Mentale Gesundheit, körperliche Fitness und persönliche Prioritäten. Im Interview spricht Lululemon Ambassador Harry Jameson über die Veränderungen in der Sportwelt und wie ein ganzheitlicher Trainingsansatz uns im Alltag helfen kann.
Es ist Winter. Die Sonne ist kaum zu sehen und wenn, dann geht sie nachmittags schon unter. Zusätzlich stehen Dinner-Einladungen, gemeinsames Backen und der Familienbesuch in der Urlaubszeit auf vielen To-do-Listen. Wie nimmt man sich Zeit für sich selbst und seine Gesundheit? Wie managt man das Leben mit Arbeit, Freizeit, Hobbys und den Liebsten?
Lululemon-Botschafter Harry Jameson ist seit 20 Jahren Personal Trainer und beschäftigt sich nicht nur mit der Gesundheit seiner Klient*innen, sondern managt auch das Familienleben mit Kindern, Beruf und das eigene Wohlbefinden. Dass ihm wichtig ist, nicht nur zu bewerten, wie viel Gewicht jemand stemmen kann oder wie schnell er*sie eine gewisse Distanz zurücklegen kann, war ihm schon von Anfang an bewusst. Als Botschafter von Lululemon möchte er die Menschen dazu inspirieren, Fitness als ganzheitlichen Aspekt zu sehen, der stark mit der mentalen Gesundheit und einer Body-Mind Connection zusammenhängt.
BLONDE: Dein Beruf ist eher ungewöhnlich. Wie bist du dazu gekommen, dein Wohlbefinden und das Anderer zum Beruf zu machen?
Harry: Ich bin seit 20 Jahren Personal Trainer. Mein ursprünglicher Abschluss war Sportwissenschaften, aber ich habe einen kombinierten Abschluss in Psychologie gemacht. Von Anfang an war ich also sehr interessiert an der Denkweise und den psychologischen Aspekten von Gesundheit, Wohlbefinden und Leistung. Ich hatte den Anspruch, wenn ich schon Trainer werde, dann auch ein richtig guter zu sein. Dafür habe ich mit wirklich interessanten und inspirierenden Menschen zusammengearbeitet. So konnte ich die Methodik, die man bei Sportler*innen anwendet, auf Manager*innen oder Unternehmer*innen zu übertragen und ihnen mit derselben Philosophie helfen. Wie bewegt man seinen Körper? Wie ernährt man ihn? Und wie erholt er sich? Mich hat die Liebe zum Sport zum Coaching getrieben. Aber ich wollte nach einer anderen Philosophie coachen, eine, die den Geist, den Körper und die Grundlagen der menschlichen Leistung betrachtet.
Als Lululemon-Botschafter repräsentierst du eine Marke, die sich auf Sport und Lifestyle konzentriert. Siehst du eine Verbindung zwischen hochwertiger Sportbekleidung und einem ganzheitlichen Ansatz für das Wohlbefinden?
Ich muss an einen Satz denken, den wir oft auf dem Golfplatz sagen: „Look good, feel good, play good”. Und ich glaube, das ist auch, was Lululemon macht. Unabhängig von Körperform oder Fähigkeiten fühlt man sich selbstbewusster darin. Lululemon Kleidung war ein Teil von mir, als ich Leute trainierte, in einer Vorstandsetage saß, ein Unternehmen leitete und vor Hunderten von Menschen sprach. Da sich Lululemon als Unternehmen von einer primär weiblichen Yogamarke zu dieser viel umfangreichen Marke entwickelt hat, wurde auch die Technologie weiterentwickelt. Früher musste man sich entscheiden, ob man Funktion oder Aussehen wollte. Und ich denke, Lululemon hat die Verbindung geschafft.
Der Wellbeing Report von Lululemon zeigt, dass immer mehr Menschen ihr eigenes Wohlbefinden an die erste Stelle ihrer Prioritätenliste setzen, und doch nimmt es paradoxerweise nicht zu. Was könnte Ihrer Meinung nach der Grund dafür sein?
Ich würde das ein wenig in Frage stellen, gerade auch weil Post-Covid die persönliche Entwicklung bei allen Generationen in den Vordergrund gerückt ist. So kann man bei Masterclass von Alicia Keys Klavierspielen lernen, oder bei Ramsay, wie man das perfekte Steak zubereitet. Der Wunsch nach dem Erwerb von Fertigkeiten hat stark zugenommen. Und ich denke, das spiegelt sich auch in der persönlichen Gesundheit und der persönlichen Fitness der Menschen wider. Das ist wahrscheinlich ein positives Relikt der Pandemie.Wir waren alle so lange eingesperrt, dass wir gezwungen waren, auf unsere geistige und körperliche Gesundheit zu achten. Dadurch wurde ein Licht auf die präventive Gesundheit geworfen und lange wurde nur reaktiv gehandelt.
Wir befinden uns in einer Zeit, die für viele Menschen eine echte Herausforderung darstellt, vor allem in geistiger Hinsicht, und körperliche Betätigung ist eine großartige Unterstützung. Eine Wellness-Routine ist ein wertvolles Instrument zur Stressbewältigung, zur Bewältigung von Ängsten, zur Bewältigung dieser Emotionen und Gefühlen. Wenn also die Statistiken besagen, dass weniger Menschen ins Fitnessstudio gehen, würde ich sagen: Mehr Menschen meditieren, mehr Menschen kochen für sich selbst, mehr sind sich ihrer täglichen Schritte bewusst. Ich denke also, dass ein Bewusstseinswandel definitiv stattgefunden hat.
Hast du Tipps, wie man das eigene Wohlbefinden in den Vordergrund stellen kann, besonders während der Feiertage, wenn viele Menschen es anderen um jeden Preis recht machen wollen?
Ich bin heute Morgen von einem Familienurlaub in Cornwall, im Süden Englands, zurückgekommen. Wenn man fit, gesund, glücklich und energiegeladen ist, dann kann man ein gutes Elternteil, Angestellte*r, Kolleg*in oder eine gute Führungskraft sein. Ich habe drei Unternehmen gegründet, sitze im Vorstand eines Risikokapitalfonds, bin Botschafter für tolle Unternehmen wie Lululemon, habe zwei kleine Kinder, eine Frau und Freund*innen. Ich habe also ein hektisches Leben. Aber die Termine, die nie verschoben werden, sind meine Trainingseinheiten.
Du bist Vater von zwei Kindern, wie führt man als Familie einen achtsamen Lebensstil? Gibt es bestimmte Rituale oder Aktivitäten, die ihr gemeinsam genießt?
Mein Sohn ist fünf Jahre alt und geht in eine kleine Grundschule, dort machen sie jeden Tag nach dem Mittagessen mit ihren Lehrer*innen eine fünfminütige Achtsamkeitsübung. Ich wusste gar nicht, dass sie das machen, und als wir in den Ferien waren, und wir vor dem Eisbad eine Atemübung gemacht haben, hat er sie angeleitet, wie in der Schule. Aber unser größtes Wellness-Ritual ist, dass wir am Wochenende zusammen kochen. Mein Sohn oder meine Tochter schnippeln das Gemüse und wollen unbedingt den Kochtopf füllen. Währenddessen fragen wir unsere Kinder, wenn sie zum Beispiel eine Karotte nehmen: Was ist das? Und so erklären wir, was das für ein Gemüse ist und wofür es gut ist. Ich denke also, man sollte die Kinder mit einbeziehen. Wenn ich mein Yoga mache, dann heißt es: „Schauen wir es uns gemeinsam an”. Und sie können auch mitmachen, denn nur so kann man sich gute Gewohnheiten aneignen.
Welche vielversprechenden Trends siehst du in der Wellness- und Fitnessbranche? Gibt es neue Ansätze oder Praktiken, die du gerne häufiger sehen würdest?
Ich meine, es gibt immer einen Trend und oft drehen sie sich wieder im Kreis. Achtsamkeitsübungen sind durch Apps wie Calm, Headspace oder Insight Timer populär geworden. Doch Meditation ist eine 10.000 Jahre alte buddhistische Praxis. Und so sehen wir, wie sie hier wieder auftaucht. Wir haben durch Corona eine große Verschiebung hin zu diesen digitalen Erfahrungen, zu Erfahrungen ohne menschlichen Kontakt, gesehen. Ich bin froh, dass sich der Trend wieder in Richtung menschlicher Erfahrungen bewegt. Lange Zeit standen die Fitnessstudios leer, und man machte, was man wollte, ganz allein. Und jetzt sehen wir, dass die Leute diese persönliche Note wollen, mit Anleitung, Coaching und Gruppenkursen. Drei Jahre lang gab es keine Kurse mehr, weil die Leute nicht mehr hineingehen durften. Jetzt kann man in London aus einem anderen Grund nicht mehr hingehen: SoulCycle und Barry’s Bootcamp sind voll und ausgebucht. Ich denke also, dass dieses persönliche, menschliche, gemeinschaftliche Element ein Trend ist, der digitale Erfahrungen zwar nicht ersetzen wird. Aber es kommt zurück. Denn es ist wichtig, in die Tiefe der menschlichen Emotionen zu gehen.
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