitrag wurde ursprünglich am 05. Juni 2020 veröffentlicht.
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