Körperhaare sind Teil von diskriminierender Körperpolitik. Damit gilt es auch aufzuräumen, wenn man sie entfernt: Dieses Mal geht’s bei Genderless Beauty um Rasur frei von (binären) Grenzen.
In Körperbehaarung liegt bekanntlich viel mehr (metaphorisches) Gewicht, als sich bei jedem noch so feinen Haar vermuten ließe. Wer sich Haare entfernt und wie und wo wir rasieren spielt unter anderem in sexistischer Diskriminierung eine Rolle, in Rassifizierung – und natürlich in der Zuschreibung und Diskriminierung von Geschlechtsidentitäten bzw. Gender. Im Mainstream wird dazu seit langem in erster Linie über weiße cis Frauen debattiert, die das Haar unter den Achseln, im Intimbereich oder an den Beinen sprießen lassen. Dabei handelt es sich oft entweder um ein Statement gegen patriarchale Beauty-Standards oder schlicht den individuelle Beauty-Routinen. Und während diese Bewegungen für viele zu begrüßen sind, kann auch in ihnen eine Doppelmoral liegen: Zum Beispiel dann, wenn weiße Feminist*innen für ihren Wuchs gefeiert, nicht-weiße Menschen aber eben für Körperbehaarung rassifiziert und nicht-cis Menschen diskriminiert werden. Der Doppelstandard verhält sich damit ähnlich wie beim Thema Augenbrauen, zu dem ihr hier aus der Genderless Beauty Reihe lest.
Foto: Sora Shimazaki/pexel
Dennoch schärft sich besonders in sozialen Medien seit Jahren ein neuer Standard für individuelle Körperbehaarung. Denn darum soll es für viele beim eigenen Wuchs letztendlich gehen: den ganz persönlichen Geschmack und Komfort. Jede*r kann für sich selbst hinterfragen, inwiefern veraltete Beauty-Standards auf die eigene Vorstellung von Haarwuchs einwirken. Im Nachgang sollte, der Idealvorstellung nach, auch jede*r für sich selbst entscheiden können, wie was wächst – oder eben nicht.
Ist Rasur Individualität?
Dass das nicht immer realistisch ist, beschreibt Angela Patel in einem Artikel über vermeintlich feministisches Marketing am Beispiel junger Frauen: „Genauso wie die „Wahl”, Make-up zu tragen oder eine Diät zu machen ist die „Wahl”, sich zu rasieren eine, die in patriarchalen Erwartungen verwurzelt ist. Es ist auch eine Entscheidung, bei der viele Frauen aufgrund von sozialen und kulturellen Faktoren außerhalb ihrer Kontrolle gar nicht die Möglichkeit haben, sie zu fällen. [Diejenigen] mit sichtbarem Körperhaar werden mit Diskriminierung und Belästigung am Arbeitsplatz oder von der Familie, Freund*innen und Fremden konfrontiert.” Selbst innerhalb von „hair positive” Communities sei die Entscheidung für oder gegen eine Rasur von Konsequenzen gefolgt, so Patel – besonders für trans oder nicht-weiße Menschen.
Unabhängig von Erwartungen und Marketing-Tricks kann es statt einer „Entscheidung” aber dennoch ein persönlicher Wunsch sein, den Rasierer zu schwingen. Womit Nutzer*innen vor einem weiteren Alt-Standard der Haarwelt stehen: Wenige Regale sind in der Drogerie bekanntlich noch so binär abgegrenzt wie die der Rasurprodukte. Pinke Welten mit geschwungenen Designs und gepolsterten Kissen für weiblich gelesene Menschen, blau-schwarze Mauern aus Stahl für männlich gelesene. Wenn Rasur aber doch so hochgradig neutral sein soll wie, sagen wir, Zahnhygiene, wieso sieht das Regal hier längst noch nicht ähnlich aus?
Das ist „Pli”: Diplomarbeit stellt geschlechtsneutralen Rasierer vor
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Damit beschäftigte sich auch die Studentin Teresa Laura Novotny. Mit ihrer Diplomarbeit reichte sie an der Hochschule Darmstadt den Entwurf für einen genderneutralen Rasierer namens „Pli” ein. Und, surprise surprise: Mehr als ein schlankes, geschliffenes Stück aus silbernem Edelstahl braucht es nicht. Novotny gewann für „Pli” den mit 500 Euro dotierten Henriette-Fürth-Preis des Gender- und Frauenforschungszentrums der Hessischen Hochschulen. In ihrer Arbeit stellte die Absolventin aber nicht nur den neuen Entwurf vor. Novotny analysierte auch alte Stereotype von genderspezifischem Design und Vermarktung. „Stereotype Gestaltung hat nachteilige Effekte auf soziokulturelle Dynamiken und wird dennoch weiterhin praktiziert”, erklärt sie in der Einleitung ihrer Arbeit, die ihr hier einsehen könnt. Im Handel gibt es „Pli” leider aber noch nicht.
Der Begleiter für jede*n: Langlebige und neutrale Nassrasierer
An dieser Stelle käme die Brand Mühle mit ihrem neuen Rasierer „Companion” ins Spiel. Erst vor wenigen Wochen launchte das Familienunternehmen mit „Companion” einen neuen geschlechtsneutralen Nassrasierer. Damit verschafft sich Mühle damit im deutschen Markt eine Art Alleinstellungsmerkmal, schließlich ist das Spielfeld an neutralen Rasierern bisher doch sehr rar. „Companion” kommt wie Teresa Novotnys Design ebenfalls in silbernem Look und mit einfacher Klinge. Zusätzlich verfügt das Produkt über eine farbige Kordel, die zur Unterscheidung der Rasierer im selben Haushalt ausgewechselt werden kann. Darüber hinaus bleibt der Rasierer wortwörtlich ein nachhaltiger Begleiter, bei dem lediglich die Klinge regelmäßig gewechselt werden muss. Die ist aufgrund des Designs übrigens so geschützt, dass das Risiko für Schnittverletzungen minimiert wird – egal, wer an welcher Stelle rasiert.
Foto: PR/Studio Likeness
Ebenfalls auf nachhaltige Langlebigkeit setzen Produkte wie die von Grüner Rebell. Der Rasierhobel des Hamburger Unternehmens wurde mit Bambusgriff gefertigt und soll bei korrekter Pflege ein Leben lang halten, und zwar für jede*n. So passt das Produkt für die Unisex-Rasur von Gesicht über Intimbereich bis zu den Beinen. Wer sich beim nassen Rasieren noch unsicher fühlt, kann im passenden eBook passende Techniken nachschlagen. Und auch bei diesem Rasierer soll das besonders breite Kopf-Design und der geschlossene Kamm zu weniger Schnittverletzungen führen. Für den Start gibt Grüner Rebell direkt 10 Rasierklingen zum Auswechseln dazu.
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Neutrale Pflege für nach der Rasur
Am Ende fehlt dann natürlich noch die passende Pflege post-shave. Und auch hier ist in Sachen geschlechtsneutraler Produktpaletten noch deutlich Luft nach oben. Eine Rolle spielen dabei – abgesehen von ihrer Hautverträglichkeit – vor allem die Duftstoffe. Frei von Parfümierungen sind auch die folgenden Produkte leider oft nicht, erste Optionen auf eine geschlechtsneutralere Rasur aber bleiben sie trotzdem. Für eine Grundpflege könnt ihr natürlich auch eure normale Feuchtigkeitspflege verwenden, sofern diese frei von Alkohol ist und durch Parfümierungen nicht zu stark auf der Haut brennt. Habt ihr dann alles zusammen, bleibt das Zukunftsziel für Rasuren, dass wir sie so gestalten können, wie Menschen es sich seit jeher wünschen: Persönlich und privat.
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Plastikfreie Seifen, zum Beispiel die Rasurseife von boopan, sind oft in relativ neutralen Duftrichtungen verfügbar.
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Sollten nach der Rasur trotzdem mal Rötungen und Irriationen auftreten, kann ein kühlendes, duftfreies und feuchtigkeitsspendendes Aloe Vera Gel wie das von Santaverde helfen.
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Für medizinische Pflege sorgt ein Bodyshave Balsam wie der von ilon, den ihr in der Apotheke oder online erhalten könnt.
Auch hierum ging es schon in unserer Reihe Genderless Beauty:
Highlighter: Mehr Schein für eine Zukunft voller Glow-Ups
Mit diesem Eye-Make-Up sehen wir „neue Normalität”
Von Fingerspitzengefühl und manikürten Nägeln