Warum wir eine Coming of Age-Serie wie „Schwarze Früchte“ dringend brauchten

Schwarze Früchte Lamin Leroy Gibba im Interview
Are your ready to cringe? „Schwarze Früchte“ ist die wohl unangenehmste, aber auch beste deutsche Coming of Age-Serie seit langem. Autor und Lead-Schauspieler Lamin Leroy Gibba erzählt im Interview, was hinter der Idee steckt.

Die neue Dramedy-Serie „Schwarze Früchte“ von Lamin Leroy Gibba bietet einen intensiven Einblick in die Lebensrealitäten Schwarzer und queerer Menschen. Mit Humor, Ernsthaftigkeit und Authentizität erzählt die Serie von Freundschaft, Identität, Verlust und Neuanfängen. Im Zentrum stehen Lalo (gespielt von Lamin Leroy Gibba), ein junger Schwarzer queerer Mann, und seine beste Freundin Karla (Melodie Simina), die sich in der Finanzwelt behaupten muss. Beide kämpfen mit persönlichen Krisen, Beziehungen und den Herausforderungen der modernen Gesellschaft.

„Schwarze Früchte“ überrascht uns mit Szenen, die das Zuschauen und Stillsitzen besonders schwer machen. Be ready to cringe! Gleichzeitig überzeugt uns die Serie mit ihrem talentierten Cast vor und diversen BIPoC Filmschaffenden hinter der Kamera. Die Geschichten der Figuren regen zum Lachen aber auch zum Nachdenken an und laden ein, authentische, lebensnahe Charaktere kennenzulernen. Die Serie läuft ab dem 18. Oktober in der ARD Mediathek.

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Lamin Leroy Gibba im Interview über die Entstehung von „Schwarze Früchte“

BLONDE: Wie würdest du Schwarze Früchte mit drei Worten beschreiben?
Lamin: Unser Ziel war es, dass die Serie ehrlich, berührend und lustig ist.

Wann genau kam dir die Idee zur Serie? Wie war der Entstehungsprozess?
Ich hatte die Idee zur Serie vor fünf Jahren und habe ein Jahr lang allein daran gearbeitet, das Konzept, die Serienwelt und die Figuren entwickelt. Dann bin ich mit der Idee auf Produktionsfirmen zugegangen und habe unter anderem auch Jünglinge Film getroffen, die Produktionsfirma, die auch „Futur Drei“ gemacht hat. Wir hatten sehr schnell eine Verbindung, künstlerisch, aber auch bezüglich unserer Vorstellungen für die Produktion sowie der politischen Haltung des Projekts. Zusammen haben wir eine Förderung für einen Writers Room bekommen und haben dann Schritt für Schritt an der Serie gearbeitet. Es kam Studio Zentral als Koproduktionsfirma dazu, dann die ARD Degeto. Es hat eine ganze Weile gedauert, von der Entwicklung bis zur tatsächlichen Produktion im letzten Jahr und wenn die Serie am Freitag rauskommt, waren es fünf Jahre.

Wie hat sich diese Mischung aus Comedy und Drama ergeben? Würdest du sagen, dass Humor deine Art und Weise ist, mit gesellschaftlichen Themen umzugehen?
Ja, voll. Für mich ist diese Mischung aus Comedy und Drama am nächsten zum echten Leben. Beides existiert häufig so nah beieinander und für die Figuren ist Comedy oder das Suchen nach Leichtigkeit eine Überlebensstrategie. In der Serie findet man in schwierigen Situationen dann genau das: Humor und Absurdität.

Lamin Leroy Gibba in Schwarze Früchte

Was war dir beim Erzählen der verschiedenen Storys besonders wichtig?
Mir war die Komplexität der Figuren sehr wichtig und ich wollte eine eigene Tonalität entwickeln. Es geht viel um die Dynamiken zwischen den Figuren, die connecten wollen, aber Schwierigkeiten dabei haben, sich gegenseitig zuzuhören. Cringe-Comedy und unangenehme Situationen, die man einfach aushalten muss, sind ein wichtiger Teil der Serie. Ich liebe am Cringe-Genre, wie aktiv es ein Publikum macht und man am liebsten mit den Figuren durch den Screen sprechen möchte. Also an der Tonalität habe ich all die Jahre sehr intensiv gearbeitet. Als Showrunner habe ich auch eng mit den beiden Regie-Personen, dem Kostümbild, Maskenbild und Szenografie zusammengearbeitet und geschaut, wie sich diese Tonalität, die Haltung und der subjektive Blick der Serie durch alle Gewerke zieht. All die verschiedenen Filmschaffenden, die Teil des Teams waren, haben meine Vision für diese Serie mit ihren Talenten und Ideen bereichert.

Ist das Endergebnis so, wie du es dir vorgestellt hast?
Es ist genau so, wie ich es mir erhofft hatte. Und noch so viel besser. Ich habe immer an das Projekt geglaubt und auch daran, dass das etwas Besonderes ist und gemacht werden sollte, aber dass es wirklich möglich war, mit dieser Art von Ressourcen dieses Projekt umzusetzen, hat auf jeden Fall all meine Hoffnungen von vor fünf Jahren übertroffen.

Nach der Deutschlandpremiere und dem Schwarze Früchte Fest auf Kampnagel – was sind deine bisherigen Highlights der Promo-Phase?
Eigentlich jeder Step, bei dem wir die Serie hinaus in die Welt schicken und Screenings in unterschiedlichen Räumen haben. Beim Schwarze Früchte Fest auf Kampnagel war es so berührend zu sehen, wie das Publikum mit den Figuren connected und gerührt ist und Leute wirklich weinen und lachen und auch im Kino mit den Figuren sprechen, weil sie bestimmte Szenen nicht aushalten. Das ist so toll zu sehen und genau das ist, warum wir die Serie gemacht haben. 

Mit Schwarze Früchte stehen im deutschen Fernsehen jetzt endlich POCs und queere Personen im Zentrum einer Geschichte – sowohl vor als auch hinter der Kamera. Wie ist die Resonanz bisher? Glaubst du, die Serie kommt bei der Mehrheit der Gesellschaft an?
Bis jetzt haben mir die unterschiedlichsten Personen gesagt, dass sie sich mit den Figuren identifizieren und ihre Perspektiven teilen können. Ich bin der festen Überzeugung, dass umso spezifischer Geschichten erzählt werden, desto universeller sind sie. Jede Person kann sich in den Lebensrealitäten der Charaktere wiedererkennen und sich selbst fragen: Wie sind meine Beziehungen oder Freund*innenschaften? Was ist meine Beziehung zu meiner Arbeit? Was hat meine Vergangenheit mit mir heute zu tun? Das sind Fragen, die uns alle beschäftigen. Egal wie alt man ist oder was der eigene Background ist.

Die Serie findet im öffentlich rechtlichen Kosmos statt. Wer sollte einschalten und was können die Personen von der Serie mitnehmen?Dadurch, dass die Serie in der ARD Mediathek läuft, ist sie im Mainstream, wo auch unsere Perspektiven Raum finden sollten. Also ich will auf jeden Fall, dass alle, also wirklich jede Altersgruppe und Menschen mit den unterschiedlichsten Backgrounds einschalten.

Du selbst nimmst eine besondere Rolle bei diesem Projekt ein. Du bist Lead Actor, Headwriter, Showrunner, Creator. Wie war es für dich, das alles in einem Projekt zu vereinen? Gibt es einen Teil deiner Arbeit, der dir am meisten Spaß macht?
Es war für mich kreativ so erfüllend. Es ist toll, ein Projekt wirklich von Anfang an zu formen und mit so vielen tollen Leuten zusammenzuarbeiten und dabei diese verschiedenen Positionen zu haben. Mit Schauspiel fing alles an. Aber ich habe auch schon als Teenanger geschrieben und an eigenen Projekten gearbeitet. Es gibt immer wieder Phasen, in denen ich mich mehr auf Schauspiel, Schreiben oder Produzieren konzentriere. Aber die Kombination ist etwas, das ich auch zukünftig machen werde.

Die Protagonist:innen Lalo und Karla struggeln mit Entscheidungen und Beziehungen in ihrem Leben. Mit welchen ihrer Herausforderungen kannst du am meisten relaten? Wo ähneln sich vielleicht auch Lalo und Lamin?
Ich muss sagen, ich habe eigentlich zu jeder Figur dieser Serie eine Connection. Die Serie ist nicht autobiografisch und Lalo und ich sind wirklich unterschiedliche Personen, aber als Autor und Schauspieler versuche ich immer eine Verbindung zu finden. Also wenn man die Serie schaut, lernt man auch mich ein bisschen kennen. 

Die Serie spiegelt auch wider, wie die Realität vieler Schwarzer und queerer Menschen in Deutschland aussieht. Welche Herausforderungen waren dir besonders wichtig, aufzugreifen?
Die Serie soll keine allgemeinen Struggles von Schwarzen oder queeren Personen erklären, sondern eher unterschiedliche Storys erzählen, von Charakteren, die sehr unterschiedlich sind und verschiedene Strategien haben, um mit Sexismus, Queerfeindlichkeit oder Rassismus umzugehen. Mir war wichtig, dass wir subjektiv und nah bei den Figuren sind, um so Sichtbarkeit für bestimmte Erfahrungen zu schaffen, die man als intersektional marginalisierte Person macht. 

Schwarze Früchte ARD Serie Lamin Leroy Gibba

Würdest du sagen, dass in der deutschen Medienlandschaft diese Repräsentation oder das Erzählen von individuellen Geschichten fehlt? Füllt „Schwarze Früchte“ eine Lücke?
Ich glaube, in den letzten Jahren hat sich viel getan. Vorher gab es nur sehr wenige und vereinzelte Möglichkeiten für Schwarze Personen Raum einzunehmen, in Film und Fernsehen. Diese alten Strukturen müssen verändert werden. Ich hoffe einfach, dass „Schwarze Früchte“ einen Impuls geben kann für Entscheidungsträger*innen in der Branche, mehr solcher Projekte zu beauftragen, es möglich zu machen, Personen die Ressourcen zu geben, ihre Geschichten zu erzählen. Es gibt so viele andere Perspektiven, die marginalisiert sind, die wenig oder keinen Raum haben, die aber einfach Teil der deutschen Gesellschaft sind und die diesen Raum genauso verdient haben wie alle anderen. Ich glaube, es muss sich noch viel tun und dazu gehören Veränderungen, die auch mit Gesetzen zu tun haben, mit der Filmförderung und wie die Vielfalt und die tatsächliche Darstellung unserer Gesellschaft in den Medien verankert ist.

Welche anderen Serien oder Filme von POCs sollten deiner Meinung nach alle gesehen haben?
Ein wichtiger Film ist „Alles wird gut“ von Angelina Maccarone aus dem Jahr 1997. Da geht es auch um eine Schwarze, queere Protagonistin aus Hamburg. Als ich diesen Film entdeckt habe, habe ich mir gedacht ,Wow, diese Geschichten gab es auch schon damals’. Unsere Serie ist also nicht das erste Projekt seiner Art. Das fand ich total wichtig, zu realisieren. Und dann gibt es Filme wie zum Beispiel „Ivie wie Ivie“ von Sarah Blaßkiewitz oder „Clashing Differences“ von Merle Grimme oder „Sam – Ein Sachse“ von Tyron Ricketts. Das sind alles wirklich schöne Projekte, die in letzter Zeit realisiert wurden. Genau diese vielen unterschiedlichen Perspektiven brauchen wir, weil wir sind nunmal sehr divers innerhalb der Schwarzen Communitys.

Fotos: ARD Degeto | Jünglinge Film | Studio Zentral | David Uzochukwu, Maïscha Souaga

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