Über Geld spricht man zwar nicht, wir aber schon. Beziehungsweise ihr. Marken-Gründerin Xenia Adonts, Sustainable Bank Managerin Lilli und Non-Profit-Studentin Alina verraten uns, ob Bares nach wie vor Wahres, der Preis heiß und Geiz geil sind. Was ist überhaupt noch gesetzt beim Thema Finanzen? Alle drei verraten hier, wie sie ihre Kohle ausgeben – wofür und warum.
Moneypools bei PayPal, kontaktloses Bezahlen an der Supermarktkasse, ApplePay und Bitcoins mit Blockchain-System. Vor ein paar Jahren noch wusste niemand etwas mit diesen Begriffen anzufangen. Viel hat sich getan in der lange als verstaubt, sexistisch und vor allem untransparent verschrienen Finanzbranche. ARD, ZDF und Arte haben gleich eine Serie über die Machenschaften in den Finanzmetropolen dieser Welt gedreht – und das mit einer Frau in der Hauptrolle. „Bad Banks“ packt selbst diejenigen, die man sonst mit Fonds und Krediten jagen kann. Die Macht – und oftmals damit einhergehende Ungerechtigkeit – von Geld erstreckt sich allerdings weit über die kalten, geldgierigen Wände der Wall Street hinaus und dringt in unser aller Mikrokosmos hinein.
In den sozialen Medien ist der Shitstorm quasi vorprogrammiert, sobald jemand öffentlich sein Geld für vermeintlich Falsches ausgibt, spendet etwa eine Kardashian-Schwester nicht sofort für die verheerenden Brände in Australien, sondern postet ein Foto ihrer Schmucksammlung. Es folgen drei Kommentare zum Thema Geld – komplett kostenfrei, aber ganz bestimmt nicht umsonst.
Xenia Adonts, 29, Founder & Creative Director „Attire“
Sie ist eine von Deutschlands ersten Fashion-Bloggerinnen. Mittlerweile wohnt und arbeitet Xenia in der Modehauptstadt Paris und hat mit Attire ihr erstes eigenes Mode-Label lanciert. Dafür hängte sie sogar ihren ersten größten Traum, einen Job im Finanzbereich, an den Nagel. Dennoch kommt ihr das BWL-Studium zugute, denn Attires Mission ist es, Verbraucher*innen die genaue Zusammensetzung des Preises ihrer neuen Kleidungsstücke offenzulegen. Stichwort: Transparenz! Über ihr ganz persönliches Verhältnis zu Geld hat Xenia nun auch mit uns gesprochen.
„Geld ist ein Mittel zum Zweck und insofern wichtig, als dass man genug braucht, um all seine Grundbedürfnisse zu erfüllen und nicht in ständiger Sorge leben zu müssen. Ich komme aus einer normalen, mittelständischen Familie und bin nicht im Überfluss an Geld aufgewachsen. Ich konnte mir nicht immer neue Klamotten kaufen oder ständig mit Freunden essen gehen. Ich habe dual studiert, was an sich schon ein Vollzeitjob ohne Ferien ist, und trotzdem zwei Nebenjobs gehabt. Obwohl ich drei Einnahmequellen hatte, war ich trotzdem immer im Minus und das ging so lange, bis mir meine Bank kündigte. Ich habe extra Finanzen studiert und wollte unbedingt Investment-Bankerin werden, weil ich wusste, dass man gut verdient und ich nie wieder die Sorgen haben wollte, die ich während meines Studiums hatte. Als ich weniger Geld zur Verfügung hatte und mir ständig Sorgen machen musste, wie ich dies oder das bezahle, habe ich mir nichts mehr gewünscht als einen gut bezahlten Job.
Mein Vater hat mich bescheiden erzogen und mir nie Geld geschenkt oder einfach so Taschengeld gegeben. Ich musste es mir immer erarbeiten. Während meines Studiums war ich so frustriert, weil ich nicht nur am wenigsten in meinem Betrieb verdient habe verglichen mit meinen Kommilitonen, sondern im Gegensatz zu meinen Freunden auch nie etwas von meinen Eltern bezahlt bekommen habe. Das war damals ein großes Streitthema. Heute bin ich unglaublich dankbar, dass mein Vater nie nachgegeben hat. Ich kann hart arbeiten, es macht mir nichts aus, ganz im Gegenteil, vielleicht arbeite ich manchmal zu viel und muss einen Gang zurückschalten. Allerdings sehe ich viele Leute in meinem Umfeld, die immer verwöhnt wurden und denen es als Erwachsenen schwerfällt, unangenehme Aufgaben durchzuziehen.
Als ich mit dem Studium fertig war, habe ich gesagt, dass mein erster Job ein Mindesteinkommen von 60.000 Euro im Jahr haben muss. Sowohl mein Vater als auch mein Freund haben mich belächelt und meinten, dass ich dafür erst mal viel Arbeitserfahrung sammeln müsste. Obwohl meine Aussage niemand ernst genommen hat, durfte ich recht behalten und habe im ersten Jahr nach meinem Studium bereits einen sechsstelligen Betrag verdient. Natürlich war das viel Glück, da niemand hätte ahnen können, dass man mit Social Media überhaupt so viel Geld verdienen kann. Es war aber auch meine aktive Entscheidung, dieses Risiko einzugehen, anstatt mich direkt für einen damals ,ernsten‘ Job zu bewerben und mich darauf zu fokussieren. Heute verdiene ich mein Geld durch Bewerbung von Modeartikeln, Kampagnen/Shootings (also Model-Jobs) und Event-Besuche.
Jetzt, da es mir finanziell sehr gut geht, habe ich erkannt, dass natürlich alle recht haben, wenn sie sagen, dass man Glück nicht kaufen kann. Glück, Gesundheit, Freundschaften – das, was das Leben ausmacht, ist unbezahlbar. Das ist natürlich schwer zu vermitteln in dem Moment, in dem Geld die größte Sorge ist. Ich bin außerdem sehr großzügig und das Gegenteil von geizig. Natürlich habe ich Geld zurückgelegt, aber ich gebe auch viel aus. Viel für Essen (ich lade meine Freunde oft gerne ein), für Geschenke, Bücher, Möbel und natürlich Klamotten, die mir gefallen. Das Geld, das ich über die Jahre angespart habe, habe ich nicht in Immobilien investiert, was wahrscheinlich die sicherste Art der Investition wäre, sondern in meine eigene Brand Attire. Wie man sieht, bin ich immer noch risikoaffin. Unser Launch war extrem erfolgreich und ich habe wieder ein Händchen für eine gute, risikoreiche Entscheidung bewiesen. Natürlich bin ich realistisch und weiß, dass man nicht in die Zukunft schauen kann und theoretisch alles passieren kann. Allerdings denke ich, dass, selbst wenn alles schiefgehen und meine Brand nicht funktionieren und ich alles Angesparte verlieren würde, ich trotzdem zurechtkommen würde. Ich habe das Köpfchen, die Kreativität, die Kontakte und die Disziplin. Deswegen mache ich mir keine Sorgen. Mein Vater wird durchdrehen, wenn er das hier liest…“
Lilli Staack, 27, Communications-Managerin Tomorrow Bank
Lilli kann man sich ein bisschen wie Paula Beers Charakter in „Bad Banks“ vorstellen, nur dass sie eben bei einer guten Bank arbeitet. Ziel ihres Arbeitgebers ist es, Geld in die richtige Richtung zu lenken und damit positiven Wandel zu ermöglichen. Insofern ist Nachhaltigkeit Kernbestandteil des Konzepts. Aber das ist noch lange nicht alles. Die Tomorrow Bank agiert ganzheitlich und macht Banking smart, verständlich, für alle zugänglich und Sustainability wird gelebt von der Auswahl der Partner bis hin zu den Bürogebäuden.
„Ich verstehe Geld als ein Medium – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ich brauche es, um den Alltag zu bestreiten. Essen zu kaufen, meine Wohnung zu bezahlen oder um von Hamburg nach Berlin zu kommen, ein Glas Wein trinken zu gehen. Geld ist ein Tauschmittel. Und es ist (gerade im heutigen Zeitalter) gewissermaßen vergänglich. So sind Kryptowährungen auch ein Tauschmittel, aber anders als ,herkömmliche‘ Währungen hängen sie viel stärker von Angebot und Nachfrage ab. Der Bitcoin zeigt: Was in einem Moment sehr viel wert ist, kann im nächsten Moment ganz wenig sein. Aber egal um welche Währung es geht, Geld ist nicht per se gut oder böse, sondern ziemlich neutral.
Diese Neutralität verliert Geld in dem Moment, in dem es anfängt zu arbeiten. Indem es auf der Bank liegt zum Beispiel. Denn dort wird es von den Banken investiert und plötzlich entfacht es eine Wirkung. Es sorgt dafür, dass bestimmte Branchen und Projekte unterstützt werden. Und an dieser Stelle lässt sich sehr wohl zwischen gut und böse unterscheiden: Sobald es arbeitet, kann Geld Medium für Destruktion oder aber für positiven Wandel sein. Und ich möchte dafür sorgen, dass Letzteres der Fall ist.
Neben der zugegebenermaßen etwas abstrakten Rolle von Banken spielt der individuelle Konsum natürlich eine große Rolle in der Wirkung von Geld. Jeder Kassenbon ist ein Stimmzettel: Ich wähle bei Lebensmitteln, dem Stromanbieter, Verkehrsmitteln oder Kleidung. Aber jede Gelegenheit, bei der man Geld ausgibt, sehe ich auch als eine Möglichkeit, eine bestimmte Art des Wirtschaftens zu unterstützen. Ich gebe beispielsweise wahnsinnig gern Geld für gutes Essen aus und unterstütze am liebsten regionale Erzeuger von nachhaltigen Nahrungsmitteln oder kleine Restaurants und Cafés.
Die emotionale Bedeutung von Geld hält sich für mich persönlich in Grenzen. Ich hatte aber auch das Glück, mir noch nie Sorgen darum machen zu müssen, ich kenne Geld nur emotionslos, für Mann und Frau gleichermaßen zugänglich und losgelöst von gesellschaftlichem Status. Der einzige Rat, den ich zu Geld bekommen habe, stammt von meiner Oma und sie riet, man müsse immer so viel haben, dass man ganz allein und ohne jede Hilfe sich selbst gut versorgen kann. Deswegen hat sich aller Geld-Rationalität zum Trotz das erste richtige Gehalt nach dem Studium ziemlich gut und richtig angefühlt.“
Alina Thiele, 30, Masterstudentin Interdisziplinäre Public- und Nonprofit-Studien
„Der moderne Mensch wird in einem ständigen Tätigkeitstaumel gehalten, damit er nicht zum Nachdenken über den Sinn seines Lebens und der Welt kommt.“ Dieser Satz steht seit Jahren an den Kacheln von Alinas Badezimmer. Genau wie sie politische Systeme schon in jungen Jahren hinterfragte, betrachtet sie das Tauschmittel Geld durch eine philosophisch-kritische Brille. Anstatt sich dem Tauschmittel passiv zu ergeben, erarbeitet sie sich über Jahre eine Methode, wie sie ihre moralischen Werte mit einer sozialen Komponente mischen und damit einen für sie gesunden Umgang mit Geld leben kann.
„Mein Verhältnis zu Geld wurde geprägt von meiner Familie, die sich nie etwas auf Pump gekauft hat. Manche Familien mögen ihr Geld für anderes ausgegeben haben, bei uns waren die finanziellen Prioritäten so gesetzt, dass wir reisen konnten. Ich sehe mich als privilegiert, in einem Land und einer Familie ohne Hungersnot oder Verschuldung geboren zu sein. Wahrscheinlich hat der Faktor Geld deswegen noch nie einen wirklich hohen Stellenwert für mich gehabt. Kurzlebigen Konsumgütern gebe ich mich ungern hin. Das hängt auch damit zusammen, dass ich so ressourcenschonend wie möglich leben möchte. Aus diesem Grund ist mir eine Karriere mit möglichst hohen Aufstiegschancen und Gehaltssteigerung unwichtig. In Zeiten des Kapitalismus ist das oftmals nicht einfach zu ignorieren oder zu umgehen. Vergleiche im Freundeskreis machen es einem manchmal schwer, seinen Wünschen und Bedürfnissen treu zu bleiben.
Auf der anderen Seite bedeutet eine gewisse Menge an Geld für mich wie für jeden anderen Menschen absoluten Luxus und Freiheit. Ich gestalte das so, dass ich meine monatlichen Ausgaben und Kosten so gering halte wie möglich. Das bedeutet keine Langzeitabos, keine Abzahlung von Krediten oder auf Pump angeschafften Gegenstände oder Reisen. Sprich: Ich leiste mir nur das, was ich mir leisten kann. Ohne meinen Puffer aufzubrauchen. Dafür arbeite ich so viel, wie ich es brauche und möchte. Denn genau das bedeutet für mich Unabhängigkeit und Freiheit.
In den vergangenen Jahren habe ich so vielerlei Wege gefunden, meine monatlichen Kosten zu minimieren. Beispielsweise habe ich ein Jahr lang nicht klassisch Lebensmittel gekauft, sondern sie einmal die Woche vor dem Verderben gerettet. Um sich zu engagieren, meldet man sich einfach im Netz unter foodsharing.de an und kann fortan die Lebensmittel eines Supermarkts abholen, die die Tafel nicht nimmt. Sprich: alle Dinge, die sonst im Müll landen würden, weil sie das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten haben. Und wenn ich ,alle‘ sage, meine ich alle. Da kann es schon mal vorkommen, dass man palettenweise Naturjoghurt verwertet, verschenkt oder es eine Woche lang Brokkoli-Auflauf gibt – der schmeckt dafür aber nach einer großen Prise Verantwortungsbewusstsein.“
Dieser Beitrag wurde ursprünglich am 30. April 2020 veröffentlicht.
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