Blonde, Blonder, Blondshell! Die Grunge Queen über ihr neues Album, Kinder kriegen und Tumblr Fashion

Indie-Rock Sängerin Blondshell im Portrait
Foto: Pia Riverola
Im Interview erzählt uns Blondshell von ihren Style-Icons, warum sich Männer in ihrem Musikvideo zu Hunden verwandeln und warum sie unbedingt mal in Europa leben möchte.

Blondshell alias Sabrina Teitelbaum hat sich in kürzester Zeit als eine der spannendsten Stimmen im Indie-Rock etabliert. Nach ihrem gefeierten Debüt in 2023 legt sie nun mit einem Album nach, das persönliche Reflexionen mit kraftvollen Sounds verbindet. Am 2. Mai erscheint „If You Asked For A Picture“  – mit 12 neuen Songs, ungefilterten Emotionen und einem selbstbewussteren Songwriting zeigt die Musikerin eine neue Facette ihrer Kunst.

 

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Doch nicht nur im Studio war sie aktiv: In den letzten Monaten stand sie live bei Jimmy Kimmel auf der Bühne, besuchte zum ersten Mal die New York Fashion Week und produzierte Musik- und Lyricvideos für ihre Songs „T&A“, „23’s A Baby“ und „Two Times“. Und das ist erst der Anfang – denn mit ihrem neuen Album geht sie Ende Mai direkt auf Tour. Im September könnt ihr Blondshell dann auch in Deutschland sehen: am 20.09. in Hamburg, am 23.09. in Berlin und am 25.09. in Köln.

Im exklusiven Interview spricht Blondshell mit uns über ihre kreativen Prozesse, den Druck, mit 23 alles im Griff haben zu müssen, ihre Style-Icons der 2010er Jahre und die Songs, auf die sie sich am meisten freut, live zu performen.

Blondshell in einem grauen Anzug

BLONDE: Dein neues Album heißt „If You Asked For A Picture“. What if we asked YOU for a picture? Was wäre das für ein Bild?
Blondshell: Ein romantisches Analogfoto – so fühlt es sich gerade an, in Berlin zu sein. Ich war bisher nur einmal hier, für einen Tag. Jetzt fühlt es sich viel intensiver und romantischer an.

Ist dein zweites Album eine Weiterentwicklung deines Debüts?
Ja, auf jeden Fall. Mein Songwriting ist selbstbewusster geworden. Ich habe versucht, mich weniger an Regeln zu halten und einfach das gemacht, was sich natürlich und richtig anfühlt.

Stimmt es, dass du für dein erstes Album nur zwei Wochen gebraucht hast? Wie war es diesmal?
Auch mein erstes Album hat eine ganze Weile gedauert. Aber wir haben nur vier Tage lang im Studio aufgenommen. Für dieses Album waren es acht Tage. Also doppelt so lange. Allgemein hat es sich ganz schön gezogen, weil ich, als wir produziert haben, noch auf Tour war. Das war also ganz anders als beim ersten Mal. Gleichzeitig war es aber so inspirierend, an neue Orte zu gehen und neue Leute zu treffen. Ich hatte das Gefühl, dass das dieses Album sehr beeinflusst hat.

 

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Du hast im Januar dieses Bild von vor einem Jahr gepostet – was ging dir damals durch den Kopf?
Das Album war noch nicht fertig, aber ich hatte schon eine Vision. Es war wie ein Puzzle, das ich noch zusammensetzen musste. Ich wusste, dass ich eine Menge Songs habe, die gut werden würden. Ich muss nur ein bisschen herumprobieren. Generell fühlt man eine ganze Reihe an Emotionen, wenn man ein Album macht – an einem Tag fühlt sich alles großartig an, am nächsten zweifelt man an allem. Das ist eine Reise.

Stimmt es, dass dein Albumtitel von einer Zeile aus Mary Olivers Gedicht „Dogfish“ inspiriert ist?
Ja, ich liebe dieses Gedicht! Es geht darum herauszufinden, wie viel man von sich preisgeben möchte. Und es gibt all diese Gründe, warum jemand so ist, wie er*sie ist, selbst wenn man diese nicht versteht. Mir gefällt einfach die Idee, dass mein Album eine Art Schnappschuss meines Lebens ist.

Welche Künstler*innen haben dich und das neue Album in letzter Zeit inspiriert?
Fürs Songwriting habe ich mir viel von The Replacements angehört. Außerdem Alex G, viel R.E.M., Queens of the Stone Age und Red Hot Chili Peppers. Ich wollte auch, dass der Hintergrundgesang einen großen Teil meiner Songs ausmacht. Dafür habe ich viel von The Mamas and the Papas, den Ronettes, Fleetwood Mac gehört.

Blondshell in einem cute blau-grünen Outfit

Wie hat sich deiner Meinung nach die Indie-Rock-Szene in den letzten Jahren verändert?
Ich finde, es gibt eine Menge großartiger Musik, die gerade aus dem Indie-Rock kommt. Aber die Genregrenzen verschwimmen immer mehr. Indie beeinflusst vorallem Pop und umgekehrt. Es gibt viele spannende Kollaborationen, wie Taylor Swift mit The National oder SZA mit Phoebe Bridgers. Diese Offenheit tut der Kunst gut, denn Schubladen sind eher schädlich. Gute Musik inspiriert eben andere Leute, gute Musik zu machen. Ich würde also sagen, gerade geht es dem Genre gut.

Talking about Indie: Spiegelt dein Modebewusstsein deine Musik wider?
Definitiv. Mode ist wie Musik: Man trifft tausende kleine Entscheidungen, die am Ende ein Gesamtbild ergeben. Mag ich diese Gitarre oder diese? Mag ich dieses oder jenes Wort? Gefällt mir, was ich trage, oder nicht? Es ist alles eine Frage des Geschmacks. Und der kommt aus dem gleichen Bereich in einem selbst.

Gibt es irgendwelche Fashion-Icons, die deinen persönlichen Stil beeinflussen?
Als ich noch zur High School gegangen bin, war ich ein großer Fan von Tumblr-Mode. Think Mary-Kate and Ashley, als sie in ihren 20ern waren. Und Zoe Kravitz oder Kristen Stewart, als sie anfingen, Vintage Graphic-Tees und Jeans zu tragen. Oder auch die französische Künstlerin SoKo. Es gibt so viele tolle Streetstyle-Trends aus dieser Zeit. Das hat mich stark geprägt.

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Dein neuer Song „T&A“ und das Musikvideo dazu sind schon draußen – was steckt dahinter?
Kurz gesagt: „Men are dogs“. Die Hunde im Video verwandeln sich in Männer und umgekehrt. Es geht um Aggression, Verletzlichkeit und diese Dualität. Hunde sind so süß, es sei denn, man tut etwas, was ihnen nicht gefällt. Dann werden sie richtig aggressiv, und man muss sehr vorsichtig sein, wenn man sich ihnen nähern will. Es stecken viele Metaphern in dem Video.

Lass uns über „23’s A Baby“ sprechen. Darin scheint eine Menge Ironie und Sarkasmus zu stecken – worum geht’s wirklich?
Um den gesellschaftlichen Druck, in einem bestimmten Alter Kinder zu bekommen. Auch unseren Großeltern wurde noch gesagt, dass sie mit spätestens 25 Kinder haben müssen. Es gibt so viele Generationen, die sehr früh Kinder bekommen haben. Ich möchte wahrscheinlich auch irgendwann in meinem Leben Kinder haben, aber erst jetzt – ich bin 27 – fühle ich mich gerade endlich wohler in meiner eigenen Haut. Endlich geht es mir die meiste Zeit über gut. Und es ist genauso okay, wenn man keine will. Der Song reflektiert all diese Gedanken.

Bldonshell auf einem Sofa liegend

Wie würdest du Sabrina mit 23 und jetzt beschreiben?
Wie völlig unterschiedliche Menschen. Wahrscheinlich ist es mit 31 auch nochmal ganz anders. Aber mit 23 hatte ich mein Leben nicht im Griff. Mehr natürlich als noch mit 19 oder 20. Ich wurde außerdem mit vielen Körperbild-Idealen indoktriniert, wie wahrscheinlich jede Frau, in deren Land Medien und Mode eine wichtige Rolle spielen. Jetzt bin ich definitiv selbstbewusster. Wenn ich meinen Kindern mal sage “Dein Körper darf aussehen wie er will”, dann will ich das auch leben.

Deine Texte sind bekannt für ihre Ehrlichkeit und Direktheit. Gab es eine unerwartete Geschichte, die du in dieses Album integriert hast? Etwas, von dem du nie gedacht hättest, dass du es mal mit der Welt teilst?
Oh, da gibt es vieles. Aber der letzte Song auf dem Album, „Bottle Rockets“, ist so eine Story. Als Kind habe ich mit meiner Oma herzförmige Post-Its gemacht, eines hing über zehn Jahre an ihrer Tür. Irgendwann fiel es ab. Es war klar, dass das passiert, denn alles im Leben ist begrenzt. Ich habe nie wirklich darüber nachgedacht, bis es in diesem Song auftauchte. Ganz unbewusst. Und jetzt freue ich mich darauf, es mit ihr zu teilen.

Im Mai gehst du auf große Tour. Im September bist du nochmal in Deutschland. Auf welchen Song freust du dich am meisten, ihn live zu performen?
„Arms“ ist mein Lieblingssong auf dem Album. Der ist genauso geworden, wie wir uns ihn vorgestellt haben. Und er klingt einfach wie ein guter Live Song. Und „He Wants Me” ist auch ein guter Rocksong. Der wird Spaß machen auf der Bühne.

Was ist der Unterschied zwischen Tourneen in den USA und in Europa?
Ich glaube, viele Amerikaner*innen wachsen mit dem Gefühl auf, dass sich alles um die USA dreht. In Europa ist vieles anders – die Sprache, Essen, Kleidung, die Kommunikation. Das erweitert meinen Horizont. Reisen gibt mir das Gefühl, dass mein Leben besser ist, wenn ich weiß, dass es mehr gibt als nur das, womit ich aufgewachsen bin.

Auf welche europäische Stadt freuen Sie sich am meisten?
Ich bin gespannt auf London. Wir werden zwei Abende im Electric Brixton spielen. Und ich habe Familie in London. Ich freue mich darauf, diese Shows zu spielen und Zeit mit ihnen zu verbringen.

Blondshell in einem grauen Anzug

Bist du eher ein New York- oder ein L.A.-Girly?
Ich bin in New York aufgewachsen, aber lebe schon fast 10 Jahre in L.A. Ich liebe den ganzen Quatsch mit den Green Juices. LA gibt mir den Raum, den ich brauche. Man kann so schnell in der Natur, in der Wüste oder am Strand sein. Aber New York inspiriert mich. Deshalb kehre ich gerne und oft zurück.

Würdest du gerne mal anders leben wollen?
Ich würde gerne in Europa leben. Aber ich müsste mich dann richtig in die Sprachen reinhängen. London ist mir zu ähnlich. Vielleicht verliebe ich mich ja in eine Stadt, wenn ich auf Tour gehe. Es wäre wirklich schön, für ein oder zwei Jahre im Ausland zu leben.

Zu guter Letzt: Was sollen Hörer*innen aus „If You Asked For A Picture“ mitnehmen?
Ich hoffe, es gibt ihnen etwas Positives– sei es Freude oder Erleichterung über schwierige Themen. Ich habe versucht, ehrlich und ungefiltert zu sein, auch über Dinge, die mir unangenehm sind. Vielleicht hilft es anderen, sich damit weniger allein zu fühlen.

Blondshell in einem scharzen Anzug

 

Fotos: Pia Riverola

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