Vaginaler Ausfluss als Parfum? Über mein Experiment mit „Vabbing”

Bild: Deon Black/pexels (bearbeitet)
Laut dem Vabbing-Trend auf TikTok sollen uns Pheromone im Ausfluss attraktiver machen: Wer andere anziehen will, trägt ab jetzt das eigene Sekret als Parfum. Unsere Autorin wollte das nicht glauben – und hat ihr „Eau de Vagina“ selbst ausprobiert.

Vor einigen Wochen scrollte ich nachts mal wieder durch die unendliche Flut an Videos auf TikTok. Süße Baby-Katze – swipe. „Stranger Things”-Spoiler – swipe. Vaginalen Ausfluss als Parfüm benutzen, um attraktiver zu wirken– swipe. Moment, was soll ich bitte wofür nutzen? Ich scrolle zurück und schaue mir das ganze Video der TikTokerin Mandy Lee zum sogenannten „Vabbing” („Vagina Dabbing”) an. „Wenn du vabbst, wirst du Leute anziehen. Ein Date oder One-Night-Stand zum Beispiel. Oder du bekommst einfach die ganze Nacht gratis Drinks.” All das sollen meine hauseigenen Pheromone möglich machen, die sich in meinem natürlichen Ausfluss tummeln. Das klingt zu gut um wahr zu sein – also lese ich mich am nächsten Tag tiefer insThema ein. Vabbing hatte bereits 2019 einen kurzen Moment auf der Internet-Bühne. Damals widmete die Sexologin Shannon Boodram dem „Eau de Vagin” ein ganzes Kapitel in ihrem Buch „The Game of Desire: 5 Surprising Secrets to Dating with Dominance – and Getting What You Want”.  Sie schwört darauf, dass Personen mit einer Vagina Dank des eigenen Dufts unwiderstehlich werden und sich vor Verführer*innen kaum noch retten könnten. Beweisen, dass es wirklich wirkt, kann sie jedoch nicht.

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Eigentlich kennen wir Pheromone aus der Tierwelt. Besonders Insekten setzen diese frei, um unter anderem Gefahr oder Paarungsbereitschaft mit Artgenossen zu kommunizieren. Allerdings ist ein Pheromon nicht einfach ein Duft oder Körpergeruch, sondern sie können sich je nach Situation verändern. Pheromone beeinflussen andere Wesen der gleichen Spezies und bewirken Änderungen in deren Verhalten. Klingt easy, oder? Wer wie ich schon jetzt den beherzten Griff in den Schritt wagen möchte, muss allerdings gewarnt sein: Es ist zwar sehr wahrscheinlich, dass auch Menschen Pheromone haben, aber bisher ist noch nicht bewiesen, dass wir das diese überhaupt wahrnehmen können. Viele Tiere habe dafür ein spezielles Organ namens „Vomeronasal-Organ”, welches bei einem menschlichen Fötus zwar zu finden ist, nach der Geburt allerdings noch nicht nachgewiesen werden konnte, dass es auf Pheromone reagiert.

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Tür zu, Hose runter, Finger rein und los

Nachdem ich mich durch diverse TikToks gescrollt habe, die auf Vabbing schwören und mir ein weiteres Video zum Thema Pheromone angeschaut habe bin ich im Zwiespalte. Die einen sagen, es funktioniere, der andere sagt, dass es sehr unwahrscheinlich sei. Jetzt gibt es nur einen logischen nächsten Schritt – ich muss das Ganze selbst ausprobieren. Die erste Hürde ergibt sich schon in der Planungsphase: Vabbing soll mich vor Allem körperlich anziehender machen, aka meine Pheromone angeln mir im besten Fall eine Person, die die Nacht mit mir verbringt. Die habe ich allerdings schon vor fast drei Jahren ganz ohne vaginalen Ausfluss am Hals gefunden und falsche Hoffnungen möchte ich niemandem machen. Also wird mein ahnungsloser Freund, der eigentlich nur einen entspannten Abend mit mir verbringen wollte, zu meinem Testobjekt. Bevor es mit dem eigentlichen Experiment losgeht, bedarf es einer Hypothese und einiger Grundregeln.

Hypothese:

Als Parfum eingesetzt, soll mich mein Ausfluss unwiderstehlich machen 

Fragen:

Wird der Geruch von zum Beispiel Rauch überdeckt?
Wirkt es nur auf Personen des anderen Cis-Geschlechts?

Vorbereitung:

  Keine anderen Parfums oder Deos unmittelbar vor dem Experiment auftragen
  Sex mit dem Freund vor der Durchführung – sonst kann ich nicht ermitteln ob vermehrtes Fummeln, Küssen, Nähe nicht einfach nur daran liegen, dass wir uns länger nicht gesehen haben

Es fühlt sich komisch an. Sofort komme ich mir unhygienisch vor. Aber ich schiebe die internalisierte Misogynie beiseite und drücke als Alibi einmal die Klospülung. Ich bin bereit!

Samstagabend: Frisch geduscht nach einem verschwitzten Tag im Wald (und im Bett) wollen mein Freund und ich Essen gehen. „Warte, ich gehe vorher noch auf die Toilette”, sage ich und verschwinde ins Bad. Knopf auf, Hose runter, schnell mit zwei Fingern den „Abstrich” gemacht und auf Hals und Handgelenke getupft. Es fühlt sich komisch an. Sofort komme ich mir unhygienisch vor. Aber ich schiebe die internalisierte Misogynie beiseite und drücke als Alibi einmal die Klospülung. Ich bin bereit! Im Treppenhaus laufe ich extra vor meinem Freund, damit er eine ordentliche Dosis meiner natürlichen Pheromone abbekommt. Auch auf dem Weg zum Restaurant werfe ich mein Haar immer wieder über eine Schulter, damit mein Hals frei liegt. Das beschert mir allerdings nur irritierte Blicke vom Testobjekt und bis wir eine Viertelstunde später am Tisch sitzen, startet er keinen Annäherungsversuch. Gut, wir hatten auch erst vor zwei Stunden Sex, das gehörte schließlich zu meiner Vorbereitung. Doch auch beim  Abendessen passiert nichts und zwischen Burger mit Pommes und großer Apfelschorle vergesse ich mein Experiment. Erst auf dem Weg zurück nach Hause fällt mir wieder ein, dass ich heute auf einer Mission war! Ich kann es nicht mehr für mich behalten und erkläre meinem verwirrten Freund, dass er mein geheimes Testobjekt war und womit ich mich die letzten Tage beschäftigt habe. Er speichert die neuen Informationen in dem Ordner „Crazy Journalist Girlfriend” ab und gibt mir eine ernüchternde Antwort auf die Frage, ob er denn etwas bemerkt hätte: „Nee.”

Nachdem unsere Autorin die Vabbing-Methode bei ihrem Freund ausprobiert hat, will sie es genauer wissen. Für ihr zweites Experiment sucht sie sich deshalb eine ganze Reihe an Testobjekten. Bild: Pixabay/Pexels (bearbeitet)

Business-Talk statt free Drinks

Eigentlich sollte nach diesem einen Experiment mein Fazit-Artikel entstehen, aber mit diesem Ergebnis gebe ich mich nicht zufrieden. Irgendwie habe ich mir dann doch erhofft, dass etwas passiert. Lag es an meinem Freund, der mich einfach schon lange kennt und den ich nicht mehr „anlocken” muss, damit er mit mir ins Bett geht oder mir einen Drink ausgibt? Hat mein Zigarettengeruch – auf dem Weg zum Restaurant habe ich geraucht – meine Pheromone überdeckt? Fragen, dank denen ich zu dem Schluss komme, dass ich ein Folge-Experiment in anderer Umgebung durchführen muss. Aber das Zeitfenster wird immer enger, denn meine Periode soll in einer Woche anfangen und mit Blut am Hals werden mir trotz möglicher Pheromone wohl keine Drinks ausgegeben. Also, was tun? Alleine in einer Bar zu sitzen finde ich unangenehm und nach Möglichkeit sollte ich mich unter Menschen befinden, die auch socializen wollen. Sowas wie eine Party halt, aber unter der Woche. Zum Glück haben sich Medienschaffende Presse-Events einfallen lassen und weil mir die Vagina-Göttin wohlgesonnen war, fand eine dieser Veranstaltung nur ein paar Tage nach meinem enttäuschenden ersten Experiment statt. Diesmal wird es bestimmt besser laufen, da bin ich mir sicher.

Jetzt halte ich alle anderen auf, weil ich mir wegen eines blöden TikToks fix zwei Finger in die Vagina stecken muss. Egal, ich bin committed.

Auf dem Weg zum Veranstaltungsort genehmige ich mir gleich zwei Zigaretten. Mein Vorsatz: Vorher rauchen, dann auf dem Event nicht mehr. So werden meine Pheromone nicht überdeckt und können ihre volle Wirkung entfalten. Natürlich bin ich zu spät dran und habe nur einige Minuten Zeit, um an einem Wasser zu nippen, bevor ich Platz nehmen soll. „Tut mir leid, aber ich müsste noch einmal auf die Toilette”, sage ich verschämt. Jetzt halte ich alle anderen auf, weil ich mir wegen eines blöden TikToks fix zwei Finger in die Vagina stecken muss. Egal, ich bin committed. „Ach, dann gehe ich auch noch schnell”, lacht eine Frau neben mir und begleitet mich  die Treppe hinunter. Unangenehmer kann es nicht werden, deshalb komme ich meiner Aufgabe schnell nach und drücke zur Verschleierung meiner Absichten wieder die Klospülung. Zurück beim Event, winkt mir meine Klo-Bekanntschaft zu und zeigt auf den leeren Stuhl neben sich. Toll, jetzt war sie nicht nur unwissentlich live dabei, sondern wird auch mein Testobjekt für den Nachmittag. Während der eigentlichen Veranstaltung konzentriere ich mich eher weniger auf meine Nachbar*innen. Als dann endlich Fingerfood gereicht wird und sich alle unterhalten, sehe ich die Chance für mein Experiment. Die Frau links von mir wird zu meinem nächsten Versuchskaninchen. Dass wir uns angeregt unterhalten, liegt aber vermutlich eher am Business-Talk als an meinen Pheromonen. Beim Mann zwei Stühle weiter hatte ich sowieso keine Chance mehr, nachdem ich etwas gegen das vorgestellte Produkt gesagt habe. Hier können selbst Pheromone nichts retten. Auch die drei Frauen mir gegenüber könnten nicht weniger an einer Interaktion mit mir interessiert sein. Wir unterhalten uns zwar ein wenig, aber als sie gehen, kennen wir nicht mal die Namen der jeweils anderen. Nach zwei Stunden und für mich exzessivem, aber ergebnislosen Networking ziehe ich die Reißleine und verabschiede mich.

Enttäuschende Ergebnisse werfen bei unsere Autorin Fragen auf: Ist all das hier nur Quatsch und Placebo-Effekt? Bild: Cliff Booth/Pexels (bearbeitet)

Eine Woche später frage ich mich, wieso ich jemals erwartet habe, dass sich die Menschen um mich scharen, wenn ich meinen Ausfluss am Hals trage. Zwar habe ich alle Schritte befolgt, die ich in der TikTok-Community gelernt habe und mir sogar noch selbst Regeln gesetzt, aber eine Sache hat mir rückblickend gefehlt: Selbstbewusstsein. Ich bin zwar mit Erwartungen an das Experiment gegangen, aber eigentlich wollte ich ja gar nicht tatsächlich umsetzen, was meine Pheromone bewirken sollen: Potenzielle Sex-Partner*innen anlocken, wie in der Tierwelt eben. Schließlich habe ich den Paarungstanz bereits erfolgreich absolviert, um in der Zoologie-Sprache zu bleiben. Vielleicht funktionieren meine Pheromone einfach nicht, weil ich nicht auf der Suche bin? Wahrscheinlicher ist allerdings, dass der Erfolg bei anderen Vagina-Parfum-Benutzer*innen ein Placebo-Effekt ist, lediglich das Selbstbewusstsein steigert und so zum gewünschten Erfolg führt. Ob es dafür unbedingt Vabbing braucht? Ich bin mir nicht sicher. Ich jedenfalls werde weiterhin Dior und nicht meinen Ausfluss am Hals tragen.

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