Welche Designer*innen zeigt Solange eigentlich gerade in ihrem Fashion-Film?

Foto: LECAVALIER Lookbook via PR
In der letzten Woche veröffentlichte Solange mit dem Fashion-Film „Passage“ das neueste Werk ihrer Plattform Saint Heron. Darin tauchen die Designs von 6 Modedesigner*innen auf. Welches Talent aber kennen wir schon und wer muss auf eure Merkliste? Hier sind sechs Mini-Portraits.

Sei es die Farbwelt, der leichte, aber nicht überstrapazierte analoge Look, die atypischen Jazz Sounds von Standing on the Corner oder die pointierte und doch softe Choreographie – Passage” ist sowas von Saint Heron. Das kreative Netzwerk von Multimedia-Künstlerin Solange hat in der letzten Woche sein neues Werk enthüllt: einen Modefilm zum renommierten International Woolmark Prize. Aus über 380 Bewerber*innen wählte eine Jury dafür im Vorfeld sechs Finalist*innen aus, deren Entwürfe im Film unter anderem von Contributors wie Dionne Warwick und „POSE”-Star Dominique Jackson getragen werden. Genauer geht es beim Film von Regisseurin Wu Tsang, den Solange nicht nur kreierte, sondern auch selbst schrieb, um die verschiedenen Stadien des modischen Schaffensprozess. Nachdenken, Mut, Optimismus, Verletzlichkeit, Disziplin und Stärke – Saint Heron inszeniert hier, was es braucht, bis die speziellen Designs der Final-Kollektionen aus australischer Merinowolle gefertigt sind. Bevor am 10. Juni der*die Gewinner*in des Preises bekanntgegeben wird, schauen wir uns hier an, wen das Team da genau in Szene gesetzt hat.

 

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Bethany Williams

Mode vermenschlichen? Das macht die Londoner Designerin Bethany Williams, wenn sie in der Insta-Bio ihres Labels davon spricht, Kleidung durch Produktionskontext eine „zweite Chance” zu geben. So ein menschlicher Bezug liegt nahe, denn für Williams Label bedeutet die zweite Chance, dass ihr Label in jeder Saison vorrangig von der Zusammenarbeit in sozialen Projekten definiert sein will. Neben kostenlosen Online-Kursen für Nachwuchs-Modetalente, Jobangeboten für Ex-Gefängnisinsassinen und der anteiligen Spende von Profiten gehört dazu aktuell das Magpie Project im englischen Newham. Hier werden Mütter und Kinder unter 5 Jahren unterstützt, die in unsicheren oder temporären Unterkünften leben. Speziell für dieses Projekt hat Williams ihre Kollektion „All Our Stories” entworfen, die auch in „Passage“ zu sehen ist. Ihre Kollektionen fertigt Williams aus zu 100 Prozent recycelten Materialien wie Secondhand-Denim oder handgemachten Stoffen. Es bleibt allerdings nicht nur bei Textilien: Produkte wie die „Book Bag” (die wörtlich aussieht wie ein Buch) stammen zum Beispiel aus Abfällen der Buchbindung. Williams hat Modedesign im englischen Brighton und am London College of Fashion studiert. 2019 gewann sie den „Queen Elizabeth II award for young designers.”

Casablanca

 

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Mit gerade mal drei Jahren Markengeschichte, dafür aber 270k Follower*innen auf Instagram dürfte das Pariser Label Casablanca nicht unbedingt als großer Geheimtipp dieser Runde gelten. Und doch könnten sich Designs wie die des selbsternannten „Tennis Clubs” im letzten Jahr noch einmal an Beliebtheit erfreut haben: das Streetwear-Label des Pariser Designers Charaf Tajer steht unter anderem für einen „Après Sport” Look, die selbsternannte Fusion zwischen lockerem und Luxus-Outfit. Inspiriert sei diese Kombination von den Stunden, in denen die Erledigungen des Tages vorbei sind, die Nacht aber noch nicht angebrochen, heißt es im „About”-Text der Marke. Viele solcher metaphorischen Beschreibungen finden sich in der Geschichte zum Label von Gründer Tajer, der darin auch die Dualität seines französisch-marokkanischen Kulturerbes in eine Metapher verwandelt. Auf seinen Werdegang besann sich Tajer schon 2018 und zeigte die allererste Kollektion im Wohnzimmer seiner Mutter im Pariser Vorort Belleville. Nach rasant angestiegenem Erfolg war er dann vor kurzem heiß im Gespräch, der nächste Chefdesigner für das Modehaus Kenzo zu werden.

Kenneth Ize

 

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Neue Traditionen durch die Interpretation alter schaffen: Was klingt wie die Strategie geschichtsträchtiger Marken ist auch die Philosophie von Kenneth Ize, dessen Brand mit Unterbrechung seit 2013 besteht und ebenso lange gefeiert wird. Nach seinem Studium bei Design-Größen wie Bernhard Willhelm oder Hussein Chalayan in Wien fokussiert sich der Designer nun mehr auf das (modehandwerkliche) Geschick und Erbe Nigerias. In der Praxis bedeutet das die direkte Zusammenarbeit mit kleineren Gruppen lokaler Weber*innen, Handwerker*innen sowie Künstler*innen. Damit will Ize Traditionen und Erbe beibehalten, ohne kontemporären Designgeist aus dem Auge zu verlieren. Seine Philosophie fundiert dabei auf dem Glauben, das durch die Erkundung und Pflege von existierenden Kulturen ein Terrain für zukünftige Traditionen geschaffen werden kann. Geht es aber um Aneignungen, bleibt eine ehrliche und transparente Auseinandersetzung mit der Referenz die Bedingung, so Ize in einem Interview von 2020. Aktuell beschäftigt den Designer vor allem das letzte Jahr: Die Kollektion „The Circle of Birth and Death” ist den Kämpfen sozialer Gerechtigkeit gewidmet. Ize schreibt dazu auf Instagram: „Die Bestärkung der Jugend heute hat Generationen der Zukunft inspiriert.”

Lecavalier

 

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Auch das Team von Lecavalier ist inspiriert von den Nachwehen der Gegenwart. „Not On The Calendar“ heißt deshalb die Kollektion für Fall/Winter 2021, die Bezug auf die Veränderlichkeit und Unvorhersehbarkeit der letzten Zeit nehmen soll – besonders im Bezug auf die Modebranche. Trotzdem guckt Marie-Ève Lecavalier, die Designerin hinter der Marke, mit einer eskapistischen Message auch auf das, was kommt. Sie illustriert ihre Designs als „neo-romantische Vision der Zukunft mit einer neuen Perspektive auf Kleidung”. Dafür bezieht sie sich auf den 70er-Sci-Fi-Film „La Planète Sauvage” und arbeitet mit anderen Künstler*innen zusammen, zum Beispiel für Pieces, die Rüstungs-inspirierte, hangestrickte Stücke darstellen und metaphorisch vor einer unsicheren Zukunft schützen. Noch einen Zukunftsmeilenstein setzt Lecavalier nicht nur mit der neuen genderbefreiten Ausrichtung ihres Labels, sondern auch mit ihrer Nominierung für den Woolmark Prize, für den sie als erste Kanadierin seit 50 Jahren unter den Finalist*innen ist. Eine besondere Ehre für Marie-Ève, die wie heute schon in ihrer Masterkollektion eskapistische Gedanken mit Handwerk verknüpfte: Damals war ihre Kollektion inspiriert von ihrer kindlichen Vorstellungskraft, gepaart mit einer einzigartigen Leder-Webetechik.

Matty Bovan

 

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Schon vor vier Jahren tauchte der britische Farbenfreund Matty Bovan unter unseren Highlights der London Fashion Week auf. Jetzt gerade würde sich mensch aber vielleicht nicht wünschen, (abgesehen von der Pandemie) bei seinen Shows in der Front Row zu sitzen, sondern ein 14 bis 18-jähriger Teen in der englischen Stadt Huddersfield zu sein. Moment mal, warum denn jetzt? Na ja, dort gibt Bovan in diesen Tagen einen Workshop dazu, wie man Stoffe customized. Und es gäbe viel zu lernen: Die Expertise für die Kombination von komplexen Farb-, Schnitt- und Materialwelten in Strick holte sich Bovan während seines Studium am Central Saint Martins College. Hier absolvierte er vor sechs Jahren den Master in „Fashion Knitwear”. Schon für seine erste Kollektion gewann der Designer einen Preis und zeigte in den nächsten Saisons seine Kollektionen mit Unterstützung der Plattform Fashion East. In „Passage“ sehen wir unter anderem einen frei geformten Rock, den er aus überschüssigem Material des traditionellen Stoffherstellers Hainsworth fertigen ließ. So eine Rückbesinnung passt, gehörte es doch zumindest vor einigen Jahren zur Arbeitsattitude von Bovan, lieber aus seinem kleineren (und günstigerem) Heimatort York zu arbeiten, anstatt aus dem stressigen London. Die Vorteile davon dürfen nun auch die Teens im Workshop genießen.

Thebe Magugu

 

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 Thebe Magagu aus Südafrika ist gekommen, um die ewige Frage zu klären, ob wir als Menschen nun unsere Kleider prägen oder umgekehrt. Jeden Tag will der selbstbenannte Luxuslabel-Designer seine Träger*innen in ihren Alltagserfahrungen unterstützen und dabei helfen, diese anzunehmen. Wie das funktioniert? Laut Thebe Magagu durch ein Konzept der sich „selbst entwickelnden Zeitlosigkeit”. Wer aber erwartet, dass dahinter allein schlichte und simple Designs stecken, liegt falsch. Magagus Mode ist immer auch eine Referenz an Motive und Details, die die reichhaltige Geschichte und komplexe Gegenwart des afrikanischen Kontinents thematisieren. Laut dem Designer selbst entstehen damit facettenreiche Stücke, die die „inspiririenden Qualitäten der Menschen hervorbringen, für die sie gemacht wurden”. Nicht weniger facettenreich ist die Geschichte von Magagu selbst: 2019 gewann der Designer als erster afrikanischer Designer den LVMH Preis. Kurz danach muss er mit Beginn der Pandemie sein ganzes Businessmodell infrage stellen. Mit noch mehr Sensibilität und Zusammenarbeiten mit lokalen Kreativen kehrt Magagu nun enthusiastisch in die Modewelt zurück. Dazu gehört für den Designer eben auch, seine Kleidung als „lebende Dokumentation” zu verstehen, aus der Betrachter*innen und Träger*innen zum Beispiel über die Frauen des Black Slash Movement oder das Apartheid-Regime lernen können. Sein Kleid „Girl Seeks Girl” wurde dazu gerade passenderweise vom Metropolitan Museum in New York gekauft.

Mehr vom Mode-Status abseits der großen Laufstege gibt’s hier: 

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